Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Mihatz, Stephan
Nächster>>>
Mika, Johann Marian
Band: 18 (1868), ab Seite: 259. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Julie Mihes in der Wikipedia
Julie Mihes in Wikidata
GND-Eintrag: [1], SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Mihes, Julie|18|259|}}

Mihes, Julie (Malerin und Oberin im Kloster des Ordens von Mariä Heimsuchung in Wien, geb. zu Breslau 13. Juli 1786, gest. zu Wien 16. Janner 1855). Eine Tochter des königl. preuß. Bergamts-Kanzleidirectors Melchior Mihes, erhielt sie im Elternhause eine sorgfältige Erziehung, vornehmlich [260] von ihrem vielseitig gebildeten Vater selbst, mit dem sie, reifer geworden, philosophische, religiöse und historische Werke, u. a. die Geschichte der Religion Jesu Christi von Friedrich Leopold Grafen von Stollberg las. Dabei zeigte sie frühzeitig ein schönes Talent für die Kunst. In der Schule eines geschickten und strengen Technikers, des fürstlich Hohenlohischen Malers Weigand in Breslau, erhielt sie durch fünf Monate eine Anleitung im Oelmalen. Alles übrige verdankte sie dem Selbstunterrichte und unverdrossenen Fleiße, mit welchem ihr reiches Talent bald alle Schwierigkeiten der Kunst überwand. Im Jahre 1816 machte sie die erste Reise nach Dresden, wo sie unter mehreren anderen Copien auch „Die H. Cäcilia“ von Carlo Dolce und „Die Königin von Cypern“ von Pordenone meisterhaft copirte. Zu gleicher Zeit machte sie Versuche im Bildnißmalen, und vollendete, als sie nach Breslau zurückgekehrt war, mehrere Bildnisse, darunter jene der „Gräfin Dankelmann“, – „Frau von Rothkirch“, – des „Professors Büsching mit Frau und Kindern“ u. m. A. Auf einer zweiten Reise nach Dresden, welche sie im Jahre 1818 unternahm, setzte sie dort ihre Kunststudien in der reichen königlichen Gallerie fort und vollendete unter andern eine schöne Copie der „Madonna“ von Annibal Carracci und der berühmten „Venus“ von Titian. Außerdem versuchte sie sich aber auch in Original-Compositionen und sind unter diesen zu erwähnen eine „Mater dolorosa“, die damals in den Besitz des Ober-Landesgerichts-Präsidenten von Fischer gelangte; eine lebensgroße Darstellung des „Aeskulap und der Hygieia“, Eigenthum des Doctors Mogalla in Breslau; eine Scene aus dem dritten Theile von Fouqué’s Zauberring, nämlich: „Bertha von Liechtenried, von den Mohrenräubern bedrängt, sucht Zuflucht unter dem am Wege stehenden steinernen Kreuze“, welches Bild in den Besitz Fouqué’s gelangte, der desselben auch im 2. Bande seiner Lieder in der „Epistel an Julie Mihes“ gedenkt; – das „Altarblatt“ für die Begräbnißcapelle des am 2. Mai 1813 in der Schlacht bei Groß-Görschen in Sachsen im Kampfe für das Vaterland gefallenen Grafen Karl Henkel von Donnersmark; – eine „Madonna mit dem Kinde“, in freier Landschaft, für den König von Preußen, für den sie auch eine treffliche Copie von Perugino’s „Taufe Christi im Jordan“ gemalt hat. Als im Jahre 1820 Julien’s Mutter starb, unternahm der Vater, der mittlerweile nach Brieg, wohin das k. Bergamt versetzt worden, übersiedelt war, um sich zu zerstreuen, eine Reise nach Wien, wo sie Empfehlungsbriefe an den berühmten Alterthumsforscher Alois Primisser und seine beiden Schwestern hatten, denen um dieselbe Zeit ihre Mutter gestorben war. Die gegenseitige Mittheilung gleicher Verluste verband beide Familien in kurzer Zeit nur um so