Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Cantù, Ignaz
Band: 2 (1857), ab Seite: 269. (Quelle)
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Cantù, Cäsar (Geschichtschreiber u. Dichter, geb. zu Brivio im Mailändischen 5. Sept. 1805).[BN 1] Cäsar ist der erstgeborne Sohn des Celso Cantù und seiner Gattin Rachel einer gebornen Galavresi. Ein nicht unbedeutendes Vermögen war in verfehlten Handelsspeculationen verloren gegangen, u. C. trat mit 11 Jahren als Cleriker in ein geistliches Stift, worin er bis zum 18. Jahre blieb. Mit solchem Eifer oblag er der Pflege der Wissenschaften, daß er erst 18 Jahre alt, im Lyceum von Sondrio Professor der schönen Wissenschaften wurde. Von dort kam er 1827 in gleicher Eigenschaft nach Como, und 1832 nach Mailand, wo er in letzterer Zeit seinen bleibenden Aufenthalt aufgeschlagen hat. Nach dem Tode seines Vaters ging die Sorge für die Unterhaltung u. Ausbildung seiner damals zum größten Theile noch unerwachsenen neun Brüder auf ihn über, welcher Pflicht er sich mit großer Gewissenhaftigkeit unterzog. Seine erste Arbeit, mit welcher er vor die Oeffentlichkeit trat, ist: „Algiso o la lega lombarda“ (Como 1828; Ostinelli); eine Novelle in ottave rime, worin trefflich gelungene Einzelnheiten ein schönes poetisches Talent beurkunden. Nun erschienen mehrere seiner Arbeiten im „Indicatore Lombardo“, einem Journal ästhet.-krit. Inhalts, und darunter sein: „Discorso intorno a Lord Byron; – „Dissertazione di Vittore Hugo e del Romanticismo in Francia“; – „Sulla letteratura tedesca“; in dieser letzteren vermittelte er, der erste, in einer der Zeit und dem Geiste entsprechenden Weise, die neuere deutsche Literatur dem italienischen Volke. Eine andere wissenschaftliche Frucht seines Aufenthaltes in Como war das Werk: „Storia della città e diocesi di Como“, 2 Bde. (Como 1829, 12°. mit Kart.); worin sich bereits jener philosophische Scharfblick beurkundete, der sich in seiner großen Geschichte aussprach. Sein nächstes Werk war „Sulla storia lombarda del Secolo XVII. ragionamenti per commento ai Promessi Sposi ec.“ (Mailand 1832, zweite Aufl. 1842) letzte Auflage unter dem Titel: „La Lombardia nel Secolo XVII.“ (Ebenda 1854; 16°.), welche Schrift gleichsam einen Commentar bildete zu [270] A. Manzoni’s „Promessi sposi“; sie enthält viele Aufschlüsse über den Cardinal Borromeo, die Nonne von Monza, und die mit ihr in Verbindung stehenden Ereignisse. – Die Umsturz-Versuche der Giovine d’ Italia im J. 1833 hatten eine verschärfte Aufmerksamkeit der Regierung zu Folge, und auch Cantù wurde am 11. Nov. 1833 verhaftet. Obwohl am 14. Oct. 1834 seiner Haft entlassen, hatte er doch die Lehrkanzel verloren, und er erhielt nur mehr eine Pension von 300 fl. Während seiner Haft schrieb er zum Theil auf die Rückseite von Landkarten, die ihm gestattet wurden, den Roman: „Margherita Pusterla“ (Mailand 1850, 24°., mit K. K. u. mit Illustr. im Text, Turin 1843, 8°.), wovon die „Illustration“ in Paris 1842 eine Uebersetzung mit sehr schönen Holzschn. brachte, auch deutsch von Fink, 2 Bde. (Stuttgart 1841). Man pflegt in Italien diesen Roman an die Seite von Manzoni’s „Promessi sposi“ zu setzen. – Nun erschien: „Notizia di G. D. Romagnosi (1835), eine biograph.-literarische Skizze des berühmten Rechtsgelehrten und seiner Werke; eine Reihe von Jugendschriften „Il buon fanciullo“ (Mailand 1851, 16°., illustr.); – „Il Giovinetto“ (Eb. 1852, ill.); – „Il Galantuomo“ (Eb. 1852, illustr.); – „Carl’ Ambrogio da Monte vecchio“ (Eb. illustr.) in mehrere lebende Sprachen übersetzt, und in Italien in vielen und sehr starken Aufl., darunter mehrere Nachdruck, verbreitet; die 15 blos in Mailand erschienenen umfassen eine Anzahl von 60,000 Exemplaren. Im J. 1836 war der Turiner Verleger G. Pomba nach Mailand gereist, um mit einem der dortigen Gelehrten die Herausgabe einer Geschichte Italiens zu bereden. Nach mehreren mißglückten Versuchen wurde endlich Cantù gewonnen, und nun erschien dessen großartige: „Enciclopedia storica“ (Turin 1837–1846) in 35 Bänden, wovon die ersten 18 die eigentliche Geschichte (Racconto), die übrigen die Sammlung der Beilagen (Documenti) aus allen Literaturen, parzielle Abhandlungen über Religion, Philosophie, Chronologie, Kriegsgeschichte, Archäologie