Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Revera, Alessandro
Band: 25 (1873), ab Seite: 380. (Quelle)
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Revere, Giuseppe (italienischer Poet, geb. zu Triest im Jahre 1812). Sohn israelitischer Eltern, die ihn dem Kaufmannsstande, dem sie selbst angehörten, widmeten und nach dieser Richtung erziehen ließen. Aber das wollte dem feurigen und ehrgeizigen Jünglinge nicht zusagen, und nicht selten, wenn er Conti schrieb oder einen Bestellbrief an kaufmännische Collegen concipirte, entführte ihn das Flügelroß in andere Regionen und das wollte denn zu seinem Berufe [381] wenig passen. Ueberdieß beschäftigte er sich fleißig mit dem Studium der alten Sprachen, und zuletzt blieb den Eltern nichts übrig, als dem Wunsche des Sohnes nachzugeben und ihn zur höheren Ausbildung nach Mailand zu schicken, welches damals in den gebildeten Kreisen als das italienische Athen galt. Dort ließ er seinem poetischen Hange frei die Zügel schießen und betrat alsbald die literarische Laufbahn, indem er für Zeitungen und Almanache Artikel schrieb und so den Weg einschlug, den viele schon vor ihm oder zugleich mit ihm, wie Cesare Cantù, Franz Ambrosoli, Joseph Pozzone, Andreas Maffei, Luigi Correr, G. B. Nicolini, Julius Carcano, Jacob Cabianca, Aleardi, Prati, gewandelt. Die ersten Arbeiten veröffentlichte er, während er noch den philosophischen und historischen Studien oblag, in der „Strenna italiana“ und im „Album di belle arti“, erstere von Ripamonti, letzteres von Canadelli herausgegeben. Dann schrieb er Artikel, meist kritischen Inhalts, für den von Battaglia redigirten „Indicatore“, und so stand er mit einem Male mitten in der literarischen Welt. Aber diese kleinen Dutzendarbeiten machten noch immer keinen Namen und einen solchen wollte er haben. Der Besuch der Theater, der Erfolg der Stücke, die gegeben wurden, berauschten ihn, und mit einem Male war der Entschluß gefaßt, die dramatische Laufbahn zu betreten, und im Jahre 1839 – die Angabe 1829, die sich hie und da findet, möchte denn doch wohl irrig sein, da ja R. damals erst 17 Jahre alt gewesen wäre – erschien sein erstes dramatisches Werk: „Lorenzino de’ Medici. Dramma storico in cinque atti“ (Milano, Guglielmini), welches seinen poetischen Ruf begründete. Befreundet mit den meisten Journalisten, welche damals die kritische Feder in Mailand führten, wurde die Arbeit, so sehr sie die Spuren eines ersten Versuches an sich trug, über alle Maßen gelobt, feindselige Kritiken unterdrückt, wenigstens erzählt der „Fuccilozio“, in welcher Weise eine für den „Figaro“ bestimmte, nichts weniger als in die Posaune des Lobes stoßende Kritik von Cominazzi durch List beseitigt wurde; erst sechzehn Jahre später, 1858, brachte dieselbe die Mailänder Zeitschrift „La Fama“ unverkürzt und der unten in den Quellen genannte „Fuccilozio“ druckte sie, p. 299 e 300, vollständig nach. Uebrigens war das Drama „Lorenzino“ nur ein Lesedrama, welches nie dargestellt, wohl aber in einer zweiten Auflage herausgegeben und von Alexander Dumas ziemlich stark zu einem gleichnamigen Stücke benützt wurde. Der gewonnene Dichterruhm brachte nun R. nicht nur in die Kreise seiner journalistischen Collegen, sondern erleichterte ihm auch die Bekanntschaft mit den damaligen Heroen der italienischen Dichtung und Literatur, mit Männern wie Torti, Manzoni , Grossi, Abbe Pozzoni u. A., die er denn auch sorglich pflegte. Indem er nun einige Zeit an dem Ruhme zehrte, den ihm