BLKÖ:Leonhard, Johann Michael

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Leonhardt, Andreas
Band: 15 (1866), ab Seite: 4. (Quelle)
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Leonhard, Johann Michael (Weihbischof, Humanist und theologischer Schriftsteller, geb. zu Grafenwörth in Niederösterreich 23. September 1782, gest. zu Wien 19. Jänner 1863). Der Sohn armer Forstleute aus Grafenwörth; mit Hilfe spärlicher fremder Unterstützung studirte er zu Krems, wo er sich als fleißiger und gutgearteter Studiosus bald das Wohlwollen einiger Piaristen, welche dort am Gymnasium lehrten, erwarb. Von Krems begab sich L. nach Wien, wo er Philosophie hörte, und darauf in das Benedictinerstift Melk eintrat. Dort befreundete er sich mit dem Abte Wilhelm Eder [Bd. XIV, S. 433] und als L. später Melk, weil ihm die Luft dort nicht zusagte, verließ, dauerte das Freundschaftsband beider Priester fort, bis es der Tod Leonhard’s löste. L. begab sich von Melk nach Wien in das erzbischöfliche Alumnat, empfing 1806 die Weihen und trat dann in die Seelsorge ein. Sechs Jahre war er als Hilfspriester in Hausleiten thätig, wurde dann Alumnats-Spiritual und in einiger Zeit Pfarrer zu Aachau. Bald wurde Burgpfarrer Frint [Bd. IV, S. 366] auf den ungewöhnlichen Priester aufmerksam und L. wurde sofort Hofcaplan, kam 1816 nach Errichtung des höheren Priester-Bildungsinstitutes zum h. Augustin als Spiritual dahin und erhielt – da sein Dienst im Ganzen nicht anstrengend war – den Auftrag, die Lesebücher, den Katechismus und die Erklärung der sonn- und festtäglichen Evangelien und mehrere andere Schul- und Unterrichtsbücher, welche weiter unten angeführt werden, auszuarbeiten. Wie er den Erlös für seine zahlreichen schriftstellerischen Arbeiten verwendete, werden wir weiter unten erfahren. Im Jahre 1817 wurde L. zum Domscholaster und Diöcesan-Schulen-Oberaufseher, bald darauf zum Regierungsrath und Volksschulreferenten bei der Studien-Hofcommission ernannt. Im Jahre 1828 zum Generalvicar und Weihbischof befördert, blieb er auf diesem Posten bis zum Jahre 1835, in welchem am 15. Mai seine Erhebung zum Bischof von St. Pölten erfolgte. An den von der Stellung eines Kirchenfürsten heut zu Tage unzertrennlichen äußeren Glanz nicht gewöhnt und besorgend, dadurch in seinem Eifer wohlzuthun beeinträchtigt zu werden, entschloß er sich, diese Kirchenwürde, deren Einkünfte auf 15.000 fl. angeschlagen werden, niederzulegen und dafür die eines apostolischen Feldvicars der kaiserlichen Armee, mit dem Titel eines Bischofs von Diocletianopel und dem Jahrgehalte von 6000 fl. C. M. nebst freier Wohnung, zu übernehmen. Diese Würde behielt L. bis zu seinem im hohen Alter von 81 Jahren erfolgten Ableben. Als Fachschriftsteller entfaltete L. eine große Fruchtbarkeit, verwendete aber, wie überhaupt den größten Theil seiner Einnahme, so auch das nicht unbedeutende Erträgniß seiner Schriften, zu wohlthätigen Zwecken. Seine Schriften sind in chronologischer Folge: „Christenlehren zum Gebrauche bei dem katholischen Religionsunterricht der Jugend [5] sowohl als der Erwachsenen“, 1. u. 2. Theil (Wien 1815), 3. u. 4. Theil (ebd. 1816, Anton Doll. gr. 8°.); – „Versuch eines Leitfadens bei dem katholischen Religionsunterricht für die 1. und 2. Grammatical-Classe“ (Wien 1817); – „Derselbe für die 3. und 4. Grammatical-Classe“ (ebd. 1817); – „Erklärung aller in dem vorgeschriebenen Evangelienbuche vorkommenden Evangelien“ (ebd. 1818, 8°.); – „Geschichte der Entstehung und Ausbreitung der christlichen Kirche, mit lehrreichen Bemerkungen u. s. w.