BLKÖ:Valentinelli, Giuseppe

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Nächster>>>
Valentini, Gottardo
Band: 49 (1884), ab Seite: 215. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Giuseppe Valentinelli in Wikidata
GND-Eintrag: 117340286, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Valentinelli, Giuseppe|49|215|}}

Valentinelli, Giuseppe (Bibliothekar an der St. Marcus-Bibliothek in Venedig und Bibliograph, geb. zu Ferrara am 22. Mai 1805, gest. auf seinem Landgute in Villa Estense am 17. December 1874). Nachdem er zu Padua die theologischen Studien beendet hatte, wurde ihm 1833 einem an der Universität daselbst bestehenden Brauche gemäß der Posten eines Assistenten der philosophischen Lehrkanzel verliehen, und in dieser Stellung erwarb er die Doctorgrade der Philosophie und Theologie. 1835 folgte er einem Rufe an das in Belluno, der Vaterstadt des damaligen Papstes (Gregor XVI., Capellari), errichtete, nach demselben benannte Seminar zur Uebernahme der Professur der Philosophie. Aber weder dieses Amt, noch der Gegenstand seiner Lehrthätigkeit entsprachen seinen inneren Neigungen. Seine Lieblingsbeschäftigung gewahrte er in einem rationellen Bibliotheksdienste und in den damit verbundenen bibliographischen Arbeiten, welche, wie wenig dankbar sie einerseits sind, doch andererseits, wenn sie in ebenso umsichtiger als exacter Weise ausgeführt werden, dem Gelehrten wesentliche Dienste leisten, viele Zeit nutzlosen Suchens ersparen und die Wissenschaft in hohem Grade fördern. Im Alter von 33 Jahren erreichte er das ersehnte Ziel, als man ihm 1838 die Direction der Seminarbibliothek in Padua übertrug. Nach dreijähriger Thätigkeit daselbst wurde er 1841 zum Vicebibliothekar und 1847 zum Präfecten der berühmten Marciana (Marcusbibliothek) in Venedig ernannt. In letzterer Eigenschaft lag ihm zugleich die Aufsicht über das archäologische Museum des Dogenpalastes ob, und in dieser Doppelstellung wirkte er bis an seinen im 70. Lebensjahre erfolgten Tod. Valentinelli war, wie einer seiner Freunde schreibt, zum Bibliothekar wie geschaffen. Auf den Schulen von Padua herangebildet, trug er, ein Freund und Kenner der alten Literaturen, den classischen und schönen Geist durch sein ganzes Leben und Wirken; die lateinischen Dichter, unter diesen namentlich Virgil in dessen Eklogen, Catull und Properz, waren ihm ins Blut gegangen, nicht minder die italienischen Dichter der mittleren Zeit und so viele der neueren durch Form und Inhalt jenen Mustern nachahmten oder in gewissem Sinne gleichkamen. Der seltene Verein strengen schulmäßigen, zum Theile trockenen Wissens mit lebhaftem künstlerisch ästhetischen Urtheil, diese „nur unter italienischem Himmel verliehene und von venetianischer Grazie täglich neu gereizte Befähigung“ [216] ermöglichte ihm auch in der vorerwähnten Doppelstellung eine so fruchtbare, so anregende und innerlich so befriedigende Thätigkeit, wie eben Valentinelli sie entfaltet hat. Alle seine Forschungen und Studien basirten auf dieser seiner öffentlichen Stellung und bezogen sich, soweit sie auch gingen, wieder auf dieselbe zurück. Er erschloß Anderen Fundgrube auf Fundgrube bei den ihm anvertrauten Sammlungen und brachte von außen durch persönliche Bekanntschaft und einsammelnden Fleiß Treffliches und Erlesenes nach Hause. Er kannte seine Bibliothek durch und durch bis ins Kleinste und Einzelne, ihr war seine ganze Zeit gewidmet; erkannte aber auch die Bibliotheken Italiens, wie jene von Spanien und England, von Frankreich und Deutschland in weiterem Umfange. Seine eigentliche literarische Thätigkeit beginnt erst mit der Zeit, als er in Venedig seinen bleibenden Aufenthalt nahm. Nachdem er wiederholt Reisen nach Dalmatien und Montenegro, diesen damals literarisch