BLKÖ:Poetsch, Ignaz Sigismund

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 24 (1872), ab Seite: 126. (Quelle)
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Nachträge zum Buchstaben P.

Poetsch, Ignaz Sigismund (Arzt und Lichenologe, geb. zu Türmaul bei Görkau in Böhmen 29. October 1823). Sohn unbemittelter Eltern, besuchte er von 1830 bis 1834 die Trivialschule zu Rothenhaus, 1835 die Hauptschulclasse zu Kommotau und 1836–1841 daselbst das von den Osseger Cisterciensern geleitete Gymnasium. Die philosophischen Studien hörte er an der Universität zu Prag, ebenda auch den ersten und zweiten Jahrgang der Medicin und ging im September 1845 nach Wien, wo er die medicinischen Studien beendete und am 4. December 1849 die Doctorwürde erlangte. Er trat zuerst als Spitalarzt in die Praxis, ward bald supplirender Secundarzt im k. k. Findelhause, und gleich darauf wirklicher Secundararzt im k. k. allgemeinen Krankenhause, in welcher Stellung er bis Ende März 1852 blieb. Nun ging er als Werksarzt nach Gaming in Unterösterreich und im November 1854 erhielt er die Stelle eines Stifts- und Convictsarztes in Kremsmünster, welche er seit 15. December g. J. bis zur Stunde versieht. Während seiner Studienzeit zu Prag lernte er den damaligen Assistenten der philosophischen Lehrkanzel, Dr. Augustin Smetana, und durch ihn den Professor der Philosophie, Dr. Franz Exner, kennen, durch welche zwei Männer er die nächste [127] Anregung zu geistiger Thätigkeit erhielt. Zu jener Zeit kam ihm Bolzano’s Werk „Athanasia“ in die Hände, welches er mit großer Vorliebe las und mit Glossen begleitete. Diese Glossen, welche mehrere Bogen füllten und die er „Mitgedanken bei Durchlesung der Athanasia“ betitelte, gab er seinem Lehrer Exner, der ihn in Folge dessen zu philosophischen Unterredungen in seine Wohnung beschied und sich später, da Exner an Kurzsichtigkeit litt, durch ihn Werke wissenschaftlichen, meist philosophischen, geschichtlichen und naturhistorischen Inhalts, vorlesen ließ, welcher Umstand nicht geringen Einfluß auf die weitere Entwicklung seines geistigen Lebens und auf seine ganze Zukunft nahm. Schon als Student des Gymnasiums hatte P. Käfer und Schmetterlinge gesammelt, später sammelte er und mit noch größerem Eifer Pflanzen, und zwar zunächst in seiner Heimat, setzte dann während seines Aufenthaltes in Wien die botanischen Studien fleißig fort, botanisirte auch in der Umgebung Wiens, gab aber, da ihm die sich steigernde ärztliche Beschäftigung keine Zeit zu dem langwierigen Präpariren von Herbarpflanzen übrig ließ, dieses Gebiet der Botanik auf und wendete sich den ihm bis dahin unbekannten Moosen und Flechten zu, weil dieselben tage- und wochenlang und noch länger ihres weiteren Schicksals, ohne Schaden zu leiden, harren können. Mit Rabenhorst’s „Kryptogamenflora von Deutschland“ (Leipzig 1845 u. 1848) begann er nun seine schüchternen Bestimmungsversuche. Als P. später in Kremsmünster eine weniger beschäftigungsvolle ärztliche Stelle antrat und er nun manche freie Stunde zur Betreibung eines Lieblingsstudiums als Aequivalent einer wissenschaftlichen Beschäftigung übrig behielt, setzte er sein Studium der Moose und Flechten fleißig fort und befreundete sich mit dem gleichen Studien obliegenden, in dem Kremsmünster nahe gelegenen Kirchdorf lebenden Collegen Dr. med. Karl Schiedermayr, mit dem er sich bald dahin einigte, die Kryptogamenflora Oberösterreichs zu erforschen. P. veröffentlichte nun in den Abhandlungen des zoologisch-botanischen Vereines zu Wien (Jahrg. 1856, S. 352–362) den „Ersten Beitrag zur Mooskunde Niederösterreichs“ mit 115 Nummern, von welchen 40 neu für die Kalkalpengegend und 4 neu für Niederösterreich waren. Im nächsten Jahre (1857) erschienen in den Abhandlungen desselben Vereines nacheinander folgende Aufsätze, S. 27 bis 34: „Beitrag zur Flechtenkunde Niederösterreichs“, mit 69 Nummern; – S. 101 bis 104: „Beitrag zur Lebermooskunde Niederösterreichs“, mit 38 Nummern; – S. 211–216: „Beitrag zur Kenntniß der Laubmoose und Flechten von Randegg in Unterösterreich“; – S. 225–234: „Beitrag zur Laubmooskunde von Kremsmünster in Oberösterreich“, mit 143 Nummern; – S. 621–628: „Zweiter Beitrag zur Kryptogamenkunde Oberösterreichs“, durch welche Arbeiten die Flora Unterösterreichs 6 neue Lebermoose, 3 neue Laubmoose und 45 neue Flechten, die Flora Oberösterreichs, welche bis dahin 321 Arten veröffentlichte Kryptogamen aufzuweisen hatte, 86 neue Laubmoose[WS 1] und 26 Flechten