BLKÖ:Horváth, Michael (II.)

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 9 (1863), ab Seite: 320. (Quelle)
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Horváth, Michael (II.)[WS 1] (ungarischer Geschichtsforscher, geb. zu Szentes im Csongráder Comitate 20. October 1809). Sohn eines Barbiers, kam er, fünf Jahre alt, mit seinen Eltern nach Szegedin, wo er die unteren Schulen besuchte. 16 Jahre alt, trat er 1825 zu Waitzen in’s geistliche Convict, beendete die philosophischen und theologischen Studien und erwarb die philosophische Doctorwürde. Nachdem er die h. Weihen erlangt, wurde er im November 1830 zum Notar des Comitates ernannt, trat alsdann in die Seelsorge, die er zu Dorosman drei Jahre, zu Ketskemet zwei Jahre und zu Großkata anderthalb Jahre versah, bis er eine Erzieherstelle [321] im Hause des Grafen Gabriel Keglevich annahm. Im Jahre 1840 trat er aus seinem Erzieheramte wieder in die Seelsorge und zwar als Caplan zu Groß-Abony, folgte aber bereits im folgenden Jahre dem Rufe des Grafen Cajetan Erdödy als Erzieher von dessen Söhnen. Im Jahre 1844 wurde er zum Professor der ungarischen Sprache und Literatur in der Theresianischen Ritterakademie in Wien ernannt. Schon damals richtete sich die Aufmerksamkeit auf den jungen und wissenschaftlich gründlich gebildeten Priester. Als im Jahre 1847 der Erzherzog Palatin Joseph starb, fiel auf Horváth die Wahl, bei dem in Wien zu feiernden Requiem die Leichenrede zu halten. Indem von Seite des Kanzlers Grafen Apponyi die im Manuscripte vorgelegte Rede unbeanständet belassen ward, soll Graf Eduard Zichy, nachdem er dieselbe gelesen, den Ausspruch gethan haben: „Wenn solche Reden geduldet werden, sei die Censur überflüssig“. Die Rede blieb ungedruckt. Solche Zustände mochten H. den Aufenthalt in Wien nicht angenehm erscheinen lassen. Noch im nämlichen Jahre nahm er die ihm von dem Grafen Joseph Eßterházy verliehene Pfarrei von Hatvan an und wurde bald darauf zum Domherrn ernannt. Bald nach der Märzbewegung im Jahre 1848 begab sich der junge Domherr nach Pesth, in der Absicht, Schritte zu thun, um das Amt der Seelsorge mit einem Custosposten am Pesther Museum zu vertauschen, in welcher Stellung er ganz seiner Lieblingsneigung, dem Studium der Geschichte, sich widmen konnte. Da ernannte ihn der damalige Cultusminister, Baron Eötvös, zum Bischof des eben vacanten Bisthums Csanad. Bis zum November 1848 blieb H. Bischof von Csanad. Durch seine Freundschaft mit Kossuth wurde nun H. immer tiefer in die revolutionäre Bewegung hineingezogen und als im Jänner 1849 die provisorische Regierung in Debreczin ihren Sitz aufschlug, begab sich auch H. dahin und wurde nunmehr Mitglied des republikanischen Ministeriums, indem er das Portefeuille des Cultus übernahm. Eine Kreuzzugpredigt gegen die Russen, die Ausschreibung eines allgemeinen Bet- und Bußtages auf den 9. Juni 1849 sind die Hauptmomente seiner revolutionären Thätigkeit. Nach der Katastrophe von Arad war auch H. auf seine Flucht bedacht, die ihm nicht ohne Schwierigkeit gelang. Unter dem Namen Möhring, heißt es, kam er glücklich über die Grenze, flüchtete sich nach Brüssel, von dort nach Paris, wo er sich mit wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigte und 1851 mit der Witwe des Grafen Ludwig Batthyani als Erzieher ihrer Kinder nach Zürich ging. Seit einigen Jahren ist von ihm nichts mehr zu hören. Von den österreichischen Kriegsgerichten wurde H. im September 1851 zum Strange verurtheilt. Frühzeitig hatte H. sich mit Wissenschaftlichen Arbeiten und Studien beschäftigt. Insbesondere waren es geschichtliche Forschungen, denen er oblag und in welchen ihn die Gestattung des Grafen Eßterházy, die Schätze der Bibliothek zu Eisenstadt zu benützen, wesentlich förderte. Mit einer Abhandlung: „Vergleichung des Culturzustandes der Magyaren zur Zeit ihrer Einwanderung mit dem der übrigen europäischen Völker“, beantwortete er die von dem Grafen Joseph Teleki gestellte Preisaufgabe und gewann mit einer zweiten Abhandlung: „Geschichte des Handels und der Industrie in Ungarn unter den Königen aus dem Hause Arpad“, den großen akademischen [322] Preis. H. wurde in Folge diese Arbeiten zum correspondirenden Mitglied, ernannt. Die erste der oben genannten Abhandlungen erschien unter folgendem Titel im Drucke: „Párhuzam az Europába költözdő magyar nemzet s’ az akkori Europa polgári s’ erkölcsi miveltsége között“ (Pesth 1847); dieser folgte in erweiterter und vermehrter Bearbeitung die zweite unter dem Titel: „Az ipar és kereskedés története Magyarországban a XIV század elejeig“ an welche sich als Ergänzung und Abschluß das folgende Werk: „Az ipar és kereskedés története Magyarországban a három utolsó század alatt“, d. i. Geschichte des Handels und der Industrie in Ungarn während der letzten drei Jahrhunderte (Ofen 1840, 8°.), anschließt; für dieses letztere wurde H. von der ungarischen Akademie mit 200 Ducaten belohnt. Ferner erschienen von ihm noch folgende selbstständige Werke: „Gr. Nádasdy Tamás élete némi tekinettel korára“, d. i. Das Leben des Grafen Thomas Nádasdy in einiger Beziehung zu seiner Zeit (Ofen 1838) – und „A Magyarok története“, d. i. Geschichte der Magyaren. 