Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 6 (1860), ab Seite: 36. (Quelle)
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Gunz, Simon (Mathematiker, geb. zu Augsburg 1743, gest. zu Prag 11. Jänner 1824). Sohn israelitischer Eltern, und wurde zum Rabbiner gebildet, welches Amt Vater und Großvater in seinem Geburtsorte versehen hatten. Zu Frankfurt a. M. und in Fürth studirte er den Talmud; in ersterer Stadt – 20 Jahre alt – erlernte er auch die deutsche Sprache. 1767 begab er sich nach Berlin, wo er wissenschaftliche und Sprachenstudien betrieb; schon damals wählte er Mathematik zum Lieblingsgegenstande. 1782 wurde er Lehrer der Mathematik an der israelitischen Hauptschule in Prag. Auf diesem Posten entwickelte er eine große schriftstellerische Thätigkeit in seinem Fache. Er gab folgende Schriften heraus: „Praktische Bemerkungen und Vorschläge zur Verbesserung des Lehrfachs für angehende Haus- und Schullehrer“ (Prag 1792); – „Handbuch für Kaufleute, enthaltend allgemeine Schlüssel, [37] vermittelst deren man den Localbetrag eines Wiener Centners oder Pfundes in Wiener Cours jeder vorkommenden Art ... berechnen kann“ (ebenda 1792); – „Verhältnisstabellen des niederösterreichischen Gewichts, nassen und trockenen Masses, der Elle, Klafter, gegen das altböhmische und umgekehrt ...“ (ebd. 1793); – „Theoretisch-praktisches Rechnenbuch für Lehrer und Lernende“. 2 Theile (Prag 1802; – 2. Aufl. 3 Theile 1808; – 5. Aufl. 1816; – 6. Aufl. 1832), der 3. Theil auch unter dem Titel: „Praktischer Unterricht in Berechnungen ausländischer Waaren oder Waarenkalkulationen“ (ebd. 1808; 6. Aufl. 1832); – „Cours- und Wechseltabellen ...“ (Wien 1807); – „Elementar-Theorie der parallelen Geraden“ (Gratz 18153, mit 2 Taf.), auch als „Beiträge zur reinen, angewandten und technischen Mathematik“, 1. Heft; – „Der fertige Arbitrageur; ein Handbuch für Banquiers und Kaufleute ...“ (Neue Aufl. Prag 1818); – „Nelkenbrecher’s Taschenbuch, für die österreichischen Staaten bearbeitet“ (ebenda 1815; 2. Aufl. 1818 und noch später); – „Rechenschlüssel, oder äusserst kurze allgemeine Rechnenregeln, vermittelst deren der Localbetrag in Gulden C. M. eines Wiener Zentners oder Pfundes ... in einem Amsterdamer, Hamburger, Londoner und Frankfurter Preiscourante ohne Federansatz blos mit 1 oder 2 Ziffern zu berechnen sei“ (ebenda 1818); – „Tabelle zur schnellen Uebersicht, wie viel der jedesmalige Stand der 5percentigen Obligationen in Silbermünze nach dem jedesmaligen Geldcourse in W. W. betrage“ (Prag 1818); – „Der Kassier, ein Taschenbuch für Banquiers und Kaufleute ...“ (ebd. 1818); – „Anfangsgründe der Gleichungslehre oder sogenannten Algebra ...“ (Prag 1826), Gunz’s Ruf als Mathematiker war so ausgebreitet, daß selbst Ausländer ihre Söhne nach Prag schickten und bei ihm Privatunterricht nehmen ließen. Sein Sohn sagte sich vom Glauben des Vaters los und erhielt die Professur der hohem Mathematik am Lyceum zu Linz.

Neuer Nekrolog der Deutschen. Herausgegeben von Friedrich August Schmidt (Ilmenau 1826, Voigt) Zweiter Jahrgang 1824. Zweites Heft, S. 1038. – Jüdisches Athenäum. Gallerie berühmter Männer jüdischer Abstammung und jüdischen Glaubens (Grimma und Leipzig 1851, Verlags-Comptoir, 8°.) S. 63. – Oesterreichische National-Encyklopädie. Herausg. von Czikann und Gräffer (Wien 1835, 8°.) Bd. IX, S. 441. – Gunz war ein Sonderling, aber voll Geist; sein Unterricht und seine Schriften, deren einige viele Auflagen erlebten, halfen ihm sein Vermögen vermehren, aber steigerten auch die Liebe zum Gelde und die Aengstlichkeit um dasselbe im übertriebenen Maße. Auffallend war in Gesichtszügen und äußerer Erscheinung seine Aehnlichkeit mit Voltaire. Schlagfertig und scharf waren oft seine Antworten. Einst am Neujahrstage befragt, was er sich für das kommende Jahr wünsche, entgegnete er: „Daß die Juden alle nach Jerusalem zögen und die Christen vor Freude darüber sich zu Tode lachten, dann wäre ich Beide los“. – Als man ihn bereden wollte, gleich seinem Sohne den Glauben zu wechseln, entgegnete er: „Ich kann diesen Schritt deßhalb nicht thun, weil man, nach dem Alter des Taufscheines urtheilend, mich für den Sohn meines Sohnes halten würde“. – Wenn ein jüdischer Zögling seinen Unterricht nicht schnell genug erfaßte, pflegte er zu sagen: „Ich glaube gar, Dein Vater ist ein Christ“. Als er, 81 Jahre alt, zu Prag starb, lautete sein letztes Bekenntniß: „Mose ist nicht gestogen (gestiegen auf den Sinai) und Jesus nicht geflogen“.