Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 26 (1874), ab Seite: 134. (Quelle)
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Riehl, Anton (Advocat, Abgeordneter des ersten deutschen Parlaments im Jahre 1848, später des österreichischen Reichsrathes, geboren zu Krems in Niederösterreich 10. September 1820). Der Sohn eines wenig bemittelten Bürgers, studirte R. am Gymnasium und an der philosophischen Lehranstalt seiner Vaterstadt, besuchte dann die Universität in Wien, wo er dem Studium der Rechte sich widmete und im Jahre 1845 zum Doctor der Rechte promovirt wurde. Der Transport der Gefangenen aus der polnischen Insurrection durch die Stadt im Anfange der Dreißiger-Jahre hatte die Theilnahme der Bevölkerung an dem Schicksale der als Freiheitshelden gepriesenen Unglücklichen erregt und entzündete die Begeisterung der Jugend für alle Freiheitskämpfe der damaligen Zeit. In diesem Geiste übten zu jener Zeit insbesondere auch die parlamentarischen Kämpfe in den süd- und mitteldeutschen Staaten eine mächtige Wirkung auf empfängliche Gemüther in Deutsch-Oesterreich aus; die Berichte über die Kammerverhandlungen in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ wurden mit Begierde gelesen und studirt; der Constitutionalismus mit seinen freiheitlichen Einrichtungen, welchen jene anstrebten, schwebte fortan vorausdenkenden Patrioten als das leuchtende Ziel vor, welches auch in Oesterreich erreicht werden müsse, ein Ideal, dem auch R. unter den aus den Zeitereignissen und aus Rottek’s Weltgeschichtswerk empfangenen Anregungen mit ganzer Seele zugewandt blieb. Voll dieses Geistes, betheiligte R., inzwischen Doctor der Rechte und Concipient in einer Wiener Advocaturskanzlei geworden, sich unbedenklich an der Petition, welche im juridisch-politischen Leseverein in Wien nach Bekanntwerden der Februarrevolution in Paris und ihrer ersten Nachwirkungen in mehreren deutschen Staaten vor dem 13. März 1848 zur Unterschrift insgeheim circulirte und mit zu den ersten Einleitungen der Wiener Revolution in den Märztagen 1848 gehörte; mit Begeisterung schloß R. derselben vom Anbeginn sich an, ohne jedoch eine hervorragende Rolle darin zu spielen. So kam es auch, daß R. bei einer in Folge des Frankfurter Aufrufes wegen Errichtung eines deutschen Parlaments ohne officielle Einberufung in Krems abgehaltenen Versammlung von Wählern aus dem Viertel ober dem Manhartsberge, obgleich erst 27 Jahre alt, mit Acclamation als Candidat für die deutsche Reichversammlung aufgestellt und nach erfolgter officieller Wahlausschreibung als Abgeordneter in dieselbe von dem Wahlbezirke Zwettel gewählt wurde. Bei der Eröffnung der constituirenden deutschen National-Versammlung in Frankfurt am Main am [135] 18. Mai 1848 fungirte R., als eines der jüngsten Mitglieder der Versammlung, als Jugendsecretär, und wurde hierauf bei der definitiven Constituirung mit den Oesterreichern Andrian [Bd. S. 37] und Moering [Bd. XVIII, S. 418] in’s Bureau der Versammlung als ständiger Schriftführer gewählt, welches Amt R. ohne Unterbrechung bis zu seinem Austritte aus der Versammlung im April 1849 bekleidete. In der Versammlung hielt Riehl beharrlich zur Partei der Linken (Westendhall), sprach in Uebereinstimmung mit anderen jungen Oesterreichern (Berger [Bd. I, S. 303; Bd. XXII, S. 480; Bd. XXIII, S. 361], Giskra [Bd. V, S. 199; Bd. XI, S. 415]) für Annahme der bekannten Paragraphe 2 und 3 der Reichsverfassung, welche das Verhältniß der deutschen Länder Oesterreichs zum deutschen Reiche auf Grund der Personal-Union der ersteren mit Ungarn ordnen wollten, schloß sich dem Proteste