so wenig gekannten Ländern, unternommen hatte, bearbeitete er eine Bibliographie derselben, für welches Werk er auch später immer neues Material sammelte, so daß zu der ersten nahezu vierthalbhundert Seiten starken Publication ein ansehnlicher Nachtrag erscheinen konnte. Auch die Schätze der Marcusbibliothek lieferten ihm im Hinblick auf Dalmatien eine namhafte Ausbeute, die er theils in einer besonderen Schrift, theils, und zwar die Nachträge und Ergänzungen seit 1852, in dem von Chmel redigirten in die Suite der Schriften, welche die kaiserliche Wiener Akademie der Wissenschaften herausgibt, gehörigen „Notizenblatte“ veröffentlichte. Außer der Bibliographie der genannten Länder waren es Vorarbeiten für die Geschichte Friauls und des Patriarchates von Aquileja insbesondere, welche durch längere Zeit den Gelehrten beschäftigten. Seine in dieser Richtung gewonnenen Resultate legte er zuerst auf einer Reise, 1854, der böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in Prag vor, von welcher sie auch veröffentlicht wurden. Durch seine Verbindung mit Chmel standen ihm nun auch die Spalten des oberwähnten „Notizenblattes“ offen, in welchen denn seit 1854 Regesten aus zwei auf Aquileja bezüglichen Handschriften der Marciana erschienen. In dem von der Akademie herausgegebenen „Archiv“, und zwar im 18. Bande, gelangte ein Verzeichniß der Marcianischen Handschriften, welche auf Friaul Bezug haben, und in den von demselben Institute herausgegebenen „Fonte“ eine Urkundensammlung von Pordenone zum Abdrucke. Auch ermöglichte ihm eine Unterstützung der kaiserlichen Akademie die Herausgabe seiner Bibliographie Friauls. Im Interesse der bibliographischen Forschungen, welche er anstellte, um die Schätze wenig gekannter Bibliotheken oder aber wenig gekannte Schätze solcher Institute von Ruf den Gelehrten zu erschließen, unternahm er oft und zum Theil große Reisen, auf welchen er dann auch immer persönliche Verbindungen mit Männern der Wissenschaft oder mit Personen, die ihn in seinen Forschungen fördern konnten, anknüpfte. Von vielen dieser Studienreisen veröffentlichte er die Ergebnisse seiner Beobachtungen und Forschungen, so brachte er werthvolle Resultate dieser Art über italienische Bibliotheken in Dr. Adolph Schmidl’s „Oesterreichischen Blättern für Literatur und Kunst“ 1844, 1845, weitere Berichte über Bibliotheken, Denkmale des Alterthums und literarische [217] Bestrebungen der Gegenwart aus Spanien und den Niederlanden in den „Wiener akademischen Sitzungsberichten philosophisch-historischer Classe“. In den letzten zehn Jahren seines Lebens widmete er sich ausschließlich den Sammlungen, welche seiner Obhut unterstanden. Dabei wies er der Forschung für verschiedene Gebiete das Material seiner Bibliothek auf, wie in den Regesten zur deutschen Geschichte, in der durch Kukuljevic veranlaßten Darstellung der Beziehungen zwischen der Republik Venedig und den Südslaven, aus den Diarien von Marino Sanudo, oder in seinem vortrefflichen Verzeichniß der Handschriften Petrarca’s, welches er, als Italien 1874 die fünfte Säcularfeier seines nationalen Dichters beging, als eine Festgabe Venedigs darbrachte. Auch war er noch durch Veröffentlichung mehrerer instructiver Beschreibungen für das Bekanntwerden der ihm zur Leitung anvertrauten Institute und ihrer Schätze thätig und arbeitete jahrelang bis zu seinem Tode an einem Kataloge der lateinischen in der Marciana aufbewahrten Handschriften, wovon er innerhalb der Jahre 1868 bis 1873 sechs Bände veröffentlichte. Wir sind außer Stande, eine vollständige Uebersicht seiner zahlreichen Arbeiten, obwohl deren jede für den Bibliographen und Forscher ihre Wichtigkeit besitzt, hier mitzutheilen. dieselben sind in vielen Fachzeitschriften zerstreut; die wichtigeren