BLKÖ:Liechtenstein, Ulrich von
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 15 (1866), ab Seite: 135. (Quelle) | |||
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Ditmar’s (II.) [s. d. S. 121, Nr. 11], des ersten Erbkämmerers im Lande zu Steier und Ahnherr der steirischen Stammlinie Liechtenstein-Murau. Ulrich, über dessen Leben seine eigenen Dichtungen den besten Aufschluß geben, gehört den lieblichsten Minne- und Meistersängern seiner Zeit an, wenn er nicht gar der Erste von Allen genannt zu werden verdient. Sein von Tieck herausgegebener „Frauendienst“ ist eine wahre Perle alter deutscher Dichtung und eine reiche Fundgrube culturhistorischer Zustände seiner Zeit. In seinem zweiten großen Gedichte: „Ytwitz oder der Frauen Puech“ (Frauenbuch), das nicht weniger denn 2112 Verse zählt, schildert er in einem Gespräch zwischen Ritter und Dame die unter den Männern und Frauen eingenistete Verderbniß der Sitten. Das Gedicht: „Frauendienst“, aber enthält die Geschichte seines eigenen Lebens von 1211 bis 1255; wir erfahren daraus, daß er Edelknecht bei Herzog Heinrich von Mödling gewesen. Nach dem Tode seines Vaters kehrte er in seine Heimat zurück und nun begann er ein Wanderleben, indem er drei Jahre umher ritt und turnierte in Knechtes Weis’, um es zu erlernen. Bei Gelegenheit des prachtvollen Beilagers Agnesens, Tochter des Babenbergers Leopold VII., mit Bernhard von Sachsen im Jahre 1222, erhielt Ulrich den Ritterschlag. Zwölf Turniere bestand er noch in diesem Sommer. Eine Liebe, die er aus seiner Knabenzeit noch im Herzen trug, war noch nicht erloschen und durch Vermittlung seiner Muhme (Niftel, wie er sie nennt) sucht er sich seiner Herzensdame zu nähern. Forschungen weisen dahin, daß vermuthlich Beatrix, Erbtochter Otto’s II., Pfalzgrafen von Burgund, und Enkelin Kaiser Friedrich’s Barbarossa – 1208 von ihrem Oheim K. Philipp dem Staufer – dem Herzog von Andechs-Meran, Otto I., vermält – diese tiefe Leidenschaft dem Herzen Ulrich’s eingeflößt habe. Die durch seine Niftel der spröden Herrin gebrachten Liebesverse Ulrich’s blieben ohne Erfolg; ja eine Hindeutung auf seinen „ungefüge stehenden“ Mund machte ihn besonders trostlos und brachte ihn zu dem verzweifelten Entschlusse, sich den Mund „schneiden“ lassen, was auch ein Wundermann in Gratz ausführte. Nachdem er diese leidensvolle Operation und viele Schmerzen – da er mit dem verschnittenen Munde nichts genießen konnte – überstanden, besucht er seine Muhme, und aus einem Briefe seiner Herrin an die Muhme erfährt er, „daß sie ihn gerne sehen würde, um seinen Mund, wie der ihm steh und um nichts anders“. Er begibt sich wohl an Ort und Stelle, bringt auch seine Verslein mit, aber zieht ohne besseren Erfolg wieder von dannen. In den Jahren 1225 oder 1226 erscheint Ulrich auf dem Turnier zu Friesach, das gelegentlich der Aussöhnung Herzogs Bernhard von Kärnthen mit Markgraf Heinrich von Istrien stattfand. Im Waffenspiele versticht Ulrich mehr als hundert Speere und war doch – wie er selbst gesteht – da nicht der Beste und auch nicht der Böseste. Die Kälte seiner Herrin drängt ihn zu neuen ritterlichen Thaten, und er turniert zu Kibenz (Kobenz bei Seckau in Steiermark), zu Triest, zu Brixen, wo ihm ein Finger ausgestochen und schlecht geheilt wird. Finger, Herz und Hoffnung auf Minnelohn verschlimmern sich. Er reitet nun nach Rom, wo er zwei Monate zubringt und kehrt wieder heim (1227). Als seine „Herrin“ dem Boten Ulrich’s vorhält, Ulrich habe sie belogen, denn er habe ja noch den Finger, den er um sie verloren zu haben vorgebe, wenn er auch krumm geworden, wird der Dichter dahin gebracht, diesen fatalen Finger an der rechten Hand sich abschlagen zu lassen und ihn mit einem Büchlein von Versen seiner Herrin zu senden! Die Dame ist nicht wenig darüber entsetzt und ruft ganz verständig aus: „O weh, das ist eine große Geschicht, die Dummheit hätte ich ihm nicht zugetraut, daß je ein verständiger