Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Moriggl, Augustin
Band: 19 (1868), ab Seite: 89. (Quelle)
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Moritz, Heinrich (Schauspieler, geb. zu Lösnig bei Leipzig 14. December 1800, gest. zu Wien 5. Mai 1868). Nach seinen Eltern hieß er Mürenberg, auch Mürrenberg, und diese waren wohlhabende sächsische Bauersleute. Die Jugend des Bauernsohnes fiel in die denkwürdige Zeit der Befreiungskriege, und an dem durch und durch deutschen Sinne seines Vaters hatte der Sohn ein Vorbild, dem er in seiner Weise nacheiferte. Der Sohn erhielt eine wissenschaftliche Ausbildung, und bezog, als er anfänglich das Studium der Rechte, dann jenes der Medicin zu seinem Berufe wählte, die Universität Leipzig. Dort verwickelte er sich in das Treiben der Burschenschaften, das, nachdem das deutsche Volk die Täuschungen inne ward, in welche nach so vielem für das Vaterland und dessen Befreiung vergossenem Blute, dessen berechtigte Hoffnungen sich auflösten, einen bedenklich politischen Charakter annahm. Als Abgeordneter von Leipzig bei dem Burschenfeste in Jena im Jahre 1818 wurde er in die unglückselige Sand’sche Geschichte verwickelt und war nach Kotzebue’s Ermordung genöthigt, zu fliehen. Nachdem bei Sand ein Verzeichniß der Theilnehmer des Jenaer Burschenfestes aufgefunden und von allen Seiten nach den harmlosen Studenten gefahndet wurde, war M. genöthigt, seinen Namen zu ändern, und seit dieser Zeit führte er den Künstlernamen Heinrich Moritz, den er nicht wieder ablegte. Nach Anderen hätte er in einem Studentenduelle eine Wunde empfangen, die seinen Arm auf einige Zeit lähmte und namentlich zu allen anatomischen und chirurgischen Operationen untauglich machte und das, ohne anderes politische Beiwerk, wäre der eigentliche Anlaß gewesen, mit dem anfangs erwählten Berufe zu brechen. Kurz, was immer die Ursache sein mochte, das Studium wurde aufgegeben und die Bühne sein neuer Beruf. In diesem wollte es ihm im Anbeginne nicht besonders glücken, sein ausgeprägter sächsischer Dialekt und eine große Befangenheit machten es ihm anfänglich sehr schwer, auf der neuen Laufbahn sich durchzuarbeiten. In Deutschböhmen zog er mit herumwandernden Truppen von einer Stadt zur andern und traf daselbst auch mit dem genialen, aber vom Trunke gänzlich verkommenen Schauspieler Reizenberg zusammen, der in seinen nüchternen Stunden sein erster Lehrer wurde, „dafür aber, wie unsers Künstlers Biograph erzählt, die einzige Hose, die Moritz besaß, ausborgte, um sie nie wieder zurückzugeben“. Auf diesen Wanderungen, auf welchen Frauenminne manchen Sonnenstrahl in [90] das wüste Treiben des Schauspielerlebens fallen ließ, kam er im Jahre 1821 nach Brünn, wo er nach seiner auf den vielen „Schmieren“ überwundenen Befangenheit gefiel und engagirt wurde. Das Jahr 1823 führte ihn nach München, wo er zuerst bei Carl am Isarthor-Theater Engagement fand, bald aber an das königliche Theater kam. Im Jahre 1825 unternahm er schon als fertiger Künstler die ersten Reisen, lernte in Karlsbad auf einer Durchreise den Grafen Kolowrat, damaligen Landeshauptmann von Böhmen, kennen, der ihn aufforderte, nach Prag zu kommen, welcher Aufforderung Moritz auch in kurzer Zeit Folge leistete. In Prag stand in jener Zeit deutscher Sinn und deutsches Kunstleben in reger Blüthe. Die Aristokratie huldigte der deutschen Kunst und der Niedrigste im Volke verleugnete Sprache und Nationalität, um deutsch zu sein. Auch