aber, wenigstens die im Druck herausgegebenen sollen in möglichster Vollständigkeit folgen. Dabei bemerken wir, daß Valentinelli in wahrhaft generöser Weise oft ohne Rücksicht auf ein Honorar arbeitete, ja noch mehr, daß er bei manchem seiner Werke den Druck aus eigenen Mitteln bestritt, oder mindestens, einen namhaften Betrag zu den Kosten desselben beisteuerte. Wir lassen hier seine Schriften nach der Reihe ihres Erscheinens folgen, ihre Titel sind: „Orazione per la solenne inaugurazione del busto di Gregorio XVI. P. M. fattasi nel seminario Gregoriano di Belluno il di 14 Maggio 1835“ (Belluno 1835, tip. Tissi, 4°.), wenn ich nicht irre, ist dies Valentinelli’s erste durch den Druck veröffentlichte Schrift; – „Specimen bibliographicum della Dalmazia ed Agro Labeatium“ (Venezia 1842); – „Discorso pronunziato in Piove di Sacco per anno quinquagesimo del sacerdozio di Francesco dott. Targhetta“ (Padova 1845, Penada, 8°.); – „Bibliografia dalmata tratta da’ codici della Marciana“ (Venezia 1845, Naratovich); – „Della biblioteca del Seminario di Padova“ (ib. 1849, tip. di Teresa Gattei, 8°.); – „Degli Studj sul Friuli. Memoria letta alla reale società boema delle scienze in Praga li 23 Ottobre 1854“ (Praga 1858, Bellmann, 4°.), auch in den „Abhandlungen der königlich böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften“ 1856, V. Folge, 9. Bd.; – „Bibliografia della Dalmazia e del Montenegro“ (Zagrabia 1853, Ljudevit Gaj); – dazu: „Supplemento al Saggio bibliografico della Dalmazia e del Montenegro“ (ib. 1862), bezüglich dieses so zu sagen raisonnirenden Verzeichnisses aller Dalmatien und Montenegro betreffenden selbständigen Schriften und in anderen Werken zerstreuten Aufsätze beklagte sich Valentinelli dem Herausgeber dieses Lexikons gegenüber, den der liebenswürdige Gelehrte bei jedem seiner ziemlich häufigen Ausflüge nach Wien daselbst zu besuchen pflegte, nicht wenig über die zahlreichen und leider oft sehr sinnstörenden Druckfehler; [218]„Catalogus codicum manuscriptorum de rebus Forojuliensibus ex Bibliotheca ad D. Marci Venetiarum“ (Wien 1857, Staatsdruckerei, 8°.), auch im XVIII. Bande des „Archivs für Kunde österreichischer Geschichtsquellen“; – „Sulle antichità spagnuole in generale e singularmente delle provincie Nuova Castiglia, Estremadura, Andalusia, Murcia, Valenza, Catalogna“ (Wien 1859, Staatsdruckerei, 8°.); – „Delle Biblioteche della Spagna. Commentario“ (ebd. 1860, Staatsdruckerei, 8°.); – „Bibliografia del Friuli“ (Venetia 1861, tipogr. del Commercio, 8°.); – „Delle Biblioteche e delle Società scientifico-letterarie della Neerlandia“ (Vienna 1862, Gerold, gr. 8°.); – „Catalogo dei marmi scolpiti del Museo archeologico della Marciana. Con 4 tavole“ (Venezia 1865), auch in den „Atti dell’Istituto Veneto“, tomo X, Serie 3, Dispensa 2; – „Esposizione di rapporti fra la Repubblica Veneta s gli Slavi meridionali“ (1865); – „Diplomatarium Portusnaonense. Series documentorum ad historiam Portusnaonis spectantium quo tempore (1276–1514) domus austriacae imperio paruit hinc lectorum cura et opera J. Valentinelli“ (Wien 1865), auch als XXIV. Band der „Fontes rerum Austriacarum“; – „Marmi scolpiti del Museo archeologico di Venezia“ (Venezia 1865, Prato 1866); – „Francisci Novelli de Carraria, Patavii ducis, epistolae Austriae principibus et Episcopo Tridentino datae“ (Wien 1866); – „Regesta documentorum Germaniae historiam illustrantium. Regesten zur deutschen Geschichte aus den Handschriften der Marcusbibliothek in Venedig bearbeitet“. I und II (München 1866, Franz, gr. 4°.), auch in den „Abhandlungen der königlich bayrischen Akademie der Wissenschaften“; – „Bibliotheca manuscripta ad S. Marci Venetiarum. Codices latini“, Tom. I–VI (Venetiis 1868– 1873); – „Libri