sein „Lorenzino“ eingebracht, gab sich R. längere Weile dem Reize des Nichtsthuns hin, verkehrte mit Künstlern und Dichtern, und erst nach einigen Jahren veröffentlichte er eine neue Arbeit: „I Piagnoni e gli Arrabiati ai tempi di fra Girolamo Savonarola“ (Milano 1843, Guglielmini), worin er in zwei Bänden in dramatisirender Form ein treues Bild dieser merkwürdigen Zeit lieferte. Aber eben diese Form, wodurch es weder ein Roman, noch ein Drama, sondern eine in Dialogenform gebrachte Erzählung [382] einer immerhin fesselnden und bedeutungsvollen Geschichtsperiode ist, that dem Werke Eintrag und war nichts weniger als geeignet, den Dichterruhm des Autors zu steigern, wenn es auch seinen Namen, der nach und nach in Vergessenheit gerathen war, etwas wieder in den Vordergrund drängte. Bisher hatte R. wohl Dramen und Dramatisches geschrieben, aber die Bühne, für welche zu arbeiten er doch längst entschlossen war, war ihm verschlossen geblieben. Nun aber wollte er es ernstlich mit der Bühne versuchen, und er schrieb das historische Drama: „Sampiero da Bastelica“, später gleichfalls bei Guglielmini gedruckt, früher aber durch die Darstellung Gustav Modena’s, der die Titelrolle gab, und der Sadowski, welche mit der Vannina d’Ornano eine der schönsten dramatischen Frauengestalten schuf, eine Bereicherung der Bühne, auf welcher das Stück oft und mit entschiedenem Beifalle gegeben wurde. Nun folgte auf derselben Bühne, dem Teatro re, wo der „Sampiero“ so glänzende Ausnahme gefunden, ein zweites historisches Drama:„Il Marchese di Bedmar“, das auch einen günstigen Erfolg hatte, wenn auch die Kritik dem Autor nachwies, mit welchem Glücke er viele Stellen aus der Erzählung: „Conjuration des Espagnols contra la Republique de Venise“ (1618) von Saint Réal und aus dem Drama des Engländers Otway entlehnt habe. Der Erfolg dieser Dramen erklärt sich jedoch leicht dadurch, daß R. darin hauptsächlich auf Erweckung des vaterländischen Sinnes hinzuwirken suchte, und daß sie, obgleich ihnen eine glühende Phantasie und bisweilen streng künstlerische Composition fehlen, doch durch edle Sprache und eine geistvolle Charakter- und Situationenschilderung sich auszeichnen. In Revere’s Dramen finden sich, wie ein Kritiker, wenn ich nicht irre, Carlo Cattaneo, treffend bemerkt, „vier Dinge: Geschichte, Trachten, Charaktere und Sprache“, immer vier Momente, die viel zum Gelingen eines dramatischen Werkes beitragen mögen. Indessen begannen sich die Symptome der politischen Bewegungen, deren Schauplatz Oberitalien werden sollte, allmälig zu äußern, und wie immer war die Poesie die Vorläuferin derselben. Um diese Zeit schrieb Revere ein Gedicht: „Marengo“, das er jedoch nur im Freundeskreise mittheilte, und in der „Rivista Europea“ veröffentlichte er eine historische Arbeit, welche er auch selbstständig unter dem Titel: „La cacciata degli Spagnuoli da Siena“ (Mailand 1847) erschien. Mit einem Male aber, die Gründe sind unbekannt, hielt sich R. in Mailand nicht mehr sicher und flüchtete sich, nur bei Nacht und Nebel wandernd, um den österreichischen Soldaten, von denen er sich Schritt für Schritt verfolgt glaubte, über die Berge in die Schweiz. Die Gründe dieser plötzlichen Flucht, die vielleicht zunächst in einer aus der Phantasie des Dichters entstandenen Furcht zu suchen wären, sind bisher nicht bekannt geworden. Um diese Zeit veröffentlichte R. ein Bändchen „Nuovi Sonetti“ (Lugano 1847), welche, wie eine frühere, „Sdegno e affetto“ betitelte Sonettensammlung