BLKÖ:Dandolo, Vincenz Graf

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Dandolo, Tullio Graf
Band: 3 (1858), ab Seite: 148. (Quelle)
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Dandolo, Vincenz Graf (Nationalökonom und Naturforscher, geb. zu Venedig 26. Oct. 1759, gest. zu Varese 12. Dec. 1819). Nachdem er in Padua Chemie und Pharmacie studirt hatte, kehrte er in seine Vaterstadt zurück und legte daselbst ein chemisch-pharmaceutisches Laboratorium und Lehrinstitut an. Bald machte er sich hier durch seine Präparation des Quecksilbersublimates und Analyse der rothen China von Sta. Fé, sowie durch die Uebersetzungen des Werkes von Lavoisier „Trattato elementare di chimica“ und eines zweiten von Guyton-Morveau „Della affinità“, welche er mit Erläuterungen und Zusätzen versah, in wissenschaftlichen Kreisen bekannt. Diesen folgte später die Uebersetzung von Berthollets „Statistique chimique“. Ein anderes Werk, welches die Aufmerksamkeit der gelehrten Welt auf sich zog, war sein „Fondamenti della Fisico-Chimica applicati alla formazione de’ corpi et de’ fenomeni della natura“ worin er die Entdeckungen der Naturwissenschaften bis auf die letzte Zeit zusammenfaßte. Dieses Werk erlebte in wenigen Jahren 6 Auflagen; Poli’s „Fisica“ bereicherte er mit mathematischen Anmerkungen, und schrieb noch manche andere Abhandlungen, als die politischen Ereignisse seine wissenschaftliche Thätigkeit unterbrachen. Die französische Armee hatte die Alpen hinter sich und näherte sich Venedig, wo bereits Doge und Senat abgedankt hatten. In dieser Zeit der Anarchie spielte D. eine so hervorragende Rolle, daß ihn die Aufwiegler provisorisch [149] zu ihrem Präsidenten ernannten. Eine Deputation, und mit derselben D., verfügte sich zu General Bonaparte, um die Republik unter seinen Schutz zu stellen. Aber bereits hatten die Friedensverhandlungen zwischen Frankreich und Oesterreich begonnen und durch den Vertrag von Campo Formio fiel Venedig in den Besitz Oesterreichs. Die Deputation protestirte zwar, aber erfolglos. D. begab sich nun nach Mailand, damals Hauptstadt der cisalpinischen Republik, wurde Mitglied des großen Rathes und blieb daselbst bis zum Einmarsch der Russen (1799), dann begab er sich nach Paris und gab dort das Werk heraus:„Les hommes nouveaux ou moyens d’opérer une régénération morale“ (1799) 2. Aufl. Paris 1801, 8°.). Kurze Zeit darauf (nach der Schlacht von Marengo 1800) kehrte er wieder in die Lombardei zurück und lebte auf seiner Villa zu Varese bei Mailand national-ökonomischen und naturwissenschaftlichen Studien. Er untersuchte die Methode, wie im Mittelalter die italienischen Tücher, damals die vortrefflichsten in Europa, gearbeitet wurden; beschäftigte sich mit der Zucht der Hausthiere, der Pflege der Schafe, dem Anbau der Erdäpfel, der Benützung des Düngers u. a. Als 1800 Dalmatien in den Besitz Napoleons kam, wurde D. unter dem Titel eines Provveditore generale zum Gouverneur der Provinz ernannt. Dieses Land befand sich damals noch auf der untersten Stufe der Cultur, die Einwohner lebten noch meistens von der Jagd und nicht selten vom Raube. D. mit aller Macht ausgestattet, ließ kein Mittel unbenützt, um der Unwissenheit und dem Ungehorsam, welche allgemein herrschten, zu steuern. Er suchte den Sinn für Arbeit und Unterricht zu wecken, Aberglauben und vererbte Thorheiten auszurotten; er ließ die sumpfigen Strecken austrocknen, um sie der Cultur zugänglich zu machen und den Keim jener epidemischen Krankheiten, welche das Land verwüsteten, zu ersticken. In dieser Stellung entwickelte D. große Pracht, bei feierlichen Gelegenheiten bestieg er sogar einen Thron und empfing, seine junge schöne Gemalin zur Seite, die Huldigung der Dalmatiner. Die Benützung eines Thrones stellte Napoleon später ab. Doch diese Eitelkeit hinderte D. nicht, sich bei dem Volke, dem er sich nützlich zu machen gewußt, und dessen Bestes er zu