BLKÖ:Nagel, Joseph Anton

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Nagel, Leopold
Band: 20 (1869), ab Seite: 31. (Quelle)
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Nagel, Joseph Anton (Mathematiker, geb. zu Rittberg in Westphalen 3. Februar 1717, gest. um das Jahr 1800). Sein Vater bekleidete in Westphalen die Stelle eines Landrentmeisters (nicht, wie es bei Herrn Haselbach heißt: Landratmeister); überhaupt gehörte die Familie zum kleinen Adel des Münster’schen Bisthums. Der Sohn besuchte die Humanitäts- und philosophischen Collegien an der hohen Schule zu Paderborn, wo er mit besonderem Eifer bürgerliche Baukunst und mathematische Wissenschaften betrieb. Im Jahre 1740, im Alter von 23 Jahren, kam er nach Wien, wo er einige Zeit seine mathematischen Studien fortsetzte und nach einem kurzen Aufenthalte in Brünn von der k. k. Bankogefällen-Administration die Stelle eines Rechnungsrevisors bei dem oberungarischen Salzbergwerke zu Soowar erhielt. Einige Jahre war er auf diesem Posten thätig, der ihm übrigens gar nicht zusagte, da sich seinen ausgebreiteten mathematischen Kenntnissen fast keine Gelegenheit zur Anwendung darbot; daher war es ihm auch ganz erwünscht[WS 1], als ihn Kaiser Franz I. Stephan im Jahre 1748 nach Steiermark und Krain schickte, um über die Naturproducte sich genaue Kenntniß zu verschaffen und ihm über die Ergebnisse seiner Studien zu berichten. N. hatte mit Sachkenntniß die ihm gestellte Aufgabe gelöst und wurde nun zum Hofmathematiker ernannt. Es ist nicht bekannt, ob ein solcher Posten schon vorher bestand, und welches eigentlich seine Obliegenheiten waren, aber Nagel lag seinem Amte mit entschiedenem Erfolge ob. Er machte zum Behufe naturgeschichtlicher Forschungen Reisen auf kaiserliche Kosten, und zwar im Jahre 1750 durch Frankreich, England und Holland, und zeichnete alles Bemerkenswerthe, was ihm vorkam, sorgfältig auf. Nach seiner Rückkehr begab er sich zunächst nach Ungarn, wo er gleichfalls naturgeschichtliche Studien machte und sein Hauptaugenmerk auf die Karparthen richtete; dann wurde er nach [32] Tirol geschickt, um über das bei der Stadt Lienz an der Grenze Kärnthens befindliche sogenannte „Zwergelgebäude“ sein Gutachten zu erstatten. Zu gleicher Zeit beschäftigte er sich auch mit der Construction verschiedener für den praktischen Gebrauch eingerichteter Maschinen, u. a. einer, um Baumstöcke mit den Wurzeln aus der Erde, zu heben, deren Abrisse mit einigen optischen Zeichnungen noch im k. k. physikalischen Hofcabinete aufbewahrt werden. Im Jahre 1760 wurde ihm der Unterricht des Erzherzogs Karl Joseph in der Mathematik aufgetragen. Ferner führte er, wie de Luca berichtet, bei der niederösterreichischen Regierungsbaucommission die Aufsicht über die Ordnung neu aufzuführender Gebäude. Als im Jahre 1768 in Oesterreich ein starkes Erdbeben sich ereignet hatte, wurde Nagel von der Kaiserin Maria Theresia in die Gegend des Schneebergs abgesendet, um die Wirkungen dieser Naturbegebenheit in Augenschein zu nehmen und darüber zu berichten. Im Jahre 1772 erhielt er die Aufsicht über das physikalische Hofcabinet, zu gleicher Zeit die Direction des physikalischen und mathematischen Studiums an der Wiener Hochschule, und unter Einem das Präsidium der philosophischen Facultät. N. war vielfach wissenschaftlich thätig, wenngleich nur der geringste und verhältnißmäßig unbedeutendste Theil seiner gelehrten Arbeiten durch den Druck veröffentlicht wurde. Die Titel der im Drucke erschienenen Arbeiten Nagel’s sind: „Ausführliche Nachricht von dem am 27sten Hornung 1768 in und um Wien erlittenen Erdbeben“ (Wien 1768, 8°.) – und „Mathesis Wolfiana, in usum juventutis scholasticae per terras hereditarias Austriacae Domus a suprema studiorum commissione praescripta et a Directore Facultatis philosophicae Viennensis in compendium redacta“ (Viennae 1776, 8°.). Wichtigeres aber und für den Naturforscher noch heute Brauchbares hinterließ er in Handschriften, welche der kais. Wiener Hofbibliothek einverleibt sind. Die Aufschriften dieser Werke sind: „Beschreibung des auf allerhöchsten Befehl Ihrer Maytt: des Röm. Kaysers und Königs Francisci I. untersuchten Oetscherberges und verschiedener anderer, im Herzogthume Steyermark befindlich – bishero vor selten und verwunderlich gehaltenen Dingen“; das 50 Folioseiten mit 15 Abbildungen umfassende Manuscript handelt „von dem Oetscherberge, von dem unergründlichen Erlaphsee, von den Wasser-Crystall-Hölen auf der Tanian-Mauer, von den Wetterlucken auf den Wild-Alpen, von denen Schatzkammern in dem Eisenartzer Bergwerk, von den schwarzgrünen und blinden Forellen zu