“ (ebd. 1818, 8°.); – „Lebensgeschichte Jesu mit lehrreichen Bemerkungen und sittlichen Anwendungen“ (ebd. 1818); – „Entwurf eines dreifachen Religionsunterrichtes“ (ebd. 1818); – „Versuch einer Religionsgeschichte des alten Bundes als Darstellung der göttlichen Voranstalten zur Einführung des Christenthums“ (ebd. 1819); – „Katechetischer Religionsunterricht in Fragen und Antworten“ (ebd. 3. Aufl. 1819); – „Beantwortung der Frage: sind Bell-Lancastrische Schulen in den k. k. österreichischen Staaten anwendbar und Bedürfniss“ (ebd. 1820, 8°.); – „Theoretisch-praktische Anleitung zum Katechisiren“ (ebd. 1819), auch lateinisch unter dem Titel: „Theoretico-practica introductio ad methodum catechizandi etc.“ (ebd. 1821); – „Ausführliches katholisches Religionsbuch“ (ebd. 1820, 3. neu bearb. Aufl. 1846; 4. neu bearb. Aufl. in 2 Thln. ebd. 1854, 8°.); – „Christkatholischer Religionsunterricht über das H. Sacrament der Taufe in Fragen und Antworten“ (ebd. 1820); – derselbe „über das allerh. Altarssacrament und das h. Messopfer u. s. w.“ (ebd. 1820); – derselbe u.s. w. „der Busse“ (ebd. 1820); – derselbe u. s. w. „der Ehe“ (ebd. 1820); – derselbe u. s. w. „der Firmung“ (ebd. 1820); – derselbe u. s. w. „der letzten Oelung“ (ebd. 1820); – derselbe u. s. w. „der Priesterweihe“ (ebd. 1820); – „Das Gebet des Herrn in acht Kupfern dargestellt und erklärt“ (ebd. 1821, 2. Aufl. 1843, 8°.); – „Sämmtliche Predigten. 1. Jahrgang: Sonn- und festtägliche Predigten“ (ebd. 1823, 2. Aufl. 1828, gr. 8°.); – „2. Jahrgang: Frühlehren, gehalten vor einer Landgemeinde“ (ebd. 1823; 2. Aufl. 1831; 3. Aufl. 1846); – „3. Jahrgang: Predigten eines Seelsorgers auf dem Laude“ (1823; 2. neu bearb. Aufl. 1833); – „4. Jahrgang: Kanzelreden“ (1823); – „5. Jahrgang: Religionsvorträge“ (1824); – „6. Jahrgang: Katechetische Predigten“ (1824); – „7. Jahrgang: Predigten über verschiedene Glaubens- und Sittenlehren der h. katholischen Kirche“ (1831); – „Praktisches Handbuch der Katechetik“ (Wien 1826, 8°.); 5. Aufl. unter dem Titel: „Praktisches Handbuch zur Erklärung der in den k. k. österreichischen Staaten vorgeschriebenen Katechismen“ (ebd. 1845); – „Tagebuch der Kirchenfeste und der Heiligen. Mit entsprechenden Schriftstellen und Betrachtungen. Nach Grossez“, 4 Theile (ebd. 1826, 8°.); – „Die katholische Glaubens- und Sittenlehre in Fragen und Antworten, erläutert durch die biblische Geschichte des alten und neuen Testamentes“, 2 Theile (ebd. 1829, gr. 8°.); – „Manuale precum seu pia exercitia in usum sincere in Deo profitere cupientium“ (ebd., Riedel’s Witwe, 12°.); – „Mentis ad Deum elevatio etc.“ (ebd., 12°.); – „Jesus das Heil der Welt. Gebet- und Erbauungsbuch. ...