Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 17 (1867), ab Seite: 132. (Quelle)
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Mauksch, Moriz (Humanist und Gründer der ersten israelitischen Taubstummen-Anstalt in Ungarn, geb. zu Liptó-Szt.-Miklós in Ungarn im Jahre 1806, gest. ebenda im Jahre 1848). Sohn wohlhabender israelischer Eltern, erhielt er eine streng orthodoxe Erziehung und kam dann in Jacob Unger’s Normalschule, in welcher ihm ein tüchtiger Unterricht in den Elementar-Gegenständen ertheilt wurde. Im Jahre 1822 verließ er diese Schule und begab sich nach Prag, wo er unter Wolf Maier und M. I. Landau sich gute Kenntnisse in der hebräischen Literatur aneignete. Die Mußestunden benützte er zur Erlernung der Musik und fremder Sprachen. Aus dieser sein Wissen bereichernden Beschäftigung wurde er von seinen Eltern nach Hause berufen, wo er sich verheirathete und zu seinem Lebensberufe die Landwirthschaft wählte. Er pachtete ein in der Nähe seines Geburtsortes [133] gelegenes Gut und zog mit seiner Lebensgefährtin sich in die ländliche Einsamkeit zurück. Mißjahre, gewissenlose Diener und vielleicht das wenige praktische Geschick, das zu solcher Beschäftigung unerläßlich, nöthigten ihn in kurzer Zeit, nachdem er sein mäßiges Vermögen eingebüßt, die Landwirthschaft aufzugeben und seine wissenschaftliche Befähigung zu einer Erwerbsquelle zu machen. Er nahm eine bescheidene Lehrerstelle in Eperies an. Bald erwarben ihm Gewissenhaftigkeit und Berufstüchtigkeit einen geachteten Namen auf pädagogischem Gebiete, aber seiner Sehnsucht nach der Heimat folgend, gab er die bisherige Stellung auf, übersiedelte in seinen Geburtsort Liptó-Szent-Miklós und gründete daselbst eine Privatschule, in welcher er der reiferen Jugend Unterricht in den mathematischen Gegenständen ertheilte. Der Zufall fügte es, daß unter seinen Schülern sich auch der taubstumme Sohn seines Schwagers Isak Bacher befand. Dieser pflegte nämlich seinen älteren nicht taubstummen Bruder täglich in die Schule zu begleiten und dort dem Unterrichte beizuwohnen. Der Onkel ließ sich die regelmäßigen Besuche des taubstummen Knaben gern gefallen und widmete ihm bald eine besondere Aufmerksamkeit. Die Idee, dem Taubstummen die ihm von der Natur versagte Sprache durch die Kunst zu geben, wurde immer lebendiger in ihm. Bisher hatte M. keine Taubstummenschule gesehen, keine darauf bezügliche Fachschrift gelesen. So ging er ganz nach seinen eigenen Ansichten[WS 1] vor und arbeitete mit rastlosem Eifer, unermüdlichem Fleiße und beispielloser Geduld an der Ausbildung seines Zöglings. Die Erfolge mit dem taubstummen Knaben waren bald so ungewöhnlicher Art, daß sein Schwager Bacher auch seine bereits 18jährige gleichfalls taubstumme Tochter aus dem Preßburger Taubstummen-Institute nach Hause berief, um ihr von M. den weiteren Unterricht ertheilen zu lassen. Nachdem ihm noch ein taubstummer Knabe aus der benachbarten Arvaer Gespanschaft war zugeführt worden, schloß M. 1835 seine bisherige Schule, um sich seinen unglücklichen Zöglingen ganz und ungetheilt widmen zu können. Keinen Ehrgeiz kennend, keine Auszeichnung anstrebend und nur mit dem Bewußtsein sich begnügend, dort ersprießliche segensvolle Hilfe zu spenden, wo sie ihm so nöthig erschien, gab er nur dem Drängen seiner Freunde und dem Wunsche hochgestellter Personen nach, als er sich entschloß, im fünften Jahre seiner neuen Berufsthätigkeit das erste feierliche Examen mit seinen Zöglingen vorzunehmen. Der Erfolg war ebenso großartig als überraschend. Die Comitatsbehörde zeichnete den wackeren Lehrer am 26. October 1840 durch ein