Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Passy-Cornet, Adele
Band: 21 (1870), ab Seite: 334. (Quelle)
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Pasta, Judith (k. k. Kammersängerin, geb. zu Saronna bei Como 9. April 1798, gest. in ihrer Villa am Comersee 4. April 1865). Die bei Gelegenheit ihres Todes veröffentlichten und in vielen Blättern des In- und Auslandes nachgedruckten biographischen Nachrichten enthielten vielfach Irrthümer, welche in folgenden Angaben berichtigt werden. Sie war nicht, wie es überall heißt, in Como geboren und stammte nicht von jüdischen Eltern, sondern ihr Geburtsort heißt Saronna und sie gehört ihrer Geburt nach der wohlhabenden und gebildeten, in Saronna ansäßigen Familie Negri an. Ein Onkel mütterlicher Seits gab ihr den ersten Unterricht in der Musik, für welche sie großes Talent zeigte. Später, 1803 bis 1811, war ihr Lehrer der im Jahre 1829 verstorbene Capellmeister der Domkirche zu Como, Bartolomeo Scotti und zuletzt Gaetano Scappa, der im Jahre 1864 in England als Director der Hofconcerte gestorben ist. Neben der musikalischen Ausbildung wurde auch der Unterricht in anderen Fächern nicht vernachlässigt; ihre Vorliebe für dramatische Dichter, unter denen sie Metastasio und Alfieri besonders verehrte, und der häufige Besuch des Mailänder Theaters weckten und entwickelten ihre Neigung für die Bühne. In den Jahren 1815 und 1816 trat sie nun auf dem Teatro filodrammatico, das kein öffentliches, sondern ein großes Privattheater in Mailand war und zu dessen Darstellungen die Billeten unentgeltlich vertheilt wurden, in der Hauptrolle der „Tre Eleonore“ auf, zu welcher Oper den Text ein Freund ihres Hauses, Antonio Zanatta, gedichtet und die Musik dazu ihr Lehrer Scappa gesetzt hatte. Sie sang damals auch in einer Reihe von Vorstellungen, welche die Dilettanten zu Ehren des in Mailand anwesenden Kaisers Franz gaben. Ihr Ruf verbreitete sich bald und sie erhielt unmittelbar darauf Anträge nach [335] Paris. Um diese Zeit vermälte sie sich mit dem jungen Rechtsgelehrten Pasta, der nun die Rechtswissenschaft aufgab und Sänger wurde. In Paris debutirte sie in der Opera buffa: „Il Principe di Taranto“, ohne eben durchzugreifen, aber die Erfolge als Elvira in „Don Juan“ und die Giulietta in Zingarelli’s „Romeo und Giulietta“ waren entscheidend; sie folgte nun einem Rufe nach London, wo sie als Telemach in Cimarosa’s „Penelope“ Triumphe feierte. Zu ihrer Niederkunft reiste sie nach Italien zurück und sang dann in den Jahren 1818, 1819, 1820 und im Winter 1821 dreimal in Venedig, zweimal in Padua, dann in Turin, Rom, Brescia und Triest. Sie sang u. a. im „Sargino“ von Paër, in der „Sposa fedele“ von Pavesi und in dessen für sie eigens geschriebenen „Califfo di Bagdad“. Im Jahre 1821 begab sie sich wieder nach Paris und sang bis Herbst 1826 daselbst, in London und Wien die Rollen des Romeo, der Nina, Medea, Semiramis und Desdemona, in der Zwischenzeit auch während des Congresses in Verona. In Wien wurde sie zur kais. Kammersängerin ernannt und stand bis an ihr Ende viele Jahre hindurch an der Spitze dieses Elitecorps, zu dem noch heute die Lutzer, Unger, Tadolini, Medori und Brambilla zählen. In Folge eines Streites mit Rossini verließ sie Paris und begab sich zunächst nach Neapel, wo Pacini für sie seine Oper „Niobe“ schrieb. Von Neapel, wo sonderbarer Weise ihre Gesangsart nicht ansprach, begab sie sich 1828 nach Mailand und im folgenden Jahre wieder nach Wien. Nachdem sie dann noch auf verschiedenen Bühnen Italiens gesungen, kam sie im Jahre 1830 von Neuem nach Wien. In diese Zeit fällt Bellini’s aufsteigender Ruhmesstern, er hatte für sie die „Somnambul“ und „Norma“ geschrieben, und in diesen wie auch in den übrigen Werken dieses früh dahingeschiedenen Maestro leistete sie das Höchste. Im Jahre 1832 entzückte sie wieder die Residenz in Bellini’s „Pirata“ und in Vaccai’s „Romeo und Giulietta“, und bei Gelegenheit des Geburtsfestes des Kaisers Franz durch