Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 12 (1864), ab Seite: 449. (Quelle)
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Koralek, Philipp (Mathematiker, geb. zu Kolin in Böhmen 20. October 1819). Von israelitischer Abkunft. Der Sohn ziemlich wohlhabender Eltern, der seine Mutter früh verlor. Die Normalschule besuchte er in seiner Vaterstadt, dann schickte ihn der Vater auf die Realschule nach Prag, damit er sich für die technische Laufbahn vorbereite. Nach beendigter Realschule kam er nach Wien, um sich auf dem k. k. polytechnischen Institute in den speciellen Fächern auszubilden. Daselbst hörte er Mathematik unter Salomon, Physik unter Neumann und an der Universität höhere [450] Physik unter Ettingshausen. Die Mathematik zog ihn vor allem an und sie trieb er mit Leidenschaft. Nach den mit Auszeichnung beendeten Studien kehrte er in sein Vaterhaus zurück, wo es ihm die häuslichen Verhältnisse gestatteten, sich ganz seinen mathematischen Studien hinzugeben. Ein Gedanke beschäftigte ihn bei diesen beständig. Die erforderlichen logarithmischen Tafeln bei logarithmischen Rechnungen erschienen ihm wie eine Abhängigkeit der mathematischen Wissenschaft, von der sie befreit werden müsse. Diese Aufgabe hatte er sich gestellt und in der That war es ihm gelungen, den Logarithmus einer gegebenen Zahl oder geometrischen Function und umgekehrt, die einem Logarithmus entsprechende Zahl ohne Hilfe von Tafeln sehr schnell zu berechnen und auf diese Weise die logarithmisch-trigonometrischen Tafeln entbehrlich zu machen. Jubelnd kündigte er dem Vater die glückliche Entdeckung an und eilte nach Wien, sich da Bewunderung und Lohn zu holen! Nachdem er in Wien die erforderlichen Aufklärungen gegeben, wurde ihm die Auseinandersetzung des aufgefundenen Vortheils für die Wissenschaft in einem öffentlichen Hörsaale des polytechnischen Instituts freigestellt, und er hielt darüber vor Professoren und zahlreich versammelten Zuhörern zwei Vorträge. Damit war die Sache abgethan. Nachdem der geträumte Erfolg ausgeblieben, beschloß der in seinen Hoffnungen Getäuschte der Heimat den Rücken zu kehren und dahin zu gehen, wo, wie er gelesen hatte, die Heroen der Kunst und Wissenschaft Auszeichnung, Verherrlichung finden, mit Ehren und Reichthum überschüttet werden – nach Paris. Koralek hatte freilich nur von den Ausgezeichneten und vom Glücke Begünstigten, aber nicht von Jenen gelesen, die auf dem Wege nach Ruhm und Ehre, worauf sie ihren Kenntnissen und Leistungen nach ein Recht hätten, den Qualen des Hungers und Elends erliegen. Sein Entschluß war rasch gefaßt und schon hatte er dem Vater geschrieben, daß er nach Paris gehen wolle, um sich dort einen Wirkungskreis für seine Fähigkeit zu erringen. Der Vater, der die Dinge von der nüchternen Seite des Bewohners einer kleinen Stadt auffaßte, gab ihm (24. April 1846) zur Antwort: „So lange er im Lande bleibe, wolle er mit ihm theilen, was ihm auch Gutes und Schlimmes begegne; so wie er aber einmal die Grenzen des Reichs überschritten, höre jede Unterstützung auf; das sei sein unabänderlicher Wille“. Dieser Entschluß des Vaters vermochte aber nicht den Entschluß des Sohnes zu ändern. Er machte sich zur Reise nach Paris fertig und kam am 15. Mai 1846 daselbst an. Obgleich von mancher Seite, selbst von jener der Journalistik, Alles geschah, den ausgezeichneten Mathematiker zu fördern, das Feld seiner Thätigkeit blieb immer ein sehr beschränktes und seine Existenz auf Privatlectionen angewiesen, welche er aus der Mathematik ertheilte. K. hat während seines Aufenthaltes in Paris so viel gedarbt und gehungert, daß seine Gesundheit darunter stark litt und es zu staunen ist, daß er solcher Noth nicht schon längst unterlegen ist. Er hat Monate lang mit 2–3 Sous täglich gelebt und anhaltend gearbeitet. Nach dem Junikampfe im Jahre 1848 kam er um alle seine Habe. Erst im Jahre 1851, also nach fünf Jahren schwerer Leiden und Entbehrungen, wurde sein Verdienst von der Akademie der Wissenschaften öffentlich anerkannt. Am 28. April g. J. erklärte Cauchy, der berühmteste Mathematiker Frankreichs, im Berichte, der im Namen [451] der Commission, welche K.’s Arbeiten prüfte, erstattet wurde, daß seine Methode, mittelst sieben Ziffern einerseits den Decimallogarithmus einer gegebenen Zahl und andererseits die correspondirende Zahl eines gegebenen Logarithmus zu finden, eine „geniale“ sei. Die vorgelegte Arbeit, schließt der Bericht, zeigt, daß der Autor eine große Fertigkeit in arithmetischen Berechnungen besitze und die Commission ist der Ansicht, daß die Akademie ihn ermuntern solle, sein Talent zur Berechnung der verschiedenen Transzendententafeln zu verwenden, deren Bestimmung zum Fortschritt der mathematischen Wissenschaft beitragen kann. Dieser Bericht wurde K. mit der Unterschrift Arago’s, des damaligen lebenslänglichen Secretärs der mathematischen Section der Akademie, wie das Sitte ist, zugesendet. Nach Jahren herber Entbehrungen und schwerer Kämpfe mit dem Leben war dieß der erste Sonnenblick des Schicksals für den armen K. In der That gestalteten sich auch seitdem seine Verhältnisse günstiger. Sein Werk über die Logarithmen erschien und fand in der gelehrten Welt gerechte Würdigung; in Deutschland ist es durch Lorey’s „Das Neueste und Interessanteste aus der Logarithmotechnik. Nach Byrne und Koralek“ (Weimar 1852, Voigt, 8°.) bekannt geworden. Bald darauf erhielt K. eine Professur am Polytechnicum zu Paris, wo er der einzige Professor an demselben ist, der am Sabbath und an jüdischen Feiertagen keine Vorlesung hält, weil sein strenger Glaube ihm an diesen Tagen das Schreiben verbietet. In jüngster Zeit meldeten die Journale, daß K. bei dem kleinen Prinzen Napoleon Lehrer der Mathematik ist. K. hat sich von seinem Vaterlande – wenigstens was die Schreibung seines Namens betrifft – losgesagt und denselben unbeschadet seiner Aussprache – aus Koralek in Coraleque – verändert.

Constitutionelles Blatt aus Böhmen (Prag, Fol.) Jahrg. 1852, Nr. 206: „Pariser Skizzen. VII. Böhmen in Paris“. – Frankl (L. A.), Sonntagsblätter (Wien, 8°.) Jahrgang 1846, S. 240. – Fremden-Blatt (Wien, 4°.) Jahrg. 1864, Nr. 144: „Des kleinen Prinzen Napoleon Lehrer in der Mathematik“.