BLKÖ:Kindermann, Joseph Karl
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
---|---|---|---|
korrigiert | |||
<<<Vorheriger
Kindermann, Dominik |
Nächster>>>
Kindermann Ritter von Schulstein, Ferdinand | ||
Band: 11 (1864), ab Seite: 267. (Quelle) | |||
[[| bei Wikisource]] | |||
Joseph Karl Kindermann in der Wikipedia | |||
Joseph Karl Kindermann in Wikidata | |||
GND-Eintrag: 115368310, SeeAlso | |||
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
| |||
|
Crantz [Bd. III, S. 25] den medicinischen Studien, aber ohne Freude und inneren Beruf, oblag. Hingegen trieb er mit Vorliebe Mathematik und was mit dieser Wissenschaft in einigem Zusammenhange steht. Seine an den Vater gerichteten Vorstellungen und Bitten, ihm zu gestatten, das medicinische Studium aufzugeben, blieben nicht nur erfolglos, sondern waren von Drohungen begleitet, welche den Riß zwischen Vater und Sohn, der auch nur zu bald erfolgte, vollendeten. Von einer seit Jahren wachsenden Sehnsucht, in die weite Welt zu gehen, gefoltert, durch des Vaters unbeugsame Härte noch entschiedener gemacht, folgte er seinem dunklen Drange, und sagte 1768 dem [268] Vaterlande Lebewohl. Ueber Prag, Dresden und Berlin ging er nach Hamburg, schiffte sich dort nach Holland ein, wo er, von einem Agenten der holländisch-ostindischen Compagnie überredet, in die Dienste derselben trat und nach dem Vorgebirge der guten Hoffnung, seinem zukünftigen Bestimmungsorte, absegelte. In der Capstadt angelangt, schaffte er sich durch seine Kenntnisse, seinen Fleiß und seine große Verwendbarkeit bald eine sehr angenehme Stellung. Der Vicegouveneur Hemy, in dessen Diensten K. die Secretariatsgeschäfte versah, gewann den intelligenten Mann alsbald lieb; naturhistorische Forschungen und Studien, in welche sich K. vertiefte, brachten ihn in Verbindungen mit Männern wie Buffon, für den K. im Sammeln von Naturalien, besonders von ausländischen Vögeln, eine ungewöhnliche Rührigkeit entwickelte. Auch hatte mittlerweile die Aussöhnung zwischen Vater und Sohn stattgefunden und durch einen fleißigen Briefwechsel mit seinem wiedergewonnenen Vater unterhielt K. die Verbindung mit seiner fernen Heimat. Wißbegierde und Reiselust veranlaßten ihn, die Capstadt zu verlassen und eine Reise nach Ceylon zu unternehmen. Aber das Klima Ostindiens sagte ihm so wenig zu, daß er schon nach einigen Wochen zurückkehren mußte. Auf der Rückfahrt, schwer leidend, fast dem Tode nahe, war er allen Rohheiten eines Schiffsvolkes ausgesetzt, das nur seinen Tod erwartete, um sich in seine Habschaft zu theilen. Dieser Umstand ging K. so sehr zu Herzen, daß er endlich den Wünschen, die in jedem Briefe aus seiner Heimat immer dringender ausgesprochen wurden, nachgab, sein Verhältniß mit der Compagnie löste und sich nach Europa einschiffte. Nach 6jähriger Abwesenheit betrat er im Jahre 1774 in Holland wieder europäischen Boden. Auf der Fahrt nach Europa erhielt er Nachricht, daß sein Vater indessen aus Ungarn nach Steiermark übersiedelt sei und schwer krank darnieder liege. K. beeilte sich was er konnte, um Judenburg, wo jetzt sein Vater wohnte, zu erreichen, aber als er ankam, fand er ihn bereits nicht mehr am Leben. Nach seiner Rückkehr ließ sich K. in Steiermark nieder, lebte mehrere Jahre auf dem Lande, mit der landwirthschaftlichen Pflege der von seinem Vater ererbten Liegenschaften und mit literarischen Arbeiten, vornehmlich geographischen Inhalts, welche zunächst sein zweites Vaterland die Steiermark betreffen, beschäftigt. Diese letzteren erwarben ihm zu seiner Zeit einen geachteten Namen in der wissenschaftlichen Welt. Später übersiedelte er nach Gratz, und folgte zuletzt einem Rufe nach Wien, wo er auch im Alter von 56 Jahren starb. Seine Schriften sind: „Historischer und geographischer Abriss der Herzogthums Steiermark“ (Gratz 1778, 8°.); – „Der steiermärkische Volksfreund“. 4 Bände (ebd. 1787 u. f., 8°.), eine Volksschrift, die viel zur Veredlung und gesunden Aufklärung des gemeinen Mannes im Steierlande beitrug; – „Beiträge zur Vaterlandskunde für Innerösterreichs Bewohner“. 