Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 3 (1858), ab Seite: 65. (Quelle)
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Csoma, Alexander (Reisender und Orientalist, geb. zu Körös in Siebenbürgen 1798, gest. zu Darjeeling[WS 1] in Bengalen 11. April 1842). C. gehörte dem Volksstamme der Szekler an. Er genoß eine sorgfältige Erziehung, legte 1812 bis 1815 in dem Bethlen’schen Collegium zu Nagy-Enyed seine philologischen und theologischen Studien zurück, unternahm sodann eine Reise nach dem nördlichen Deutschland und hörte 1816 bis 1818 mehrere Collegien, unter andern auch den berühmten Blumenbach auf der Universität Göttingen, zu welchem Zwecke er von der hannover’schen Regierung Freitisch erhielt. Eine Aeußerung Blumenbachs, daß die Ungarn wahrscheinlich von dem in chinesischen Annalen oft erwähnten Volk der Ugyuren abstammten, [66] soll ihn zu dem Entschlusse geführt haben, jenen angeblichen Urstamm der Magyaren und deren ursprüngliches Vaterland im Inneren Asiens aufzusuchen. Nach seiner Zurückkunft aus Deutschland begab sich C. nach Temesvár, widmete sich bis Nov. 1819 dem Studium des dortigen slavischen Idioms und unternahm in dieser Zeit eine Reise nach Agram, um andere slavische Mundarten zu studiren. Philologie, Geschichte, Erd- u. Völkerkunde waren nun die Gegenstände seiner Studien und hingen mit seinem Entschlusse, den Orient zu bereisen, zusammen. Ende Nov. 1819 reiste C. nach Bucharest und begab sich von da, nachdem er sich einige Kenntniß der türk. Sprache eigen gemacht hatte, 1820 über Rustschuk und Sophia nach Philippopolis und Enos. Von dort segelte C. auf einem griechischen Schiffe nach Alexandrien in Egypten, verließ es jedoch der plötzlich ausgebrochenen Pest wegen bald wieder, und schiffte nach Larnica in Cypern, Sidon, Beirut, Tripolis und Ladakia ein und von dort reiste er weiter zu Fuß nach Haleb (Aleppo) in Syrien. Auf gleiche Weise reiste C. in morgenländischer Tracht mit mehreren Caravanen über Urfa nach Moßul und von da auf einem Flosse nach Bagdad. Hier erhielt er durch den Secretär des engl. Residenten Geld und Kleider und reiste sodann in europäischer Tracht zu Pferde mit einer Caravane weiter über Kermanschah und Hamadan nach Teheran, der jetzigen Hauptstadt von Persien, wo er im Oct. 1820 anlangte und sich des besonderen Schutzes und der Unterstützung des dortigen engl. Residenten Sir Henry Willock zu erfreuen hatte. C. verweilte 4 Monate zu Teheran, wo er sich sowohl mit der persischen Sprache bekannt machte, als auch in der englischen vervollkommnete, sowie nebenbei viele antiquarische und numismatische Forschungen unternahm. Den 1. März 1821 verließ C. Teheran und reiste im April dess. Jahres, als Armenier gekleidet, nach Meschid in Chorassan. Von da setzte er seine Reise weiter über Buchara, Balck, Kalun und Bamian nach Lahore fort und begab sich bald darauf über Amwilisir und Dschemna nach Kaschemir, von dort nach einem Aufenthalte von einem Monate nach Leh, der Hauptstadt von Ladakh, kehrte aber auf die Nachricht, daß die Reise nach Yerkand, welche er vorzunehmen Willens war, besonders für Christen schwierig, kostspielig und gefahrvoll sei, wieder nach Lahore zurück und traf zu Himbay den berühmten Reisenden Moorcroft, den er auch auf dessen Rückreise nach Leh begleitete, wo sie gegen Ende August 1822 anlangten. Hier machte sich C. auch durch dessen Beihilfe mit der persischen und tibetanischen Sprache bekannt. Den folgenden Winter brachte er in Gesellschaft des engl. Reisenden Georg Trebek in Kaschemir zu und setzte seine Sprachstudien fort. Durch Moorcroft mit Geldmitteln und Empfehlungsbriefen an verschiedene Lama’s versehen, reiste C. nach Leh und Yongla und begab sich endlich in’s Kloster Zimskar in Kanam am obern Sudletsch, etwa acht Tagereisen südlich von Leh, 9000′ über der Meeresfläche, wo er gründlicher dem Studium der tibetanischen Sprache oblag. Hier betrieb er es viele