BLKÖ:Oettl, Joseph (1796–1856)

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Oettl, Ulrich
Band: 21 (1870), ab Seite: 34. (Quelle)
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Oettl, Joseph (k. k. Ministerialrath, geb. zu Innsbruck um das Jahr 1796, gest. zu Wien im Jänner 1856). Er war eines Schneiders Sohn, legte die Studien an den Lehranstalten seiner Vaterstadt Innsbruck zurück, nur das letzte Jahr der Rechte hörte er an der Wiener Hochschule. Nun trat er bei dem küstenländischen Gubernium in die Praxis und diente bei einem Kreisamte, als Franz Graf Stadion die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten des Küstenlandes übernahm. Der Graf berief Oettl’n in’s Gubernium nach Triest und wollte ihn sofort zum Präsidialsecretär ernennen, Oettl nahm aber diese Stelle erst nach einem Jahre an. Er blieb dann an der Seite des Grafen, so lange dieser das küstenländische Gubernium leitete. Als Graf Stadion im Jahre 1847 als Gouverneur nach Galizien berufen wurde, folgte ihm Oettl alsbald dahin. Die Wirksamkeit des Grafen in diesem Lande während des Jahres 1847 und der ersten Hälfte 1848 gehört der Geschichte an. Wer es miterlebt, wie Schreiber dieses, kann es ermessen, was auch Oettl in seiner Stellung als Chef des Präsidialbureau’s während dieser ereignißreichen Zeit, die von einem Beamten auf dem Posten, wie ihn Oettl einnahm, Energie, Ausdauer, Unbefangenheit, Muth, ja soldatischen Muth, unbeugsame Strenge, aber auch Gerechtigkeit verlangte, geleistet hat. In der That hatte er auch Außerordentliches geleistet, und als er später, 1854, mit dem Leopold-Orden ausgezeichnet worden war, so that er den schlichten, aber wahren Ausspruch: „Wenn ich einen Orden verdient habe, so verdiente ich mir ihn im Jahre 1848 in Galizien.“ In Lemberg blieb O. auch dann noch, nachdem Graf Stadion seine Gouverneursstelle niedergelegt und sich in’s Privatleben zurückgezogen hatte. Als Graf Stadion bald darauf in den Reichstag gewählt und aus diesem nach den Octobertagen in’s Ministerium berufen wurde, ließ er seinen Alter ego, Oettl, nach Wien kommen, wo dieser als Chef des Präsidialbureau’s des Ministers des Innern wieder eine fast aufreibende Thätigkeit entfaltete. Auch nach des Grafen Stadion unheilbarer Erkrankung blieb O. unter dessen Nachfolger, dem Minister Bach, auf seinem Posten und versah bis an sein [35] im Jänner 1856 erfolgtes Ableben, obgleich nur Ministerialrath, den Dienst eines Staatssecretärs im Präsidialbureau des Ministers. Ueber seine Wirksamkeit als Staatsbeamter berichtet ein freisinniger Zeitgenosse Oettl’s, der Statthalter Dr. Alois Fischer, in seinem Werke: „Aus meinem Amtsleben“. Dort heißt es von Oettl: „er war ein Bureaukrat in der edlen Bedeutung des Wortes. Er haßte alles Mechanische am Amte, insoweit es nicht der Ordnung wegen beibehalten werden mußte. Seine Gesetzeskenntniß überraschte die unterrichtetsten Beamten; hiemit vereinigte er eine reiche Erfahrung, denn er diente wie beinahe Alle seines Standes, vom untersten Dienstesgrade an in verschiedenen Kreisen und politischen Aemtern, viele Jahre in untergeordneten Stellungen und sein großes treues Gedächtniß bewahrte Alles, was ihm vorgekommen. Der Umfang seines Wissens schwang sich weit über seine Amtssphären hinaus. Auch hatte er durch rastloses Studium eine gründliche staatsmännische Bildung erworben. Obwohl nicht ängstlich, wo es sich darum handelte, eine größere Freiheit zu gewähren, gestattete er doch gewagten Experimenten im öffentlichen Leben keinen Eingang. Er haßte die Vielregiererei und liebte das Selfgouvernement; hielt