das Theater vereinigte bedeutende Kräfte. Ludwig Löwe war ein Mitglied der Prager Bühne und eben an seine Stelle, da er im Jahre 1827 einem Rufe nach Wien folgte, sollte Moritz treten. Moritz war ein trefflicher Ersatz für den in nicht geringem Maße beliebten Vorgänger, er wurde ein Liebling des Publicums, ganz besonders der Frauen, die den jungen edel geformten Künstler gern mit ihrer Huld beglückten. Moritz spielte damals im Leben und auf der Bühne jugendliche Liebhaber, und von einer seiner Rollen, von jener des Ferdinand in „Kabale und Liebe“, sagte Menzel, als er ihn einige Jahre darnach in Stuttgart dieselbe spielen sah, in einer Recension im „Morgenblatte“: „Kein deutscher Schauspieler verstand es, diese Rolle so zur Gestaltung zu bringen, wie Moritz“. So gewann er denn auch das Herz einer Dame, die den aristokratischen Kreisen Prags angehörte und die endlich dem Mimen auch die Hand am Altare reichte. Diese Ehe mit der Baronin Schluditzka, die gegenwärtig und schon seit vielen Jahren auf ihrem Gute Strassoldo im Görzischen lebt, wurde nach Jahresfrist getrennt; aber nach einiger Zeit soll die Gattin zu dem Künstler zurückgekehrt sein, um sich nach wenigen Monaten wieder zu trennen, worauf im Jahre 1845 die gerichtliche Scheidung erfolgte. Der Biograph unsers Künstlers begleitet diese Thatsache mit folgenden Bemerkungen: „Die Ehe wurde für ungiltig erklärt, weil sie nach allen Zeugnissen – nie vollzogen wurde; diese Entartungen der Weiblichkeit – denn nicht anders können wir solche Erscheinungen nennen – kamen gerade in jener Zeit in den hocharistokratischen Kreisen häufig vor. – Wer soll solche Erscheinungen erklären! daß sie in den exclusiven Kreisen der continentalen Aristokratie vorkommen, ist eben nur ein Zeichen, oder war es wenigstens, von dem langsamen Verfalle derselben. Es sind Entartungen des Geistes, denen die Entartung des Körpers und Geschlechtes folgen muß“. Nach einer mehrjährigen Thätigkeit auf der Prager Bühne, auf welcher Moritz eben die Blüthezeit seines künstlerischen Schaffens durchgelebt, folgte er im Jahre 1833 einem Rufe nach Stuttgart, wo er auf der dortigen Bühne bald als Meister im Salonfache einzig in seiner Art dastand. Aber der Kreis der Rollen, in welchen M. mit Meisterschaft spielte, war keineswegs enge gezogen, wenn man bedenkt, daß in die Peripherie desselben Rollen wie der Prinz in „Emilie Galotti“, der Narr in „König Lear“ und Hamlet im gleichnamigen Meisterwerke Shakespeare’s fallen. Von Stuttgart unternahm [91] M. eine große Reise durch Deutschland, Holland und England, und wurde bald nach seiner Rückkehr im Jahre 1835 Regisseur des königlichen Theaters in Stuttgart. Ueber seine Thätigkeit auf diesem Posten faßt sich sein Biograph in wenigen, doch gewichtigen Worten. „An seiner Regie in Stuttgart“, schreibt er, „hat sich die junge dramatische Literatur großgezogen, und Moritz war es, welcher entweder zu allererst oder gewiß immer einer der Ersten Laube, Gutzkow, Mosen, Kuranda, Prutz auf die deutsche Bühne einführte“, und ein anderer in Theatersachen gewiß giltiger Zeuge. August Lewald, schreibt über ihn: „Moritz hat die Kunst der Regie erst zur Kunst gemacht“. Auf die Mittheilungen seines Biographen gestützt, sind noch zwei interessante Thatsachen zu erwähnen. Eine Gesangskünstlerin und ein nachmals sehr beliebter deutscher Schriftsteller sind durch Moritz sozusagen entdeckt und die erste in die Kunst, der zweite in die Literatur eingeführt worden. Die