Jahre hindurch unter Leitung eines gelehrten Lamas mit beispielloser Ausdauer, Winters im ungeheizten Zimmer, bei einer Kälte von durchschnittlich mehr als 14° R., in Schaffelle gehüllt, bis er sich endlich vollkommen zum Herrn jener absonderlichen Sprache gemacht, von der die früheren Besucher Tibets, z. B. der Missionär Georgi, ein solches Zerrbild entworfen hatten, daß selbst die größten Forscher und Sprachgenies, wie A. Remusat u. Klaproth, mit demselben nichts anzufangen gewußt. Wovon er während [67] dieser Zeit gelebt, ist ein Räthsel. Unterstützungen von Privatpersonen, selbst wenn sie ihm auf die zarteste Weise, wie z. B. von Fräser und Moorcroft, angeboten wurden, schlug er aus, erklärte indessen, daß er von der Regierung und jedem öffentlichen Institute Geld annehmen wurde, wenn diese glaubten, daß seine Studien von reellem Nutzen und der Aufmunterung werth seien. In der Sitzung der asiatischen Gesellschaft zu Calcutta vom 2. Juli 1829 wurde seiner und seines enormen Fleißes, seiner Armuth, seines unbeugsamen Stoicismus gedacht, und zugleich die Summe seiner Bedürfnisse verlesen, welche sich monatlich auf 50 Rupien (Gulden Conv. Münze) belief, wovon 25 für den Lama, seinen Lehrer. Durch Acclamation wurde ihm das Doppelte derselben bewilligt; C.’s Stolz wies es zurück, da in dem Schreiben der Gesellschaft nur seiner „hilfsbedürftigen Lage“, nicht aber der Früchte, die man von seinen Studien erwarte, gedacht war. Dagegen nahm er eine kleine Pension von Seiten des Generalgouverneurs Lord Amherst an. Nach Beendigung seiner Studien begab er sich nach Calcutta. C. hatte sich eine grammatisch-gründliche Kenntniß der tibetanischen Sprache verschafft, und sich mit vielen literarischen Schätzen bekannt gemacht, die in 3–400 großen gedruckten Bänden, als der Basis aller tibetanischen Religion und Gelehrsamkeit niedergelegt waren; auch unternahm er das Riesenwerk, diese sämmtlichen voluminösen Bände in derselben Ordnung, in welcher sie in dem gedruckten Index verzeichnet stehen, abschreiben zu lassen. Auf die Empfehlung Moorcrofts sich berufend, bot er der Regierung zu Calcutta seine Dienste in wissenschaftlicher Hinsicht an, besonders zur Erforschung der tibetanischen Sprache und Literatur. Unter den Auspicien der dortigen asiatischen Gesellschaft beschäftigte er sich mit der Ausführung seiner umfassenden literarischen Arbeiten und gab heraus: „A grammar of the tibetan language“ und „Essay towards a dicitonary tibetan and english“ [enthält gegen 40,000 Worte]. Beide Werke erschienen auf Kosten der englischen Regierung zu Calcutta 1834; auch veröffentlichte er die Analyse des „Kand jour“, das ist die aus den heiligen Büchern der Tibetaner gezogenen Grundlehren ihrer Religion. Das Tibetanische ist eine der schwersten Sprachen der Erde, ihre Laute wie beispielsweise: bkraschisjuchosdzong [der Name der Hauptstadt Butans, woraus die Engländer Tassisudon gemacht] oder tschulkhrimsrgyamthso [der Name des damaligen Dalai Lama] sind halsbrecherisch, aber C. hatte sich die Sprache mit solcher Gründlichkeit angeeignet, daß die gelehrten Priester Tibets selbst über dessen Kenntnisse staunten. Um seine philologischen Kenntnisse zu erweitern, beschloß C. nach Sikkem, der Name eines kleinen Ländchens in den südlichen Thälern des Himalaya, zu reisen, und dann durch Hilfe des dortigen Königs nach Lassa, der Hauptstadt des östlichen Tibet und dem Sitze der tibetanischen Gelehrsamkeit zu kommen, wo er wichtige Documente für die tibetanische Literatur vermuthete. Schon war er in Darjeeling[WS 1] 24. März angekommen und durch Vermittlung des englischen Agenten daselbst, A. Campbell, gewärtig, daß ihm der Gielpo von Sikkem (der König) zu seiner weitern Reise allen Vorschub leisten würde, als er bald nach seiner Ankunft erkrankte und schon nach wenigen Tagen am 11. April dem bösartigen Fieber jener Gegenden erlag und am 12. in Gegenwart aller Engländer bestattet