Decret in ungarischer Sprache aus, in welchem es nach wörtlicher Uebersetzung heißt, „daß die Comitats-Assessoren N. N. gelegentlich der von Mauksch im Beisein einer zahlreichen Zuhörerschaft mit seinen Zöglingen vorgenommenen Prüfung staunend gesehen haben, wie die taubstummen Knaben ziemlich fertig gelesen, geschrieben, Fragen beantwortet, Wörter verstanden, ja selbst im Rechenfache wundererregende Fortschritte gemacht haben“. Nun wiederholten sich diese Prüfungen alljährlich im Comitatshause, der Ruf des tüchtigen M. drang in entfernte Gegenden und aus den entlegensten Provinzen wurden ihm Zöglinge, ohne Unterschied der Confession, zugeführt. So sah sich M. veranlaßt, sein junges Institut in größerem Maßstabe einzurichten und die Schule mit [134] allen erforderlichen Unterrichtsmitteln auszustatten. Unter diesen ist besonders ein sogenannter Lehrapparat hervorzuheben, ein aus vielen kleinen hundert Fächern bestehender Kasten, welcher die mannigfaltigsten Erzeugnisse der Natur, Kunst und Industrie im Kleinen enthielt, und viele in ausländischen Anstalten beim Anschauungsunterrichte gebrauchte Abbildungen entbehrlich machte. Dabei unterließ es M. auch nicht, sich mit der Literatur seines Faches bekannt zu machen und die vorzüglichsten in dasselbe einschlagenden Werke anzuschaffen. In seinem Wirken wurde M. von seiner Gattin auf das thätigste unterstützt, indem diese sich die leibliche Pflege der Zöglinge angelegen sein ließ. Im Jahre 1842 wurde M. die Auszeichnung zu Theil, zur Versammlung ungarischer Aerzte und Naturforscher nach Neusohl geladen zu werden. Mit mehreren seiner Zöglinge, welche er mitgenommen hatte, stellte er vor der Versammlung eine Prüfung an, deren Ergebniß die volle Anerkennung von Seite derselben fand. So war der Ruf seiner erfolgreichen Thätigkeit selbst über den Ocean gedrungen und im 26. Jahresberichte der „New-York Institution for the deaf and dumb“ vom Jahre 1848 geschieht seines Wirkens rühmlichste Erwähnung und wird „die Reinheit seiner Lautirung geradezu als die beste der deutschen Schule“ bezeichnet. Unter solchen Verhältnissen war das verhängnißvolle Jahr 1848 herangekommen und dieses sollte das letzte seiner verdienstvollen pädagogischen Thätigkeit sein. Nach einem kurzen, zunächst durch eine Erkühlung sich zugezogenen Leiden starb M. im schönen Mannesalter von erst 40 Jahren. Treffend steht es in seiner Lebensskizze: „M. war in’s taubstumme Grab gestiegen und ein einfacher Stein mit der sinnigen Inschrift des Psalmwortes; „Aus dem Munde der Kleinen hast du deinen Ruhm gegründet“, bezeichnet die Ruhestätte eines Mannes, der im Leben würdig besungen und im Tode aufrichtig beweint wurde.“ Leider ging nach seinem Tode auch seine so viel versprechende Anstalt, welche M. aus eigenen geistigen und materiellen Mitteln geschaffen und die einer schönen Zukunft entgegen zu gehen schien, in kurzer Zeit ein. Wohl übernahm sein hoffnungsvoller Sohn – später Lehrer an der israelitischen Hauptschule zu Raab – sofort die Leitung derselben, nachdem er schon bei Lebzeiten dem Vater hilfreich zur Seite gestanden; er erzielte auch schon günstige Resultate, aber durch die kriegerischen Ereignisse des Jahres 1849 wurde das Institut aufgelöst. Die Eltern der Zöglinge, meistens außerhalb Ungarns wohnhaft, denen die politischen Unruhen daselbst zu gefährlich erschienen, nahmen ihre Kinder nach Hause, und die Anstalt – hat zu bestehen aufgehört.

Beth-El. Ehrentempel verdienter ungarischer Israeliten. Von Ignaz Reich (Pesth, Alois Bucsánszky, 4°.) IV. Heft (1862), S. 61–70.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: AnAnsichte.