und Kunst enthalten. Das auch sonst kostbar – mit 100 K. K. – ausgestattete Werk war bis jetzt (1857) in acht Aufl. erschienen, ungerechnet die Nachdrucke in Palermo und Neapel, und eine spanische, englische, französische und deutsche (letztere von Brühl, Schaffhausen 1848), in neuester Zeit eine ungarische Übersetzung. Dieses Werk umfaßt die Geschichte Italiens von den ältesten Zeiten bis zur Thronbesteigung Pius IX. Streng katholisch in seiner Tendenz, sucht Cantù darin im Geiste Manzoni’s den Staat und die Kirche, Politik und Religion mit einander zu verschmelzen. Mit Strenge verfährt er gegen die Historiker, die ihm vorangegangen, namentlich gegen die des XVIII. Jahrhunderts. Aber auch er wurde nicht geschont, ihm wurden viele Irrthümer nachgewiesen, und seine Werke den umfassendsten Analysen unterzogen, als von Bianchi-Giovini: „Sulla Storia universale di C. Cantù. Studi critici“, 2 Bde. (Mailand 1846), von M. J. Menini im Mailänder Journal: „Il Pirato“, und von M. A. Brofferio im Turiner Blatte: „Messaggiere“. Doch erfreute sich C.’s Werk im Ganzen einer theilnahmsvollen Aufnahme. Auf Guizots Antrag verlieh König Ludwig Philipp dem Geschichtschreiber den Orden der Ehrenlegion, und Se. Majestät Kaiser Ferdinand I. zeichnete ihn durch Uebersendung seines Chiffreringes aus. – Aus Anlaß des 6. italienischen Gelehrten-Congresses, der 1844 in Mailand Statt fand, verfaßte Cantù, da das Municipium den Gelehrten einen Wegweiser für die Stadt übergeben wollte, das Buch: „Milano e il suo Territorio“, 2 Bände [271] (Mailand 1844, 1 Plan und mehrere Lithog.) Schon auf diesem Congresse wurden C. mannigfache Auszeichnungen zu Theil, noch mehr aber als der Gelehrten-Congreß 1846 in Marseille zusammentrat, wo er zum Vicepräsidenten erwählt, und ihm zu Ehren von der statistischen Gesellschaft eine Denkmünze geprägt wurde. Im J. 1847 erschienen seine: „Racconti e descrizioni, edizione migliorata ec. ec.“ (2. Aufl., Mailand 1851, Gnocchi, 16°.), eine Reihe historischer Novellen und Dorfgeschichten, u. im Turiner Blatt: „Il mondo illustrato“, eine Reihe von Artikeln, betitelt: „Degli arcivescovi di Milano“, unterzeichnet: un Laico. Als im J. 1848 die Bewegung in Italien losbrach, begab sich C. nach Turin, wo seine Hymne: L’esule alla festa nazionale di Torino“ in Pomba’s Zeitung: „Il mondo Illustrato” erschien. Nun folgten: „Lettere cinque sulla rivoluzione di Milano“ (Turin 1848, Pomba, 8°.), eine Darstellung der Märztage in Mailand. Seine letzten selbständig erschienenen Arbeiten sind: „Storia di cento anni (1850–1851)“ (Florenz 1851, Lemonnier); – „La letteratura italiana esposta alla gioventù per via d’esempj“ (Mailand 1851); – „Ezzelino da Romano“ (Turin 1852, 8°.), Roman, und wie es den Anschein hat, eine frühere Arbeit; – „Il sacro macello di Valtellina“ (Florenz 1853, 16°.); – „Storia degl’ Italiani“ (Turin 1852), in letzter Zeit erst begonnen; der Verfasser theilt darin die Geschichte in drei Abschnitte: das heidnische Zeitalter, das katholische, das politische; das Ganze wird in 6 Bänden vollendet sein; bisher sind 60 Hefte und einzelne Abtheilungen des Werkes in zweiter Aufl. erschienen; – „L’Abate Parini e la Lombardia nel Secolo passato; studj“ (Mailand 1854, Gnocchi), reiht sich an sein: „Lombardia nel Secolo XVII.“ In drei Theilen gibt C. in Cousins Weise ein Bild der Zeit des mit Parini beginnenden, von ihm hervorgerufenen Wiederauflebens des guten Geschmackes in Italien; commentirt Parini’s berühmtes Gedicht: „Il Giorno“, und schildert am Schlusse nach noch andern Momenten diese Epoche der italien. Geschichte, wie es aus den Ueberschriften: „di Cesare Beccaria„Istruzione di Maria Teresa e Giuseppe II.„Sul dazio“ u. d. m. ersichtlich ist. – Sein letztes Werk ist: „Scorsa di un Lombardo negii Archivj di Venezia“ (Mailand und Verona 1856, Civelli e Cie., gr. 8°), mit einer Fülle historischer Nachweise zur Geschichte Italiens, Auszügen aus Chroniken u. dergl. m. – Cantù hat auch Mehreres übersetzt, darunter ist zu bemerken: Lamartine’s „Reise im Orient“. Im Jahre 1854 erlitt er durch das Falliment eines Verwandten einen bedeutenden Verlust – derselbe wurde auf 100,000 Lire angegeben – von welchem zugleich auch sein Bruder Ignaz (siehe den folg.) hart getroffen wurde.