als Zuwachs gewann. Im Jahre 1858 machte er ebenda, S. 123 u. 124, eine Folge von 24 Flechten aus Obersteiermark bekannt, die er auf einer Ferienreise im September 1857 über Trieben und Hohentauern nach St. Johann am Rottenmanner Tauern und von da über Judenburg nach Obdach, der letzten Station Steiermarks gegen Kärnten, [128] gesammelt; – S. 277 u. f. erschien der „Dritte Beitrag zur Kryptogamenkunde Oberösterreichs“, Flechten und Filicoideen behandelnd, durch welchen wieder 62 Flechten für die Flora desselben gewonnen wurden. So widmete er seine ganze freie Zeit seit seiner Niederlassung in Oberösterreich der Erforschung der Kryptogamenflora seines neuen Heimatlandes, machte zu diesem Zwecke viele Ausflüge in die Alpenberge des Traunkreises und in das ausgedehnte Mühlviertel, von der bayerischen Grenze an bis nach Unterösterreich. Zugleich wirkte P. als Mitarbeiter an den von Rabenhorst in Dresden herausgegebenen Herbarien, als: „Bryotheca Europaea“, „Lichenes Europaei“, „Fungi Europaei“, „Cladoniae Europaeae“, „Cryptogamae vasculares Europaeae“, „Hepaticaeae Europaeae“, „Algae Europaeae“; an dem im Auftrage des österreichischen Ministeriums für Cultus und Unterricht von Dr. Th. Bail zu Posen im J. 1860 herausgegebenen „Pilztypenherbar“; an den von Dr. Körber in Breslau veröffentlichten „Lichenes selecti Germaniae“, und lieferte außerdem namhafte Beiträge zu den „Parerga lichenologica“ (Breslau 1859–1865) des letztgenannten Autors, sowie zur „Flora Europaea Algarum“ (Lipsiae 1864 bis 1868), von Rabenhorst. Ferner gab P. in den schon erwähnten Abhandlungen der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft zu Wien (1863, S. 580–584) unter dem Titel: „Lichenes Welwitschiani“, ein Verzeichniß von 76, von Friedrich Welwitsch in verschiedenen Gegenden Oesterreichs (Unterösterreich, Steiermark, Kärnten, Krain und Böhmen) von 1830 bis 1835 gesammelten Flechten heraus und bearbeitete für das von M. A. Becker zu Wien 1859 veröffentlichte „Reisehandbuch für Besucher des Oetscher“, S. 181–212, die „Kryptogamenflora des Oetschergebietes“. wobei er die von fremden Forschern dort aufgesammelten Funde mit seinen eigenen zusammenfaßte, und endlich erschien in der Regensburger Flora 1864, S. 88–94, von ihm ein „Beitrag zur Kryptogamenflora des unteren Bayerwaldes“. In der Zwischenzeit beendete er das in Gemeinschaft mit seinem Freunde Karl Schiedermayr bearbeitete Werk: „Systematische Aufzählung der im Erzherzogthum Oesterreich ob der Enns bisher beobachteten samenlosen Pflanzen (Kryptogamen)“, mit 2853 Arten, unter welchen 543 Algen, 1242 Pilze, 541 Flechten, 96 Leber-, 377 Laubmoose und 44 Filicoideen sich befinden, welches Werk von der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft als Separatbeilage ihrer Schriften herausgegeben und demnächst die Presse verlassen wird. Dr. Körber in Breslau würdigte in seinem Werke „Parerga lichenologica“ die Verdienste des Dr. P. um die österreichische Lichenenflora durch die Aufstellung einer Parmelia Poetschiana in lit.“, einer Biatora Poetschiana, S. 147 u. 148, und einer Poetschiana buellioides, S. 280 u. 281. Für die systematische Ordnung, Revision und Bestimmung der Moos- und Flechtensammlung des vaterländischen Museums Francisco-Carolinum zu Linz erhielt P. im Jahre 1863 nebst einem anerkennenden Dankschreiben auch das Diplom eines correspondirenden Mitgliedes dieses Museums. Ferner ist P. Mitglied der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft zu Wien und der k. k. Landwirthschafts-Gesellschaft in Oberösterreich. P. besitzt ein umfangreiches Herbar von etwa 10.000 Exemplaren aus der Classe der Kryptogamen, und viele Arten von [129] Moosen, Pilzen und Flechten, von seiner Hand gesammelt, befinden sich in den Herbarien des Stiftes Kremsmünster und in jenem des Museums Francisco-Carolinum zu Linz. Der Vollständigkeit halber sei noch einer von P. in seinen Studienjahren verfaßten Gelegenheitsschrift Erwähnung gethan, welche den Titel fuhrt: „Der Secirsaal. Nachahmender Gedicht nach Schiller’s Lied von der Glocke“, und im März 1845 zur Namensfeier des Professors Hyrtl bei Gottlieb Haase in Prag (16 S. 4°.) im Drucke erschien. Sie kam nicht über den Kreis seiner Mitschüler und Freunde heraus.

Neilreich (Aug.), Flora von Niederösterreich (Wien 1839, gr. 8°.) S. XV. – Krempelhuber (Aug v.), Geschichte und Literatur der Lichenologie (München 1867, 8°.) Bd. I, S. 281–283. –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Laubmause.