“ (ebd. 1834, gr. 12°., mit 2 K. K.); – „Der Name des Herrn sei gebenedeyt. Gebetbuch“ (ebd. 1835, mit 6 K. K., gr. 12°., 3 Aufl.); – „Suchet zuerst das Reich Gottes. Gebet- und Erbauungsbuch“ (ebd. 1835, gr. 12°., mit 5 K. K.); – „Anbetung Gottes im Geiste und in der Wahrheit. Gebet- und Erbauungsbuch“ (ebd. 1839, mit Titelk., gr. 12°.); – „Verfassung der Militär-Seelsorge in den k. k. österreichischen Staaten“ (ebd. 1842). Alle die angeführten Schriften Leonhard’s [6] zeichnen sich durch ihre praktische Verwendbarkeit aus; tüchtige Leitfäden in den Händen des Lehrers, erleichtern sie durch ihren stufenweise fortschreitenden Gang der Jugend das Erlernen. Wenn sie auch trocken sind und vielleicht den Anforderungen der Gegenwart nicht mehr ganz entsprechen, so haben sie doch nahezu ein halbes Jahrhundert ihre Dienste ganz gethan. Noch aber ist eine andere Seite dieses würdigen Dieners der Kirche hervorzuheben. Leonhard lebte mit einer für seine Stellung und seine Bezüge bewunderungswürdigen Einfachheit. Lange Zeit wurde seine, Allen die mit ihm verkehrten, unerklärliche Sparsamkeit mißdeutet und der edelste der Menschen als Geizhals verschrieen. Er ging in den armseligsten Kleidern – obgleich er Excellenzherr war – umher und man fand, als man nach seinem Tode seine Verlassenschaft aufnahm, daß er die Schäden der wenigen Leibeskleider, die vorräthig waren, eigenhändig auf eine sehr ursprüngliche Manier auszubessern pflegte. L. hielt nur einen Dienstboten und verrichtete, was er selbst thun konnte, selbst. Und warum diese Sparsamkeit diese bis zur Nothdurft herabgedrückte Enthaltsamkeit, dieses Entbehren jedweden Genusses? Alles um Anderen wohlzuthun, um das Elend zahlloser Unglücklichen zu lindern. Aber auch dieß that er nicht mit Ostentation; alles heimlich, mit, verstelltem Namen, einmal als „ungenannt sein wollender Wohlthäter“ ein andermal als Franz Holdheim; und mit Ausnahme derjenigen, die eine jeweilige Summe L.’s für den von ihm bestimmten wohlthätigen Zweck übernehmen mußten. ahnte und wußte kein Mensch etwas davon. Erst nach vielen und vielen Jahren wurde die Sache bekannter und gelangte auch zur Kenntniß Sr. Maj. des Kaisers, der diesem Wohlthäter der leidenden Menschheit durch Verleihung der geheimen Rathswürde und des Ordens der eisernen Krone 1. Cl. auch seine Beweise von Huld zukommen ließ. Hier folgt eine Uebersicht der von Leonhard seit 1816 bis zu seinem im Jahre 1863 erfolgten Tode zu wohlthätigen Zwecken gespendeten Summen:

1816 für arme Kinder in der Seelsorgestation Hausleiten 1000 fl.,
Stamm- und Gründungs-Capital für das Schullehrer-Witwen- und Waisen-Pensions-Institut im V. U. W. W. 9000 fl.,
dem Taubstummen-Institute in Linz 3800 fl.,
dem Spital der Elisabethinerinen in Wien 2000 fl.,
dem Spital und Reconvalescentenhause der barmherz. Brüder in Wien 6600 fl.,
für mehrere andere Spitäler dieses Ordens, und zwar:
für Skalitz 8000 fl.,
für Letowitz 9000 fl.,
für Proßnitz 6000 fl.,
für Wisowitz 12.000 fl.,
für das Taubstummen-Institut in Linz (zweite Gabe) 12.000 fl.,
für Brünn 12.000 fl.,
für Prag 14.000 fl.,
für das mit Bischof Ham gemeinschaftlich gestiftete Erziehungs-Institut für Töchter der Mannschaft der k. k. Armee in Szathmar 56.000 fl.,
zweite Gabe für dasselbe 20.000 fl.,
für Krankenbetten in den ärmsten Spitälern der barmherzigen Brüder 48.000 fl.,