Fuggilozio (Mailänder Unterhaltungsblatt, 4°.) Anno I 1855, Nr. 27 u. 28 [mit Verdi’s Porträt im Holzschnitt[WS 1] von Salvioni]. – Revue de Paris, 22. Mai 1845 (enthält unter Anderem das Folgende: „Le trop célèbre Zajotti qui voulait s’élever soit par la révolution, soit per l’absolutisme, disait en parlant du parti auquel appartenait alors M. Cantù: „Si les libéraux réussissent je les représenterai à la chambre; s’ils échouènt je les jugerai au tribunal.“ – Ils échouèrent, et M. Cantù fut jugé par Zajotti, qui trouvait à propos de ses livres et de ses principes politiques, que le jeune publiciste avait plus fait pour l’échafaud que pour la postérité. M. Cantù est échappé à Zajotti et depuis il s’est exclusivement occupé de littérature.“Lausac (M. de), Ecrivains jugés par leurs oeuvres. XII Catégorie de l’Encyclopédie Biographique du XIX Siècle (Paris 1848) [Lausac charakterisirt C. folgender Maßen: C. vereinigt in sich die Eigenschaften der ausgezeichnetsten Schriftsteller, er analysirt wie [272] Guizot, besitzt eine Klarheit wie Thiers, und schildert malerisch wie Barante und Thierry. Der historischen Schule der Encyklopädisten, welche nicht Geschichte erzählen, sondern machen, nicht Geschehenes darstellen, sondern darüber philosophiren will, erklärt er den Krieg. Gleich Bossuet stellt er die Menschheit unter Gottes Hand, nur mit dem Unterschiede, daß während der Bischof von Meaux nur Eine Nation, nur Einen Glauben im Auge hatte, für Cantù die ganze Menschheit nur eine Familie bildet, die immer und immer zunimmt und immer mehr Freiheit, Licht und Sittlichkeit gewinnt]. – Louandre (Charles) et Bourquelot (Felix), La littérature française contemporaine 1827–1844 (Paris 1846, 8°.) II. Bd. S. 509. – Mariani (G.), Biblioteca di opere originali di scrittori viventi [enthält die Notizie biografiche e bibliografiche über C. von Mario Carletti, welche auch den drei Abtheilungen alte, mittlere und neue Zeit seines großen Geschichtswerkes vorangeschickt ist]. – Prager Zeitschrift. Chronik für östr. Literatur, Kunst u. Geschichte 1851, Nr. 18, S. 70: „Cesare Cantù als Skizzist“ von Frh. v. R. – Schmidl (Ad. Dr.), Oestr. Blätter für Literatur und Kunst (Wien 1844, 4°.) I. Jahrg. Nr. 10, S. 76.– Biblioteca italiana (Milano, gr. 8°.) 1828, LII. Bd. S. 198 [enthält die ausführliche Beurtheilung seines ersten Werkes: Algiso]. – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de Mr. le Dr. Hoffer (Paris 1853) VIII. Bd. Sp. 534 (nennt irrig seinen Geburtsort Brisio statt Brivio]. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für gebildete Stände (Hildburghausen 1853, Bibl. Inst., Lex. 8°.) II. Suppl. Bd. S. 780. – (Brockhaus) Conversations-Lexikon (10. Auflage) III. Bd. S. 616.

Berichtigungen und Nachträge

  1. Cantu, Cesare [Bd. II, S. 269], geb. zu Florenz 21. November 1869.
    Zellner’s Blätter für Theater, Musik u. s. w. (Wien, kl. Fol.) 1869, S. 380. – Fremden-Blatt. Von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1870, Nr. 26 [nach diesem würde er noch am Leben und mit Abfassung der Geschichte des Concils beschäftigt sein]. [Band 23, S. 371]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Hozlschnitt.