BLKÖ:Pachler, Maria Leopoldine

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Pachler, Faustus
Nächster>>>
Pachmann, Theodor
Band: 21 (1870), ab Seite: 165. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Marie Pachler in der Wikipedia
Marie Pachler in Wikidata
GND-Eintrag: 1017673357, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Pachler, Maria Leopoldine|21|165|}}

Pachler, Maria Leopoldine (geb. zu Gratz 2. Februar 1794, gest. ebenda 10. April 1855). Ihr Vater, Dr. Aldobrand Koschak [Bd. XIII, S. 1], Advocat und juridischer Schriftsteller, gab ihr eine sorgfältige Erziehung und und that namentlich Alles für die bedeutende musikalische Anlage des Mädchens, das mit neun Jahren schon Menuetts und Märsche componirte, die auf den Hausbällen und von den Regimentscapellen ausgeführt wurden. Den größten Einfluß aus die geistige Entwickelung Mariens nahm jedoch der am Gratzer Lyceum docirende Professor der Geschichte Jul. Schneller. Durch ihn wurde sie mit den Meisterwerken der Literatur und mit Schöpfungen Beethoven’s bekannt und vermuthlich durch seine Vermittlung von Beethoven selbst zum öffentlichen Vortrage des Clavierparts in der „Phantasie mit Chor“ auserwählt. Nachdem das Finanzpatent vom Jahre 1811 mit seinen Folgen die Familie um ihren Wohlstand gebracht und den Vater auf das Siechbett geworfen hatte, wollte sich Maria ganz der Kunst widmen, und ein reicher Kaufmann zu Triest, der verheirathet, aber kinderlos war, hatte die Absicht, sie zu adoptiren und zur Virtuosin ausbilden zu lassen. Die Thränen der Mutter und. die kindliche Liebe siegten; Maria gab ihren Lebenswunsch, ihren Beruf, ihre Zukunft, auf und blieb bei der Mutter. Nach dem im Jahre 1814 erfolgten Tode des Vaters zog sie mit dieser nach Sava in Krain zu Verwandten, dann nach Laibach; kurz vor der Abreise hatte sie sich mit ihrem nachherigen Gatten, einem jungen Landsmanne aus den Jünglingskreisen, die Schneller’n mehr oder minder umgaben, verlobt. Im Jahre 1816 kehrte sie nach ihrer Vaterstadt zurück, wo ihr Bräutigam sich dazwischen selbstständig gemacht hatte und sich am 12. Mai mit ihr trauen ließ. Das junge Paar, schon von Jugend auf an den geistesfrischesten Verkehr gewohnt, sammelte nun Alles um sich, was in dem damals noch kleinen Gratz von einiger Bedeutung durch Talent, Kunst oder Wissenschaft war. Des Gatten Karl älterer Bruder Anton lebte damals in Wien, und eine größere musikalische Composition Maria Leopoldinens wurde durch ihn Beethoven zur Beurtheilung vorgelegt, der dieser gelungenen Arbeit ihr Recht zuerkannte. Schon im nächsten [166] Jahre lernte Maria den großen Meister persönlich kennen und entzückte ihn durch den Vortrag seiner Werke so sehr, daß er ihr ein glänzendes Zeugniß darüber ausstellte; es ist facsimilirt einem Aufsatze beigegeben, den ihr Sohn zur Widerlegung der von Schindler aufgestellten Behauptung, als sei Maria die letzte Liebe Beethoven’s gewesen, in die „Berliner Musik-Zeitung“ vom Jahre 1865 schrieb [der Titel ist in den Quellen genannt]. Als ihr Gatte, der Advocat war, der Alter ego des Theater-Directors Stöger geworden, besuchten auch die ständigen und durchwandernden Schauspieler und Sänger das gastliche Haus, und es dürften wenig Namen von Auszeichnung sein, deren Träger nicht dort gewesen wären. Aber auch Herberge wurde manchem Durchreisenden angeboten, und so lebten denn Franz Schubert und einer seiner besten Sänger, Baron Schönstein, mehrere Wochen bei Pachlers; in ihrem Hause entstanden auch einige der schönsten Lieder Schubert’s, deren Texte sie ihm vorschlug und die er meist auf der Stelle componirte, z. B. die „Schottische Ballade“ und „Heimliches Lieben“. Beethoven hatte zu seinem größten Bedauern einer Einladung des Ehepaars nicht nachkommen können; als Schubert es zum zweiten Male wollte, riß ihn der Tod hinweg. Die gastfreie Sitte des Hauses erhielt sich noch viele Jahre und ein Wanderer empfahl den andern, obschon eben nicht viele Umstände gemacht wurden und Alles höchst einfach zuging. In späteren Jahren nahm sie den Sohn einer Freundin als Gefährten des eigenen an und widmete sich noch mehr als früher der durch eine kleine Landbesitzung vermehrten Hauswirthschaft. Das Scheiden ihres Sohnes aus der Vaterstadt, beginnende Kränklichkeit und zuletzt ein mehrjähriges Hinsiechen des einst so kräftigen Gatten trübten ihr Leben und verödeten ihr Haus. Fünf Jahre nach dem Tode des Gatten, welcher, nebenbei bemerkt, der erste Oberst der wiederrichteten Bürgergarde war, starb auch sie im Alter von 61 Jahren nach schmerzlicher Krankheit. Von ihren vielen Compositionen ist keine veröffentlicht. Bemerkenswerth ist noch ein musikalischer Scherz, den sie mit Geist und Witz öfter in Freundeskreisen auszuführen liebte. Dieser bestand in der musikalischen Charakterisirung ihrer Bekannten, von denen sie auf dem Clavier „Porträts“ entwarf, und in so glücklicher Weise diese „Bildnisse in Tönen“ ausführte, daß, wenn größere Kreise versammelt waren, die meisten der Anwesenden aus den musikalischen Silhouetten die Originale herausfanden. Der vorgenannte Faustus Pachler ist ihr Sohn.

Pachler (Faustus), Beethoven und Marie Pachler-Koschak. Beiträge und Berichtigungen (Berlin 1865, 8°.).