fördern verstanden hatte, in Gunst zu setzen. Während seiner fünfjährigen Verwaltung hatte D. manche wohlthätige Verfügung erlassen. Als Beitrag zur Geschichte der Verwaltung Dalmatiens lassen wir nachstehend diejenigen, welche von D. unterzeichnet sind, folgen: „Organizzazione del potere amministrativo“ (s. l. [Zara] 1806, 4°., 8 S.), unterschrieben: Dandolo. Datum: 26. November 1806; – „Istruzioni per le amministrazioni comunali della Dalmazia“ (s. l. [Zara 1806], 8°., 16 S.), unterschrieben: Dandolo e Scopoli. Datum: 17. Dec. 1806; – „Regolamento organico della forza provinciale in Dalmazia“ (s. l. [Zara 1806], 4°., 12 S.), unterschrieben: Dandolo. Datum: 26. Dec. 1806; – „Regolamento sul notariato per la Dalmazia“ (s. l. [Zara 1807], 8°., 35 S.), unterschrieben: Dandolo. Datum: 20. Nov. 1807; – „Determinazioni daziarie date dal Provveditor generale della Dalmazia“ (s. l. [Zara 1809], 8°., 16 S.), unterschrieben: Dandolo und Angiolini. Datum: 31. Dec. 1807. Auch erschien unter V. Dandolo’s Auspicien vom 12. Juli 1806 bis 1. April 1810 die Zeitung „Il Regio Dalmato“ (Zara, Battara, 4°.), für welche D. selbst interessante nationalökonomische die Provinz betreffende Artikel schrieb. Es ist dies das erste Journal, welches in Dalmatien erschienen war. Ueberhaupt widmete er diesem Lande und [150] namentlich dem Ackerbau desselben eine große Aufmerksamkeit; dafür sprechen folgende Schriften D.’s: „Lettera al Sign. Rados Antonio Micheli-Vitturi sull’ agricoltura della Dalmazia“ (im Regio Dalmato 1807, Nr. 15); – „Sullo stato comparativo fra i produtti che si ottengono di quantità e qualità eguali di terreno in Dalmazia ed in Italia e cagioni delle differenze che risultano da questo parangone“ und „Cenni sul deplorabile stato dell’ agricoltura in Dalmazia“ (die letzten zwei Schriften in D.’s Werken). Als 1809 Dalmatien mit den illyrischen Provinzen vereinigt worden, trat D. von seinem Posten ab und kam, von Napoleon mittlerweile in den Grafenstand erhoben und mit anderen Auszeichnungen ausgestattet, nach Venedig, wo er bis 1813 lebte, dann aber sich in’s Privatleben zurückzog und ganz seinen wissenschaftlichen Arbeiten und der Cultur seiner schönen Besitzungen bei Varese, mitten unter seinen Seidenwürmern, Bienen, Schafen und Trauben lebte. Außer den bereits genannten Schriften veröffentlichte er noch folgende: „Danni che reca allo stato e alle famiglie la divisione dei fondi in una stessa Comunità, ed i ripari che si potrebbero porvi“; – die in demselben Sinne und Geiste verfaßte Abhandlung „De’ mali economici, politici e morali che derivano alla nazione dell’ esistenze comunale“ und „Sulla necessità di creare nuove industrie nel regno“, worin er mit prophetischem Blicke den Ackerbau und Getreidehandel Italiens von dem ergiebigen Körnerhandel des Schwarzen Meeres bedroht sah. Außerdem verfaßte D. mehrere tüchtige Schriften über verschiedene Gegenstände der Land- u. Hauswirthschaft, u. z. über die Pflege der Seidenwürmer: „Il buono governe dei bachi di Seta“, 2 Bde. (Mailand 1816, 8°.); durch diese Schrift erwarb sich D. europäische Berühmtheit; – „Storia dei bachi da seta governati coi nuovi metodi nel regno Lombardo Veneto“ (Mailand 1816 u. 1817); – „Istruzione pratica per la coltivazione dei bachi da seta cavata dai migliori scrittori“ (Monza 1820, 8°.); – sein Werk über die Kunst Seidenwürmer aufzuziehen, wurde von F. Philibert Fontaneilles in’s Französische übersetzt und unter dem Titel: „L’art d’élever les vers à soie“ (Montpellier 1819, 2. Aufl. Lyon 1825, 5. Aufl. Paris 1839, Bohaire, 8°.) herausgegeben; – über Veredlung und Zucht der Schafe: „Delle pecore di Spagna ed indigene migliorate“ (Mailand[WS 1] 1813); – „Governo delle pecore spagnuole ed italiane“ (Mailand 1804, 8°.); – über Anbau der Erdäpfel: „Nuovi cenni sulla coltivazione dei pomi di terra“ (Como 1810, 8°.); – „Grido della ragione per la più estesa coltivazione