österreichischer Abgeordneter gegen die Verfassungsoctroyirung vom 4. März 1849, sowie gegen die Abberufung der österreichischen Abgeordneten aus der deutschen Reichsversammlung an und trat April 1849[WS 1] aus derselben noch vor ihrer Uebersiedlung nach Stuttgart aus. In das autographirte Parlaments-Album schrieb R. damals die folgenden Worte, die leider sich nicht verwirklicht haben: „Scheint es auch so, Deutschland ist für uns verloren – ich verliere den Muth und die Hoffnung nicht. Der große Gedanke der Vereinigung mit unseren deutschen Ländern wird in uns fortleben und wirken – er wird und muß dereinst mehr als taube Blüthen treiben. Frankfurt a. M. am 18. April 1849. Dr. Riehl. Abgeordneter für Zwettl in Niederösterreich“. In seine frühere Stellung als Advocatursconcipient nach Wien zurückgekehrt, verblieb er daselbst gleich anderen Gesinnungs- und Parteigenossen in welt-, aber nicht polizeivergessener Zurückgezogenheit[WS 2] bis zu seiner im Jahre 1851 erfolgten Ernennung als Advocat in Wiener-Neustadt. Als Advocat in Wiener-Neustadt fand R. bald Gelegenheit, durch glückliche Vertheidigungen vor dem Geschwornengerichte die öffentliche Aufmerksamkeit und das Vertrauen des ganzen Gerichtsbezirkes auf sich zu lenken. In die Gemeindevertretung der Stadt Neustadt berufen, wendete R. seine Thätigkeit mit Eifer den Angelegenheiten der Stadtgemeinde zu, für welche er in hervorragender Weise an den ersten Arbeiten zur Gründung der Sparcasse (1860), des Vorschuß-Vereines, sowie des Turn- und Schützen-Vereines sich betheiligte, als deren Vorstand er bis zu seiner späteren schweren Erkrankung wirkte. Die Anerkennung seiner Mitbürger für diese gemeinnützigen Leistungen, für die erprobte liberale Gesinnung und parlamentarische Vergangenheit bewirkte nach Publicirung der Februarverfassung 1861 seine Wahl als Abgeordneter der Stadt Wiener-Neustadt in den ersten niederösterreichischen Landtag, dessen geachtetes Mitglied R. während der ersten sechsjährigen Sitzungsperiode geblieben ist. Im Landtage war R. hauptsächlich in Unterrichts- und Kirchensachen als wiederholt erwählter Berichterstatter thätig, setzte auch die Errichtung einer Ober-Realschule und die Bewilligung eines eigenen Gemeindestatutes für Wiener-Neustadt durch, für welche Verdienste um Land und Stadt ihn die Stadtvertretung Wiener-Neustadt mit einstimmigem Beschlusse am 9. April 1866 zum Ehrenbürger der Stadt ernannte. Vom [136] ersten niederösterreichischen Landtage zum Landes-Abgeordneten in den ersten österreichischen Reichsrath gewählt (1861), bethätigte R. auch in diesem eine stets verfassungs- und freiheitsfreundliche Gesinnung und hatte das allseitige Vertrauen seiner Collegen in dem Maße sich errungen, daß er nach seinem Ausscheiden aus der öffentlichen politischen Wirksamkeit in Folge einer schweren Krankheit in der Sitzung des Reichsrathes am 3. Februar 1869 zum Mitgliede des österreichischen Staatsgerichtshofes gewählt wurde. Seit seiner Erkrankung im Mai 1866, von welcher er bis jetzt (1873) noch nicht ganz sich zu erholen vermochte, lebt R., zurückgezogen von jeder activen Betheiligung an öffentlichen Angelegenheiten, seinem Berufe als Advocat in Wiener-Neustadt.

Der Reichsrath. Biographische Skizzen der Mitglieder des Herren- und Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes (Wien 1862, Förster u. Bartelmus, 8°.) II. Heft, S. 26. – Parlaments-Album. Autographirte Denkblätter der Mitglieder des ersten deutschen Reichstages (Frankfurt a. M. 1849, S. Schmerber, kl. Fol.) Blatt 110. –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1840.
  2. Vorlage: Zürückgezogenheit.