membranacei a stampa della Biblioteca Marciana“ (1870); – „Codici manoscritti d’opere di Francesco Petrarca od a lui riferentesi posseduti dalla Biblioteca Marciana ed illustrati“ (Venezia 1874). – Von den in gelehrten Sammelwerken erschienenen Arbeiten Valentinelli’s sind dem Herausgeber dieses Lexikons bekannt: „Anhang zur Bibliografia Dalmata. Dalmazia in genere. Storia“, im „Notizenblatt der Wiener kaiserlichen Akademie der Wissenschaften“, Bd. II, S. 13 u. f., S. 28 u. f.; Bd. III, S. 1 u. f., S. 23 u. f.; – „Zur Geschichte der Patriarchen von Aquileja. Regesten aus zwei Handschriften der Marciana“, ebd., Bd. IV, S. 49, 73, 515 u. f.; Bd. V, S. 169, 217, 268, 451 u. f.; Bd. VII, S. 86, 103, 115, 133, 148, 166 u. f.; – „Nonnulla documenta quae ad historiam referuntur, quarundam ecclesiarum in remotis partibus existentium et ad Aquilejensem Dioecesim olim spectantium“, ebd., Bd. VIII, S. 402, 430, 456, 484 u. f.; – „Regesta documentorum quae Germaniae universae, austriaci imperii praesertim historiam illustrant. Ex codicibus manuscriptis Bibliothecae palatinae D. Marci Venet.“, in den „Sitzungsberichten der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften philosophisch-historischer Classe“, Bd. XLIV, S. 140; – „Ueber die Bedeutung der Sculpturdenkmale für die Kenntniß des Alterthums“, in den „Sitzungsberichten der königlich böhmischen Akademie der Wissenschaften“ vom 24. Juli 1865; – „Sullessico [219] forcelliniano di tutta la latinità, riordinato ed aumentato del Dre. Vincenzo Devit“, im Florentiner „Archivio storico“, 1866. Im Jahrgange 1845 von Schmidl’s „Oesterreichischen Blättern für Literatur und Kunst“ veröffentlichte er: „Das Privatmuseum des Nobile Antonio Dr. Piazza in Padua“ (S. 105); – „Die städtische Bibliothek von Treviso“ (S. 198); – „Die Quirinianische Bibliothek zu Brescia“ (S. 342) und „Die Bibliothek des Seminars zu Padua“ (S. 537 u. f.). Auch erschien von ihm eine Reihe Artikel im „Archivio veneto“, deren Kenntniß sich mir leider entzieht. Von seinem Biographen, dem gelehrten Münchener Bibliothekar G. M. Thomas, wird noch eines Umstandes gedacht, nämlich seines Gedankens, einen internationalen Congreß von Fachmännern zu berufen, welcher eine möglich gleichartige Behandlung des ganzen Bibliothekswesens feststellen und für geschickten Austausch von Katalogen und Werken einen sicheren Grundriß ziehen sollte. Zu diesem Endzweck und um mit einem Male zum Ziele zu kommen, sei jedoch vorher ein Entwurf mit allen Fragen und Forderungen auszugeben und nach vorangegangener allseitiger Berathung im Einzelnen und Besonderen zur allgemeinen Beschließung zu bestellen. Das Nützliche und Zweckmäßige, das wissenschaftlich Durchschlagende in diesem Plane begreift jeder Sachverständige; die Erleichterung und Vereinfachung der bibliothekarischen Technik, die rasche Uebersichtlichkeit des gesammten wissenschaftlichen Vorrathes würde als nächstes praktisches Ergebniß dieses Gedankens resultiren. Nun, dieser Gedanke ist wirklich ein vortrefflicher und seine Ausführung gewiß auch möglich, aber nur dann, wenn die Bibliotheken einmal aufhören, das Aschenbrödel der jeweiligen Unterrichtsministerien zu sein. Denn das Bibliothekswesen liegt so ziemlich überall – Schreiber dieses redet als Fachmann – stark im Argen. Valentinelli war, wie es sich von selbst versteht, Mitglied mehrerer gelehrter Vereine und Akademien, seit Juni 1864 auch correspondirendes Mitglied (im Ausland) der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien.

Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1. Jänner 1875, Beilage, Nr. 1: „Giuseppe Valentinelli“. Von Georg Martin Thomas. – Almanach der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (Wien, Staatsdruckerei, 8°.) XXV. Jahrg. (1875) S. 153.