Eine ist Jenni Lutzer, die Gattin des jetzigen Wiener Hof-Operntheater-Directors von Dingelstedt; der andere ist Hackländer, dessen „Bilder aus dem Soldatenleben“, mit denen dieser beliebte Erzähler im Stuttgarter „Morgenblatte“ debutirte, von Moritz dem damaligen Redacteur des „Morgenblattes“, Dr. Hauf, der von Hackländer’s Manuscript sagte: „Der Teufel soll diese kritzliche Handschrift lesen“, förmlich aufgedrungen wurden. Nach mehrjähriger Thätigkeit auf der Stuttgarter Bühne wurde Moritz durch Intriguen seiner ehemaligen Protectorin und späteren Gegnerin, der bekannten Schauspielerin Amalie Stubenrauch, der einst vielvermögenden Geliebten des verstorbenen Königs von Württemberg, von seinem Posten verdrängt.[WS 1] Dazu gesellte sich bald darnach noch ein schweres Rückenmarkleiden, an dem er nahezu zwei Jahrzehnde auf das Schmerzlichste litt, und welches endlich auch – ohne seines Geistes Frische überhaupt zu trüben – seinen Tod herbeiführte. M. lebte seit Jahren bei seiner Tochter in Wien, einer verheiratheten Dr. Richter. Die letzten Stunden seines Lebens wurden noch durch das wohlthuende Zeichen fürstlicher Huld verschönt, der regierende König von Württemberg, der noch als Kronprinz den damals in den letzten gesunden Jahren von Neid und Arglist viel verfolgten Künstler kennen und schätzen gelernt, richtete an ihn, als er Nachricht von dessen furchtbaren Leiden erhielt, ein Schreiben des Trostes. Moritz hatte nach der gerichtlichen Scheidung von jener exaltirten Dame, die seine Frau, aber nie sein wirkliche Weib geworden, noch einmal geheirathet. Früher schon hatte er sich mit der Tochter eines ansehnlichen Prager Bürgers verlobt, und es war bereits zum kirchlichen Aufgebote gekommen, da war er, dem Drängen von Freunden nachgebend, plötzlich zurückgetreten, unter dem Vorwande, seine Zukunft nicht zu opfern. Nach vielen Jahren aber entschloß sich der durch die flüchtige Liebe so oft beglückte Künstler endlich zur Ehe, und heirathete im Jahre 1847, wurde aber schon nach wenigen Jahren von seiner Frau verlassen. Die Tochter dieses Bundes machte den Schritt der Mutter wieder gut, bei ihr fand der leidende Vater eine Ruhestätte und Platz zum Sterben. Moritz hat seit dem Jahre 1821 genaue Aufzeichnungen seines Thun und Lassens geführt, dieselben dürften – wenn sie noch vorhanden – interessante Aufschlüsse [92] über Manches, was in den Kreis dieses vielfach bewegten Künstlerlebens fiel, enthalten. – Schließlich sei noch bemerkt, daß Heinrich Moritz nicht verwechselt werden darf mit Victor Moritz (geb. zu Dresden am 29. April 1812), der seit 1832 beim Theater, lange Zeit in Bremen ein Liebling des Publicums war, im Jahre 1842 unter Carl am Leopoldstädter Theater Heldenväter mit Erfolg spielte und sich als denkender kunstbegabter Schauspieler bewährte.

Wiener Zeitung 1868, Nr. 111, S. 496: „Heinrich Moritz“ [Artikel von Dr. Hermann Meynert]. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1868, Nr. 1325 u. 1326, im Feuilleton. – Fremden-Blatt von Gust. Heine (Wien, 8°.) 1868[WS 2], Nr. 125. – Album des Königl. Würtembergischen Hof-Theaters von Korsinsky (Stuttgart 1843, C. F. Etzel, gr. 8°.) S. 11–18. – Neues Wiener Tagblatt (kl. Fol.) 1868, Nr. 126. – Porträt. 1) Lithogr. von Halder (Leipzig, Hartung, Fol.); – 2) Fertig lithogr. (4°.); – 3) Lithogr. von F. Elias, Gedr. von G. Küstner.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. siehe dazu auch: ADB:Moritz, Heinrich
  2. Vorlage: 1668