Mann so was thun kann“! Aber den Finger behielt sie doch in ihrer Lade. Im Winter 1227/28 reiste Ulrich nach Venedig und rüstete sich hier zu seiner abenteuerlichen Fahrt als „Frau Venus“ mit glänzender Damengarderobe und Begleitung. Diese abenteuerliche Fahrt von Venedig bis Feldsberg in Mähren wird nun ganz weitläufig beschrieben und hat thatsächlich nicht geringen culturgeschichtlichen Werth. Ganz eigen erscheint darin die Episode eines Stelldicheins bei seiner Herrin, die er mit seinem leidenschaftlichen Verlangen die Seine nennen möchte. Achtzehn Jahre später nach der eben erwähnten Venusfahrt, 1246, unternahm er eine zweite, unter der Maske des fabelhaften [136] Königs Artus, der das Paradies verläßt, um Ritter für die Tafelrunde zu werben. Auch diese Abtheilung enthält zahlreiche geschichtliche und culturgeschichtliche Einzelheiten. Ueber seine eigenen Schicksale erfahren wir noch im Allgemeinen, daß er mittlerweile eine Bertha gefreit, daß er auf seiner Frauenburg die traurigen Erfahrungen des Faustrechts gemacht, indem er überfallen und mit seinem Sohne Otto in jahrelanger Gefangenschaft gehalten wurde, bis ihm der Statthalter Graf Meinhard von Görz aus der Noth half und ihn befreite. Nach 35jähriger Ritterschaft, also im Jahre 1257, begann er sein zweites Hauptwerk, den „Itwitz“, dessen oben bereits gedacht worden. Ottocar’s Fall und den Sieg Rudolph’s von Habsburg hat der vielversuchte Held nicht mehr erlebt. Ob er in der sogenannten Liechtensteinischen Capelle zu Seckau, dessen vorzüglicher Wohlthäter er gewesen, ruhe oder in der von seinem Sohne Otto gegründeten Erbgruft in der Mathäikirche zu Murau, ist ungewiß. Was die Ausgaben der Dichtungen Ulrich’s betrifft, so gab Ludwig Tieck seinen „Frauendienst“, theils in Bearbeitung, theils in Uebersetzung (1812), heraus. Beide Dichtungen sind übrigens von K. Lachmann mit historischen Anmerkungen von Th. v. Karajan (Berlin 1841) herausgegeben und die lyrischen Dichtungen sind auch von von der Hagen in den 4. Band seiner „Minnesänger“ aufgenommen worden. Eine sinnige Sage bringt das vormals zum „weißen Schwan“ benannte Haus in der Kärnthnerstraße Wiens, jetzt Nr. 40, (früher Nr. 1044), mit Ulrich von Liechtenstein in Verbindung. Dort nämlich fand der Ritter, der von der weißen Kleidung, die er und seine Knappen auf seinen Fahrten trugen und von den weißen Decken der Pferde „Oesterreichs weißer Schwan“ genannt wurde, seine lange vergebens gesuchte Bertha, die ihm, dem Sterbenden, seinen unsteten Sinn, der ihr viel Herzeleid bereitet hatte, verzieh und die Herberge in der Kärnthnerstraße, wo er starb, kaufte und zur Pflege für kranke Reisende aller Nationen bestimmte. Im Jahre 1846 ließ dieses Haus Adolph Fürst Schwarzenberg zu einem schönen Privathause umbauen. [Frauendienst oder Geschichte und Liebe des Ritters und Sängers Ulrich von Liechtenstein, von ihm beschrieben u. s. w., herausgegeben von Ludwig Tieck (Stuttgart und Tübingen 1812, 8°.). – Taschenbuch für die vaterländische Geschichte. Herausgegeben von Freiherrn von Hormayr und von Mednyansky (Wien, Härter, kl. 8°.) III. Jahrg. (1822), S. 20–40. – Realis, Curiositäten- und Memorabilien-Lexikon von Wien (Wien 1846, Lex. 8°.) Bd. I, S. 451. – Der Aufmerksame (Gratzer Unterhaltungsblatt, 4°.) 1856, Nr. 60 u. f.: „Letzte Lebensjahre Ulrich’s von Liechtenstein. Vaterländische Skizze von Gr. F..s. – Tagespost (Gratzer polit. Blatt, kl. Fol.) 1864, Nr. 269 u. 271: „Aus Steiermarks Culturleben. Alte steirische Gedichtfunde. III. Herr Ulrich von Liechtenstein“. – Vergißmeinnicht. Blätter für angenehme Erholung im Familienleben. Von Kankoffer (Wien, gr. 8°.) 1866, S. 94: „Tod des Sängers von Liechtenstein“. – Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode (gr. 8°.) Jahrgang 1824, Nr. 111: „Ulrich von Liechtenstein“. Von Dr. Hoffbauer (Gedicht). –
58. Ulrich von L. (geb. um 1200, gest. 26. Jänner 1276), ein berühmter Kampfheld und Minnesänger. Sohn