inniger. Julie, welche behufs ihrer Kunststudien in der Gallerie im Belvedere malte, traf mit Primissers, die dort wohnten, öfter zusammen und nahm, als der Vater nach beendetem Urlaube nach Brieg zurückkehrte, Kost und Wohnung bei denselben. Dieser freundschaftliche Umgang in einem strengkatholischen Hause blieb nach zwei Seiten hin nicht ohne Einfluß. Julie trat – nachdem sie nicht ohne Schwierigkeit die Einwilligung des Vaters zu dem Schritte, den, sie vorhatte, erlangt – am 17. Jänner 1821 zur katholischen Kirche über, und legte im Beisein ihres künftigen Gatten, Alois Primisser, und Friedrich von Schlegel’s in die [261] Hände des berühmten P. Zacharias Werner ihr Glaubensbekenntniß nieder. Auch Primisser, in dessen Hause durch Julie gleichsam ein erhöhter Sinn für Kunst und Wissenschaft zu walten begonnen, fühlte sich zu Julien mächtig hingezogen, trug ihr, obwohl er um zehn Jahre jünger war als Julie, seine Hand an, und so wurde zwischen beiden am 2. September 1822 in der Kirche zu Weinhaus bei Wien die eheliche Verbindung geschlossen. Dieses Glück war jedoch nur von kurzer Dauer. Primisser, von zartem Körperbau und in Folge einer im Alter von 18 Jahren sich zugezogenen Verkühlung immer leidend, erlag endlich, nachdem eine Reise nach Oberösterreich, welche er im Herbste 1826 unternommen und von welcher er körperliche Kräftigung erwartet hatte, ohne Erfolg geblieben, am 28. Juli 1827 seinem Leiden. Die Ehe war kinderlos geblieben. Eine Waise, Namens Louise Berchet, hatten sie als neunjähriges Kind zu sich genommen, diese wurde nach Primisser’s Tode auf Kosten Ihrer Majestät der Kaiserin in einem Pensionat erzogen. Julie aber, von dem Schmerze über den Verlust ihres Gatten tiefgebeugt, ging in’s Kloster. Julien’s Vater, der um diese Zeit in den Ruhestand übergetreten war, war nach Wien übersiedelt, wo sich seine zweite Tochter Sophie seiner Pflege unterzog, aber bald nach seiner Uebersiedlung erlag er am 11. October 1827 einem Schlaganfalle. Nun faßte auch Sophie den Entschluß, gleich ihrer Schwester Julie Nonne zu werden. So traten beide Schwestern am 1. November 1827 in das Kloster des Ordens von Mariä Heimsuchung am Rennweg in Wien, wo sie beide am 20. April 1828 das Ordenskleid nahmen und ihre Klosternamen erhielten, Julie nach ihrer damaligen Oberin Marie de Chantal, Sophie den Namen Luise Franziska. Julie entsagte für mehrere Jahre dem Malen, obgleich es ihr gestattet worden, ihre Kunst zu üben, und befaßte sich mit dem Unterrichte der Zöglinge im Kloster und mit Illuminiren kleiner Heiligenbilder. Dann erhielt sie die Oberleitung im Pensionat, welche Stelle sie bei ihrer nicht gewöhnlichen Bildung mit großem Erfolge versah, und wurde nach mehreren Jahren Novizenmeisterin. Im Jahre 1843 wurde sie zur Oberin gewählt und versah diese Würde während des bewegten Jahres 1848 bis 1849, in welchem ihr in derselben ihre Schwester folgte, während sie selbst wieder das Amt der Novizenmeisterin übernahm. So lebte sie noch einige Jahre, in welchen sie wieder zur Ausschmückung des Klosters ihre Kunst ausübte, bis sie im September 1854 von dem Leiden befallen ward, welchem sie am 16. Jänner 1855 im Aller von 68 Jahren erlag. Von ihren Bildern sind noch außer den bereits genannten anzuführen: „Die Himmelfahrt Mariä“, Altarbild mit überlebensgroßen Figuren; – „Die H. Rosalia“, auf dem Monte Pellegrino bei Palermo geistlicher