4 Bände (Pesth 1842–1846), deutsch unter dem Titel: „Geschichte der Ungarn“, in 2 Bänden (ebd. 1851–1855, Emich, 8°, zuletzt 1861), welchem Werke jedoch 1841 und 1848 zwei Handbücher der Geschichte Ungarns in ungarischer Sprache für die Jugend vorangingen. Außerdem sind in der Zeitschrift Atheneum folgende Abhandlungen H.’s abgedruckt: „Gondolatok a történetirás theoriájábol“, d. i. Gedanken über die Theorie der Geschichtsschreibung; – „Vázalatok a magyar népiség történetéből a török uraság korszakában“, d. i. Skizzen aus der Geschichte des ungarischen Volkes zur Zeit der türkischen Herrschaft; – „Mikor és miert fosztatott meg a pórosztály szabad költözési jogátol, és mikor nyerte vissza azt?“ d. i. Wann und warum wurde das Volk des freien Rechtes, die Heimat zu wechseln, beraubt, und wann erhielt es dasselbe zurück? – „Vázalatok a magyar népiség történetéből Buda visszavételétől 2ik Józsefig“, d. i. Skizzen aus der Geschichte des ungarischen Volkes von der Wiedereroberung von Ofen bis Joseph II.; – „Vázalatok a magyar népiség történetéből 2dik József kora (1839) stb.“, d. i. Skizzen aus der Geschichte des ungarischen Volkes aus der Zeit Joseph’s II.; – im „Tudomanytar“ erschien: „Az országtani theoriák eredete, kifejlése és befolyása az ujabb Europában“, d. i. Der Ursprung, die Entwicklung und der Einfluß der Theorien der Staatswissenschaft im neueren Europa – und in den Jahrbüchern der ungarischen Akademie: „Az 1514 magyar dórhad okair és követ kezményeit; az Anjuok hatását hazánkra, országlásuk, szellemét, a közigazgatást egyjházi erkölcsi és népi életét tekintve“, d. i. Die Ursachen und Folgen des ungarischen Bauernkrieges im Jahre 1514; mit Rücksicht auf den Einfluß des Hauses Anjou auf Ungarn, auf den Geist seiner Regierung, auf das kirchliche, moralische und Volksleben (1841); – „Az 1764-ki országgyülés története“, d. i. Die Geschichte des Landtages im Jahre 1764 (Jahrb., 7. Bd. S. 126–163). In früherer Zeit hatte H. sich mehr mit der Theologie beschäftigt und außer mehreren Kirchenvorträgen und einigen Festgedichten veröffentlichte er auch in der Zeitschrift „Sion“ mehrere Abhandlungen, darunter: „Az isteni gondviselés nyilatkozása az emberi életben“ d. i. Die Kundgebungen der göttlichen Vorsehung [323] im Menschenleben – und „Az ember“, d. i. Der Mensch. In der Zeitschrift „Athanasia“ trat er auch als geistlicher Liederdichter auf. Am 3. September 1841 hat ihn die ungarische Akademie zum wirklichen Mitgliede für die geschichtliche Abtheilung erwählt.

Levitschnigg (Heinrich Ritter von), Kossuth und seine Bannerschaft. Silhouetten aus dem Nachmärz in Ungarn (Pesth 1850, Heckenast, 8°.) Bd. II, S. 38 [mit dem Facsimile seiner Unterschrift auf S. 43. Levitschnigg charakterisirt H. folgendermaßen: „Tüchtiger Historiker, Bischof in partibus infidelium, nur scheinbar kirchlicher Zopf, soufflirter Peter von Amiens am Schreibepulte und Kapistran im Frieden; unfreiwillige lebendige Vorrede zur Geschichte eines Kreuzzuges, die nie begann. Seine Rolle: Der Kapuziner in Wallenstein’s Lager in revolutionärer Kutte, Sein Wahlspruch: „Nil mali loqui de domino Kossuth, officia sua praestare taliter qualiter et omnia sinere vadere, sicuti vadunt“. – Zur Geschichte des ungarischen Freiheitskampfes. Authentische Berichte (Leipzig 1851, Arnold, gr. 8°.) Bd. I, S. 181. – Ungarns politische Charaktere. Gezeichnet von F. R. (Mainz 1851, J. G. Wirth Sohn, 8°.) S. 144. – Magyar irók. Életrajz-gyüjtemény. Gyüjték Ferenczy Jakab és Danielik József , d. i. Ungarische Schriftsteller. Sammlung von Lebensbeschreibungen. Von Jacob Ferenczy und JosephDanielik (Pesth 1856, Gust. Emich, 8°.) S. 204 [nach diesen geboren 20. October 1809]. – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris, F. Didot, 8°.) Tome XXV, p. 206. [nach dieser geb. 30. October 1809]. BrockhausConversations-Lexikon (10. Auflage), Bd. VIII, S. 80.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. siehe auch Hatvani, Michael.