des Dichters eben nichts Bedeutendes enthalten und auch geringe Beachtung fanden. Nun begab er sich nach Piemont, und zwar nach Turin, wo er eifriger Mitarbeiter des dort erscheinenden, von dem Deputirten Lorenzo Valerio gegründeten liberalen Journals „La Concordia“ wurde. Daselbst blieb er, bis ihn die Märzereignisse des Jahres 1848 nach [383] Mailand zurückriefen, worauf er im Mai g. J. sein vorhererwähntes Gedicht „Marengo“ im Drucke erscheinen ließ. Dem Gedichte schickte er eine prahlerische Vorrede voraus, worin er nichts Geringeres sagt, als daß eigentlich er der Urheber dieser allgemeinen Volksbewegung sei! Dann, so lange die Piemontesen in Mailand waren, betheiligte er sich als Mitarbeiter an dem die Mazzinischen Ideen in übertriebenster Weise vertretenden Journale „Italia e Popolo“. Sobald aber Mailand wieder in die Hände der Unseren gelangt war, machte auch R. Kehrt und begab sich nach Piemont zurück, wo aber die Erfolge der österreichischen Waffen doch einigermaßen seinen bisherigen Feuereifer gedämpft und ihn von dem politischen Gebiete zurück auf das minder gefährliche der contemplativen Poesie geführt hatten, denn seine damals erschienenen neuen Sonetten: „Nemesii nuovi Sonetti“ (Turin 1851) zeichnen sich wohl durch schöne Form und mitunter Kraft der Gedanken aus, sind aber im Ganzen sonst sehr zahmer Natur. Von anderen Arbeiten, die in diese Zeit selbst fallen, sind bemerkenswerth ein Drama: „Vittoria Alfiani“, welches auf dem Teatro Carignano in Turin gegeben, von Einigen gelobt, von Anderen verlästert wurde. Es erschien später mit einem zweiten, betitelt: „La giovinezza d’un pittore im Drucke. Als dann im Jahre 1854 Luigi Chiala das von Saredo begründete Journal „Rivista Contemporanea“ übernahm, lud er neben Rosmini, Mamiani, Tomaseo u. A. auch Revere als Mitarbeiter ein, und Revere brachte in dem Blatte unter dem Pseudonym Cecco d’Ascoli den Monatsbericht unter dem Titel: „Il Procaccia di Tonino“ der weiter, außer durch die Eleganz des Styles hervorstechend, von keiner Bedeutung war. Hingegen verwickelten ihn die in der nämlichen „Rivista“ unter vollem Namen mitgetheilten „Memorie di Anacleto Diacono“ in schlimme Händel mit Cominazzi, der ihm noch von früheren Tagen her nicht grün war, und mit Giuseppe Rovani. Das Turiner Spottblatt „Le scintille“ ließ sich die Sache auch nicht entgehen und carikirte den Dichter in einer für ihn durchaus nicht schmeichelhaften Weise. Die letzten Arbeiten, die von Revere noch erschienen, sind ein Gedicht in versi sciolti, betitelt: „Giovanni da Grado“, das nicht zu Revere’s gelungenen Arbeiten zählt, und dann zwei Serien Reiseskizzen, welche er unter dem Titel: „Bozzetti Alpini“ (Genua 1857) und „Marine e Paesi“ (ebd. 1858) veröffentlichte und in denen neben malerischen Schildereien historische Erläuterungen und humoristische Betrachtungen mit unterlaufen. Revere lebt nun in Genua, hat aber, wie es scheint, die literarische Thätigkeit aufgegeben und ist zu dem Stande, für den er bestimmt war, zur Kaufmannschaft zurückgekehrt.

La Fama (Mailänder belletr. Blatt) 1855, No. 23. – Fuccilozio (Mailänder illustr. Blatt, schm. 4°.) 1855, No. 19, p. 297: „Giuseppe Revere“. – L’Italia musicale. Giornale dei teatri ecc. (Milano, kl. Fol.) 1856, No. 9 e s.: „G. Revere“. – Oesterreichische Blätter für Literatur und Kunst. Herausg. von Ad. Schmidl (Wien, 4°.) I. Jahrg. (1844), Lit.-Blatt Nr. 10, S. 78. – Porträt. Im Holzschnitt im Mailänder Blatte „Fuccilozio“ 1855, p. 304.