aber an dem, was der Regierung ist, mit unerbittlicher Strenge fest. In der Bekämpfung fremder Ansichten trieb er die Sache gern bis an die Spitze, und bei seiner Rücksichtslosigkeit, die oft in Härte ausartete, schnitt er tief ein; er glich einem scharf geschliffenen Messer, an welchem man sich leicht verwunden kann; unter seinen Mitbeamten gab es deßwegen nur wenige, die ihn liebten; selbst seinen erprobten Freunden gegenüber brauchte er lange, um warm zu werden, um sie zu erwärmen. … Er war gerecht, selbst in den geringfügigsten Vorkommnissen, seine Ausdauer im Dienste hatte keine Grenzen; schon halb sterbend, brachte er täglich außer den gewöhnlichen Amtsstunden, seine Zeit von fünf Uhr Abends bis eilf Uhr Nachts im Bureau zu; zweimal mußte er von seinen Dienern, die ihn ohnmächtig an seinem Schreibtische fanden, um Mitternacht nach Hause gebracht werden und am Morgen darauf saß er schon wieder im Bureau.“ Als Beweis seiner Seelenstärke und des ungewöhnlichen Muthes, den er besaß, diene die Thatsache: als er sich im Herbste 1856 um eilf Uhr Früh einer chirurgischen Operation auf Leben und Tod unterziehen sollte, kam er um neun Uhr noch in’s Bureau, brachte die Acten in Ordnung und informirte einen seiner Collegen über einige unbedeutende Parteisachen so angelegentlich, daß dieser nicht begreifen konnte, wie sich ein Mensch, der vielleicht in einer halben Stunde vor dem ewigen Richter stehe, mit solchen Kleinigkeiten abgeben möge. So unbeugsam war sein moralischer Muth und so groß seine Gewissenhaftigkeit. Weit entfernt, ein Egoist zu sein, ja bis zur Selbstlosigkeit uneigennützig, neidlos, unbefangen, fremde Fähigkeiten und Kenntnisse nicht laut preisend, aber richtig würdigend und anerkennend, unermüdet in Arbeit und Thätigkeit, Oesterreicher vom Wirbel bis zur Zehe, war Oettl das Ideal eines „Präsidialisten“, worunter jene Auserwählten verstanden werden, die in dem dem jeweiligen Chef eines Amtes unmittelbar unterstehenden Bureau arbeiten. Im Paragraph 6 seines letzten Willens hat Oettl auch eine humanistische Stiftung gemacht. „Ein Theil der noch lebenden Bürgerschaft Innsbrucks, [36] lautet der Paragraph, hat meinen Vater, der, obgleich arm, durch und durch ein Ehrenmann war, als solchen gekannt und geachtet. Ihm zu Liebe, dessen Sohn zu sein ich stolz bin, wird die Stadt Innsbruck es nicht verschmähen, die nachfolgende Widmung in ihre Obsorge zu nehmen; in seinem Namen, der ohne Klage sich den Bissen Brot vom Munde absparte, um mich auf seine Kosten studiren zu lassen, bitte ich die Stadt, die Gabe des armen Handwerkersohnes anzunehmen. Ich bestimme nämlich, daß nach dem Ableben meiner Frau, ein die jährliche Rente von 200 fl. abwerfender Betrag in öffentlichen oder sichergestellten Privatobligationen der Stadtgemeinde Innsbruck zu Händen des städtischen Ausschusses zu dem Ende zur Verfügung gestellt werde, daß aus dieser Rente arme Studirende aus dem niederen Gewerbsstande, die sich durch Sittsamkeit, Fleiß und Fähigkeit auszeichnen, mit jährlichen Unterstützungen betheilt werden.“ Inhalt und Fassung dieses Paragraphen kennzeichnen den wackeren Mann, dem sein einstiger Untergebener hiermit sein Opfer dankbarer Erinnerung darbringt. Innsbrucker Tagblatt, XI. Jahrg. (1860), Nr. 137, S. 604 [aus der Schrift des ehemaligen Gouverneurs von Oesterreich ob der Enns, Dr. Alois Fischer, „Aus meinem Amtsleben“. – Erinnerung an Oettl. [Ein lithographirter Bogen, der nach Oettl’s Tode an seine Freunde und näheren Bekannten vertheilt wurde und unter anderem einen Auszug aus Oettl’s Testamente enthält.]