dei pomi di terra“ (Mailand 1815, 8°.); – „La coltivazione dei pomi di terra ... nei suoi rapporti colla nostra agricoltura“ (Mailand 1817, 8°.); – über andere landwirtschaftliche und industrielle Objecte: „Sulla pastorizia e sull’ agricoltura“ (Mailand 1806, 8°.); – „Cenni sulla fabbricazione dello sciroppo e zucchero d’ uva“ (Mailand 1810, 8°.); – „Enologia o l’ arte di fare conservare e viaggiare i vini del regno d’ Italia“, 2 Bde. (Mailand 1812, 8°.), eine der vortrefflichsten Arbeiten D.’s, worin er nicht nur das über die Bereitung und Behandlung des Weines, namentlich bei den Franzosen Angewendete, zusammenfaßt, sondern auch seine eigenen reichen und bewährten Erfahrungen niedergelegt; – „Brevissimi cenni sulla nuova dilanda del Signor Locatelli“ (Mailand 1819, 8°.); – „Sulle cause dell’ avvilimento delle nostre granaglie e sulle industrie agrarie riparatrici dei d’anni che ne derivano. Opera postuma“ (Mailand 1820, 8°.). Letzteres Werk gab sein Sohn nach seinem Tode [151] heraus. Dandolo hat eine wechselvolle, doch glänzende Laufbahn durchgemacht. Napoleon hatte ihm außer dem Grafentitel noch die Senatorswürde, die Ehrenlegion u. die eiserne Krone verliehen. Das lombardische Institut der Wissenschaften und viele andere gelehrte Akademien zählten ihn unter ihren Mitgliedern. Der Franzose Clevel schrieb über D.: „In Dandolo besaß Italien seinen Parmentier.

Compagnoni (Giuseppe), Memorie storiche relative al conte Dandolo ed ai sui scritti (Mailand 1820, 8°., mit Porträt]. – Bonafous (Mathieu), Eloge historique du comte Vinc. Dandolo (Turin 1839, Paris 1840, 8°.) [nach diesem ist D. geb. 26. Oct. 1758, gest. 13. Dec. 1819]. – Gamba (Barthol.), Galleria dei Letterati ed Artisti illustri delle Provincie Veneziane nel secolo XVIII (Venedig 1824, 8°.) [nach diesem gest. 12. Dec. 1819, daselbst auch sein von Comirato gestochenes Porträt]. – Il Caffè. Gazzetino di lettere ecc. (Mailand, Fol.) 1855, Nr. 73: „Uomini utili. Vincenzo Dandolo“ [nach diesem geb. zu Venedig 26. October 1758, gest. zu Varese 12. Dec. 1819]. – Dandolo (Girolamo), La caduta della repubblica di Venezia ed i suoi ultimi cinquant’ anni. Studii storici (Venezia 1856, Naratovich, 8°.) S. 373. – Valentinelli (Gius.), Bibliografia della Dalmazia e del Montenegro ... (Agram, 1855, L. Gaj, 8°.) S. 52, Nr. 267, 268, 269. – S. 53, Nr. 270. – S. 57, Nr. 305. – S. 60, Nr. 322. – S. 64, Nr. 345, 346, 347. – S. 102, Nr. 620 [leider ist Valentinelli’s verdienstliche Arbeit durch viele Druckfehler entstellt). – Quérard (J M.), La France littéraire (Paris 1828, Didot, 8°.) II. Bd. S. 381. – Louandre (Charles et Bourquelot (Felix), La littérature française contemporaine 1827–1844 continuation de la France littéraire (Paris 1848, Daguin, 8°.) S. 135 [in Angabe des Geburtsdatums stimmen beide Werke überein: 26. Oct. 1758; das Todesdatum gibt Querard 13. Dec., Louandre 12. Dec. 1819 an]. – Biographie des hommes vivants (Paris 1816, L. G. Michaud, 8°.) II. Bd. S. 297. – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris 1853) XII. Bd. Sp. 918 [nach diesem geb. 26. October 1758, gest. 13. Dec. 1819, gibt auch Venedig als Geburts- u. Sterbeort an]. – Ersch (J. S.) und Gruber (J. G.), Allg. Encyklopädie der Wissenschaften und Künste (Leipzig 1822, Gleditsch, 4°.) I. Section, 22. Bd. S. 238 [nach diesem geb. 26. Oct. 1759, gest. 12. Dec. 1819]. – Oestr. National-Encyklopädie (von Gräffer und Czikann), (Wien 1835, 6 Bde.) I. Bd. S. 677 [nach diesem geboren 26. Oct. 1759]. – (Brockhaus) Conversations-Lexikon (10. Auflage) IV. Bd. S. 582 [nach diesem geb. 1769]. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für gebildete Stände (Hildburghausen 1845, Bibl. Inst., Lex. 8°.) VII. Bd. 3. Abth. S. 881 [nach diesem geb. 1759]. – Allgem. medicinische Annalen des 19. Jahrhunderts 1828. Suppl. Bd. 10. Hft. S. 1412.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Miland.