für das Armen-Institut zu Prag 20.000 fl.,
[7] für das Armen-Institut
zu Olmütz 20.000 fl.,
zu Brünn 20.000 fl.,
zu Königgrätz 30.000 fl.,
zu Budweis 30.000 fl.,
1850 für das Gratzer Taubstummen-Institut 5000 fl.,
1852 für das Gratzer Knabenwaisenhaus 4000 fl.,
für dieses und das vorige in 41/2percent. Staatspapieren;
1853 für das Linzer Taubstummen-Institut 3300 fl.,
in 5percent. Staatspapieren;
1854 für das Pfarrarmen-Institut
zu Königgrätz 10.000 fl.,[WS 1]
zu Laibach 20.000 fl.,
1855 zu Leitmeritz 10.000 fl.,
zu Prag 10.000 fl.,
zu Budweis 10.000 fl.,
1857 für dasselbe zweite Gabe 10.000 fl.,
zu Königgrätz 10.000 fl.,
1858 für das Taubstummen-Institut in
Leitmeritz 14.000 fl.,
für das Krankenhaus ebenda 2000 fl.,
für das Pfarrarmen-Institut ebenda 4000 fl.,
für die Curatie St. Jacob in der Lavanter Diöcese 500 fl.,
1860 für die Pfarrarmen zu Königgrätz 20.000 fl.,
1862 zu St. Pölten 20.000 fl.,
in seinem letzten Willen verschrieb er dem Szathmarer Töchter-Institute 4500 fl.,
den dürftigsten Armen-Instituten der Wiener Erzdiöcese 19.500 fl.,

außerdem gab er dem Taubstummen- Institute von Lemberg 15, dem zu Innsbruck 10, dem zu Gratz 8, dem zu Laibach 8, dem Prager Waisenhause 10, den Armenfonden in Leitmeritz, Königgrätz und Budweis 26, und endlich dem Linzer Taubstummen-Institute 5 Stück Nationalbank-Actien. Mit Inbegriff dieser 82 Stück Nationalbank-Actien ist es nahezu eine Summe von 600.000 fl., welche dieser merkwürdige Wohlthäter der leidenden Menschheit, während er lebte und entbehrte, und unter solcher Entsagung ein 81jähriges Alter erreichte, zugeführt hat. Dabei muß ausdrücklich bemerkt werden, daß er dieß bei verhältnißmäßig geringen Einnahmen gethan. Treffend sagt sein Biograph: „Jemehr sein Einkommen wuchs, desto größer wurde sein Hauswesen, aber er lud sich eben an seinen Tisch die Kranken und Leidenden; er rief: kommt her ihr alle, die ihr arm und beladen seid! Ihnen bereitete er die Tafel, das Krankenlager und die Ruhestätte nicht für Tage oder Wochen und Jahre, sondern auf Jahrhunderte hinaus. Und die Kleinen ließ er gerne zu sich kommen, vor allen jene, welche in gewisser Beziehung nie ganz über die Kindheit hinauskommen, bei denen der Mangel mehrerer Sinneswerkzeuge die volle Entwickelung hemmt. Von ihm sprechen seine Thaten, von ihm die Herzen der Getrösteten!

Wiener Zeitung 1863, Nr. 16, S. 191. – Hippolytus. Theologische Zeitschrift, redigirt von Kerschbaumer (St. Pölten, 8°.) 1863, 1. Heft. – Oesterreichische National-Encyklopädie, herausg. von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. III, S. 400; Bd. VI, S. 538 [nach dieser geboren am 23. August 1782]. – Oesterreichischer Volks- und Wirthschafts-Kalender für das Jahr 1865 (Wien, gr. 8°.), in der von Dr. von Hoffinger zusammengestellten „Ehrenhalle“ [nach diesem geb. 23. September [8] 1782. – Militär-Zeitung, herausg. von J. Hirtenfeld (Wien, gr. 4°.) Jahrg. 1863, S. 46. – Militär-Schematismus des österreichischen Kaiserthumes (Wien, Staatsdruckerei, 8°.) Jahrg. 1863, S. 853.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. [Hochgestellter Tabellentext ab hier:] in 41/2percent. Staatspapieren.