Eisenartz, von den Röttelsteiner Drachenhöhlen, von der bei Peggau in einer Höhlen befindlichen Statue, von der berühmten Schöckelberger Wetterlucken“; – die zweite Handschrift führt den Titel: „Beschreibung deren auf allerhöchsten Befehl Ihrer Röm. Kays. und Königl. Maytt. Francisci I. untersuchten, in dem Herzogthum Kraine befindlichen Seltenheiten der Natur“, 97 Blätter in Fol. mit 22 Tafeln Tuschzeichnungen; darin beschreibt Nagel zuerst die Grotte von Corniale und zieht darin hauptsächlich gegen die in Valvasor’s „Ehre des Herzogthums Krain“ enthaltenen, durch den Aberglauben entstellten Ueberlieferungen zu Felde; in einem zweiten Abschnitte handelt er von Mähren, und zwar von der bei dem Dorfe Schloup in Mähren gelegenen Höhle und von dem in Mähren befindlichen vielgenannten Abgrunde Mazocha. Nagel’s [33] Schilderung der Mazocha ist in Hormayr’s „Archiv“ 1819, Nr. 85, 86, 87, abgedruckt. Am Schlusse des genannten Manuscriptes theilt er noch einen „Catalogus deren aus Crain und Mähren mitgebrachten Naturalien und einigen anderen zur Beschreibung dienender Sachen“ mit; – das dritte, gleichfalls in der Hofbibliothek befindliche Manuscript ist eine „Beschreibung jener Landplage, die durch die Heuschrecken in den Jahren 1747 und 1748 über einige österreichische Länder kam“. Nagel erweist sich in den vorgenannten Arbeiten als einen umsichtigen Beobachter räthselhafter, durch den Volksaberglauben entstellter Naturerscheinungen, welche er genau untersucht, wobei er die Grundlosigkeit der über sie im Volksmunde lebenden Gerüchte zu wiederlegen bemüht ist, so daß diese Arbeiten schätzbare Materialien zur Topographie und Culturgeschichte Oesterreichs und der Steiermark im 18. Jahrhunderte bilden, und Nagel selbst sich als einen muthigen Forscher und Prüfer unheimlicher Naturerscheinungen schon zu einer Zeit darstellt, in welcher das Studium der Naturwissenschaft noch in der Wiege lag. Schließlich ist noch anzuführen, daß Nagel auch auf chartographischem Gebiete thätig gewesen. Es sind von ihm zwei Pläne der Stadt Wien aus den Jahren 1770 und 1771 vorhanden. Der eine führt den Titel: „Grundriß der k. k. Residenzstadt Wien unter der glorwürdigsten Regierung beider Majestäten Joseph II. und Maria Theresia auf allerhöchsten Befehl unter der Direction Dero Hofraths Joseph Nagel aufgenommen von den Ingenieurs Franz Groß und Joseph Neußner im Jahre 1770“, vier Blätter im Maßstabe von 1/1320 der Natur oder 1″=181/3°; – der Titel des anderen Planes ist: „Grundriß der k. k. Residenzstadt Wien, ihrer Vorstädte und der anstoßenden Orte, auf allerhöchsten Befehl unter der Direction des Hofrathes Nagel aufgenommen von den Ingenieuren Joseph Neußner und Karl Braun im Jahre 1771 und einigen darauf gefolgten Jahren“; sechzehn Blätter verschiedener Größe im Maßstabe von 1/2880 der Natur oder 1″=40°. Es ist nicht bekannt, ob noch ein anderer Plan von Nagel vorhanden ist; aber Schlager in seinen „Materialien zur österreichischen Kunstgeschichte“ (Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen, Bd. V, S. 745) berichtet: daß Nagel im Jahre 1780 – also 10 Jahre, nachdem obige zwei Pläne erschienen waren – „zur Bestreitung der Kosten seines Planes vom Stadtmagistrat 1150 fl. erhalten habe. Oder sollte dieß eine Nachtragszahlung gewesen sein? Die zwei angeführten werden von Sachverständigen als gute Arbeiten bezeichnet. Die Aufnahmen geschahen mit den besten Instrumenten der damaligen Zeit, ihr historischer Werth wird nicht verringert, wenn sie gleich durch Leistungen der auf diesem Gebiete weit vorgeschrittenen Gegenwart längst überflügelt sind. Nagel aber, der mit seinen gründlichen naturwissenschaftlichen Kenntnissen insbesondere gegen die Vorurtheile und Irrthümer zu Felde zog und hierin manchen Erfolg erzielt hat, steht in der Reihe der Vorkämpfer des achtzehnten Jahrhunderts für die Naturwissenschaft, deren Oesterreich Einige aufzuweisen hat.

XVIII. Jahres-Bericht über das k. k. Josephstädter Ober-Gymnasium für das Schuljahr 1868: „Die wissenschaftlichen Excursionen des Hofmathematikers Jos. Ant. Nagel in Niederösterreich und Steiermark“. Von Dr. C. Haselbach. – (De Luca) Das gelehrte Oesterreich. Ein Versuch (Wien 1776, Ghelen’sche Schriften, 8°.) I. Bds. 1. Stück, [34] S. 361. – Meusel (Joh. Georg), Lexikon der vom Jahre 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller (Leipzig 1808, Gerh. Fleischer der Jüng., 8°.) Bd. X, S. 13. – Poggendorff (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1839, J. Ambr. Barth, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 251. –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ererwünscht.