Betrachtung hingegeben; – „Christus, die Kinder segnend“; – eine „Darstellung des Glaubens“; – „Schiller’s Apotheose“, die letztgenannten drei in Breslau; – „Kopf des h. Petrus“, für den Geheimrath Berends in Berlin; – „Christusbild“, Copie nach dem Original von Gian Bellino in Dresden; – „Die heilige Magdalena“, welcher Christus erscheint; – „Ein heiliges Magnificat“; – „Die heilige Jungfrau“, auf einem Betschemel knieend, vor ihr ein offenes Buch; – „Die Taufe des Heilands“, nach Perugino; – „Die Geliebte des Palma Vecchio, nach [262] dessen Bild im k. k. Belvedere, 1820 in Wien gemalt; – „Madonna mit dem Kinde und dem kleinen Johannes“, nach Tizian; die zwei letztgenannten Copien kamen nach Schlesien; – „Die h. Jungfrau mit dem Kinde“, nach einem Wasserfarben-Gemälde angeblich von van Eyck ausgeführt; – „Christuskopf“, nach Giorgione, nach dieser vollendeten Copie führte John seinen Stahlstich in der „Aglaja“ 1821 aus; – „Die Himmelfahrt Mariä“, gemalt 1819; – „Ein Heiland, der die Kinder segnet“; – „Die heilige Cäcilia“; – „Die heilige Mutter mit dem Jesukinde“, gemalt im Jahre 1830; – „Das Herz Jesubild“, gemalt im Jahre 1839; – „Die heilige Anna“; – „Drei Bilder heiliger Engel“, gemalt im Jahre 1846; – „Der Kreuztragende Heiland“, gemalt 1851; – „Der H. Johann Evangelist“; – „Das hochwürdigste Gut“, gemalt im Jahre 1853; – „Die H. Jungfrau“, gemalt im Jahre 1854 für die Kirche der Schulschwestern in Horazdiowitz in Böhmen, ihr letztes Bild. Auch hat sie bald nach ihrer Ankunft in Wien, 1821, das berühmte Bild Albrecht Dürer’s: „Die Verehrung der heiligen Dreieinigkeit“, dessen Original sich in der Belvedere-Gallerie befindet, in fünfzehn Groß-Folioblättern auf Stein gezeichnet und im Verlage des lithographischen Institutes in Wien herausgegeben. Der Text dazu ist von ihrem nachmaligen Gatten Alois Primisser.Julien’s Schwester Sophie (geb. 11. September 1800, gest. zu Wien 11. September 1858) trat, wie schon oben gemeldet worden, zugleich mit ihrer Schwester Julie in das Kloster der Salesianerinen, in welchem sie sich so geschickt zeigte, daß sie viermal zur Oberin gewählt wurde. Sie besaß tüchtige Sprachkenntnisse, und war auch in Mathematik und Architectur unterrichtet. Sie führte das Archiv und hatte die Ordnung der Klosterpapiere unter sich.Julien’s oberwähnte Ziehtochter Luise Berchet d’Arlie (geb. zu Prag im Jahre 1818) wurde von Julie und ihrem Gatten im Alter von vier Jahren an Kindesstatt angenommen, und als Julie den Entschluß gefaßt, in’s Kloster zu treten, auf Kosten Ihrer Majestät der Kaiserin in einem Pensionat erzogen. Nach manchen bitteren Erfahrungen – wie Bergmann berichtet – trat sie zu Preßburg in ein Frauenkloster, kam hierauf nach Wien, wo sie als Chorschwester das Ordenskleid der Salesianerinen mit dem Namen Franziska Magdalena am 11. Jänner 1841 nahm. Sie starb im Kloster am 2. Jänner 1853.

(Hormayr’s) Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst (Wien, 4°.) Jahrgang 1821, S. 160; Jahrg. 1822, S. 94. – Kunst-Blatt (Stuttgart, Cotta, 4°.) Jahrg. 1821, S. 32 (Artikel Wien). – Nagler (G. K. Dr.), Neues allgemeines Künstler-Lexikon (München 1839, E. A. Fleischmann, 8°.) Bd. IX, S. 283. – Die fünf gelehrten Primisser. Von Joseph Bergmann. Separatabdruck aus den Berichten und Mittheilungen des Wiener Alterthums-Vereins (Wien 1861, A. Pichler’s Witwe und Sohn, 4°.) S. 49, 50, 51, 59–64.