2 Bdchn. (Gratz 1790, 8°.); – „Geographisches Handbuch von Frankreich“ (Gratz 1791, 8°.); – „Vollständige Anweisung das Schachspiel ... zu erlernen“ (Gratz 1795, 2. Aufl. ebd. 1801, 3. Aufl. ebd. 1819, 8°.); – „Repertorium der steiermärkischen Geschichte, Geographie ...“ (Gratz 1799, 8°.). Im Jahre 1801 begann er die Herausgabe seines „Vaterländischen Kalenders der Steiermärker“, dem aber nur noch ein zweiter Jahrgang für 1802 folgte. Die Fortsetzung dieses guten Kalenders unterbrach [269] sein mittlerweile erfolgter Tod. Auch übernahm er im Jahre 1787 die Redaction der Gratzer Zeitung, welche er in einer bewegten Zeit durch 13 Jahre bis 1800 führte. Auch in der Chartographie hat K. für seine Zeit Verdienstliches geleistet und ist hier zu erwähnen sein Kartenwerk: „Die Provinz Innerösterreich oder die Herzogthümer Steyermark, Kärnthen und Krain, die Grafschaften Görz und Gradiska und das deutsche innerösterreichische Litorale u. s. w.“ (Gratz 1789–1797), 12 Karten, und zwar eine Uebersichts- und 11 Kreiskarten (1:256.000 oder 1:1 = 3555.55 W. Klftr.); in die Karte sind auch einige Straßen eingezeichnet, Gerippe und Schrift sind deutlich, das Terrain jedoch ohne allen Zusammenhang. Als er im Jahre 1801 dem Rufe einer mit beträchtlichen Fonds in Wien in’s Leben gerufenen neuen Kunsthandlung des sogenannten „Kunst- und Industriebureaus“ in die Residenz folgte, begann unter seiner Direction die Herausgabe eines „Oesterreichischen Nationalatlas“, von dem auch bereits sechs Karten mit beigefügten statistischen Tabellen erschienen sind, aber auch diesem Werke entriß ihn der Tod. Als Frucht langjährigen Studiums und sorgfältiger Berechnungen, welche eine ganz neue Projection des Planisphärs zum Zwecke hatten, veröffentlichte er noch die Schrift: „Einzig mögliche richtige Darstellung der kugelförmigen Oberfläche des Erdballes auf einer ebenen Fläche“, von welcher der berühmte Astronom Triesnecker den gewichtigen Ausspruch that, „daß nichts Aehnliches, nichts so Vollständiges in dieser Art bestehe, und daß sie ihrem Titel vollkommen entspreche“. Schließlich sei noch bemerkt, daß der im Jahre 1799 auf Veranlassung des Gouverneurs von Steiermark Philipp Grafen Welsperg auf dem Gratzer Schloßberge zur richtigen Kenntniß des wahren Mittags errichtete Meridian von Kindermann aufgestellt worden.
Kindermann, Joseph Karl (Geo- und Chartograph, geb. zu Schambeck bei Ofen in Ungarn 4. März 1744, gest. zu Wien 16. October 1801). Sohn eines Graf Zichy’schen, nicht wie es im ungarischen Plutarch heißt, gräflich Sitscho’schen Güterinspectors; der Vater bestimmte ihn für das Studium der Arzneiwissenschaft, schickte ihn aus diesem Anlasse nach beendeter Philosophie nach Wien, wo er auch unter- Annalen der Literatur und Kunst in dem österreichischen Kaiserthume (Wien, 4°.) Jahrgang 1802, Intelligenzblatt Nr. 1, Sp. 8; Jahrg. 1809, Intelligenzblatt Juli, Sp. 19. – Kunitsch (Michael), Biographien merkwürdiger Männer der österreichischen Monarchie (Grätz 1805, Tanzer, kl. 8°.) Bdchn. III, S. 75. – Ungarischer Plutarch oder Nachrichten von dem Leben merkwürdiger Personen des Königreichs Ungarn und der dazu gehörigen Provinzen. Aus authentischen Quellen geschöpft ... von Carl Vincenz Kölesy und Jakob Melzer (Pesth 1816, Jos. Eggenberger, 8°.) Bd. III, S. 173. – Baur (Samuel), Allgemeines historisch-biographisch-literarisches Handwörterbuch aller merkwürdigen Personen, die in dem ersten Jahrzehend des neunzehnten Jahrhunderts gestorben sind (Ulm 1816, Stettini, gr. 8°.) Bd. I, Sp. 725. – Allgemeine (Jenaische) Literatur-Zeitung 1801, Intelligenzblatt Nr. 223. – Allgemeine geographische Ephemeriden, Jahrg. 1803, Aprilheft, S. 477. – Porträt. Auf dem Titelblatte des von Joseph Marx Freiherrn von Liechtenstern herausgegebenen „Archivs für Geographie und Statistik, ihre Hilfswissenschaften und Literatur (Wien, 8°.) Jahrgang 1801, befindet sich Kindermann’s von J. Kühn gestochene Silhouette.