den meisterhaften Vortrag der österreichischen Volkshymne. Wien war der letzte Ort ihrer eigentlichen Triumphe, daher sie auch dann noch, nachdem sie längst nicht mehr öffentlich auftrat, an Wien mir besonderer Vorliebe zurückdachte und auf den Titel einer kaiserlichen Kammersängerin immer große Stücke hielt. Wohl trat sie in den Jahren 1833 und 1834 noch in Paris in der italienischen Oper auf, aber in der Malibran war ein neuer Stern der Gesangskunst aufgegangen, dessen Licht alles Andere auf diesem Gebiete überstrahlte. So zog sie sich denn im Jahre 1836 ganz von der Bühne auf ihre Villa am Comersee zurück, um diese nur einmal noch, im Jahre 1840, zu verlassen und in Petersburg während einer Saison 200.000 Francs zu verdienen. Ein paar Winter brachte sie dann in Mailand und Genua zu, wo sie für schweres Honorar Unterricht im Gesange gab. Dann lebte sie in völliger Abgeschiedenheit, theils in Como, theils in Blevio, wo sie ihre eigene reizende Villa besaß, ihres Gartens mit eigener Hand wartete und mit rührender Pietät in einem abgeschlossenen Gemache täglich das Bild ihrer Mutter mit Blumen schmückte. Die letzten Lebensjahre der Künstlerin wurden durch ein schweres Weh getrübt. Sie hatte ihre einzige Tochter an einen Ingenieur der neapolitanischen Eisenbahnen, Namens Ferranti, [336] verheirathet, und dieser sich im J. 1861 – wie man sagte, in Folge großer pecuniärer Verluste – in Neapel erschossen. Auf dieses Unglück weist auch eine Stelle der ihr zu Ehren aufgestellten Lebenstafel: „Giuditta, Pasta, Genio del canto, onore del Secolo e dell’ Italia, miracolo di virtù nella più invidiata fortuna a nelle avversità. Te accolgono i cieli delle di cui melodie dolcissime beavi la terra.“ Ihre Stimme hatte in ihrer besten Zeit einen Umfang von reichlich 21/2 Octaven und stieg mit Leichtigkeit von den höchsten Tönen zu den wie Contraalt klingenden Tiefen herab. Dabei erinnerte ihr Spiel in seiner Vollendung an jenes der Schröder; weder die Malibran noch andere Sängerinen kamen ihr darin gleich.

Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt (Wien, Ant. Strauß’ Witwe, 4°.) 25. Jahrg. (1833), Nr. 112, S. 448, u. Nr. 115, S. 459: „Giuditta Pasta“. – Il Fuggilizio (Mailänder belletrist. Blatt, schm. 4°.) 1857, Nr. 16, S. 239. – Wiener Zeitschrift, herausg. von F. Witthauer (Wien, 8°.) Jahrg. 1832, Nr. 33, S. 280–287: „Giudetta Pasta“, von Ludwig Halirsch. – Lamperti (Gius.), Biografia universale dei celebri artisti di teatro viventi (Milano 1859, Borroni), p. 25. – Damen-Zeitung. Herausgegeben von C. Spindler. II. Jahrg. (1830), Nr. 140: „Giuditta Pasta und Giov. Batt. Rubini“. – Frankfurter Konversationsblatt (4°.) 1842, Nr. 217: „Ein Besuch bei Madame Pasta“. – L’Entr’acte (Paris, kl. Fol.) 1854, Nr. 36: „Les Cantatrices célébres“. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV, S. 163. – Zellner’s Blätter für Musik, Theater u. s. w. (Wien, kl. Fol.) 1865, S. 115 u. 124. – Presse (Wiener politisches Blatt) 1865, Nr. 105. – Männer der Zeit. Biographisches Lexikon der Gegenwart (Leipzig, Karl B. Lorck, 4°.) II. Serie (1862), in der Abtheilung: „Frauen der Zeit“, S. 86. – Porträte. 1) J. Caparali sc. (kl. Fol.); – 2) nach David’s Medaillon. Collas’scher Reliefstich (4°.). –
Büste. Die Società dei Negozianti di Milano ließ im Jahre 1828 ihre Büste von dem Bildhauer Marchesi anfertigen. – Medaillen. Die eine ließ die Società del Casino in Bologna prägen; eine Seite zeigt einen Lorbeerkranz, die andere folgende Inschrift: Giuditta Pasta | nel magistero del canto | per giudizio d’Italia | nell’ arte del gesto | per consenso di Francia | maravigliosa | i socj del Casino | di Bologna | grati plaudenti | 1829; – eine zweite ließ das Istituto filarmonico degli Anfioni zu Verona im Jahre 1830 ihr zu Ehren schlagen; die eine Seite zeigt die Worte: Alterna vice triumphans | MDCCCXXX; die andere einen Lorbeerkranz und die Worte: Juditha Pasta | Coll. Amphionum | Veronense | Inter plaudentes | obstupescens.