wurde. [Ueber sein Monument siehe in den Quellen.] Die hinterlassenen Effecten von C. bestanden in vier Kisten mit Büchern und Papieren, in Einem altmodischen blauen Anzug, welchen er stets trug und in welchem [68] er starb, in einigen Hemden und in Einem metallenen Kochgeschirre. Seine Nahrung bestand in Thee, welchen er sehr liebte und in einfach gekochtem Reis, von welchem er jedoch nur wenig aß. Auf einer Strohmatte mit einer Fächerkiste an jeder Seite saß er, aß er, schlief er und studirte er, er entkleidete sich nie, weder bei Tag noch bei Nacht und ging selten bei Tag aus seiner Wohnung. Er trank nie Wein oder irgend ein geistiges Getränk, noch rauchte oder schnupfte er Tabak, oder machte von irgend einem andern in Indien gewöhnlichen Getränke, wie Opium, Bany oder Saodschi, Gebrauch. So hatte er ein Leben voller Entbehrungen, Beschwerden und Mühseligkeiten geführt, ohne den eigentlichen Zweck desselben, nämlich Gewißheit über die Abstammung seines Volkes erreicht und kaum mehr gewonnen zu haben, als die Kenntniß eines verdorbenen Sanscrit, da die tibetanische Sprache nur in einem untergeordneten Verhältnisse zum Sanscrit steht. Sein Nachlaß bestand außer den erwähnten vier Kisten mit Büchern und Schreibrequisiten in indischen Staatspapieren auf 5000 Rupien, in 300 Rupienbanknoten, in 224 Rupien in verschiedenen Münzen und aus 26 in seinem Leibgurt eingenähten Ducaten. Er hatte verfügt, als er Calcutta in der ersten Hälfte des Monats Februar verließ, daß die daselbst gerichtlich niedergelegten Staatspapiere auf 5000 Rupien lautend, in dem Falle, daß er von seiner Unternehmung nach Tibet nicht zurückkehre, der asiatischen Gesellschaft in Calcutta als Eigenthum übergeben werden sollten, damit diese sie zu irgend einem liter. Zwecke verwende. Im J. 1836 hatte C. an die magyarische Akademie 20 Exemplare seiner tibetanischen Grammatik und seines Wörterbuches geschickt, wovon Eines für die Akademie, Eines für die Universitätsbibliothek, acht für einige königl. Akademien, reformirte Collegien und protestantische Lyceen und zehn für Siebenbürgen bestimmt waren. In der langen Vorrede seiner Grammatik gibt er schätzbare Aufschlüsse über seine tibetanischen Studien und über die Unterstützung, die er im Oriente fand. Das Ergebniß seiner Forschungen ist, daß die tibetanische Literatur durchaus indischen Ursprungs, die vielen in ungeheuren Bänden aus allen Zweigen der Wissenschaft geschriebenen Werke treue Uebersetzungen aus Sanscrit-Originalen sind. C. hielt für seine Landsleute das Studium des Sanscrit für viel fruchtbarer, als für andere europäische Völker. Die Magyaren würden dadurch reiche Aufklärung über ihre Herkunft, Gewohnheiten, Kleidung und Sprache erhalten. Auch ist der Bau des Sanscrit wie der übrigen indischen Dialecte jenem der magyarischen Sprache sehr ähnlich. In der magyarischen Sprache bedient man sich wie im Sanscrit statt der Vorwörter gewöhnlich der Nachwörter mit Ausnahme der persönlichen Fürwörter, welchen sie vorgesetzt werden. Auch bildet man in beiden Sprachen ohne Beifügung eines Hilfszeitwortes, blos durch Hinzufügung von Silben verschiedene Arten von Zeitwörtern. Auf dem Titelblatte seiner zwei Werke der Grammatik und des Wörterbuches nennt er sich: Alexander Csoma de Körös, Siculo-Hungarian of Transilvania Treffend schreibt Einer seiner Biographen: „Ob der Schwierigkeit der (tibetanischen) Sprache und wegen der Unzugänglichkeit des Landes ist denn auch dieses Idiom den Europäern sehr spät eröffnet und erst vor einigen zwanzig Jahren erobert, ja wohl erobert worden, freilich von einem unblutigen Eroberer, einem Helden ohne Mordwerkzeuge, der aber, wenn man den Mann nur nach der eisernen Kraft seines Willens beurtheilt, nach der Energie, mit der er seinem vorgesteckten [69] Ziele nachgestrebt, keinem Entdecker und Eroberer, meinetwegen weder Columbus noch Alexander weicht. Es ist auch ein Alexander, nämlich Alexander Csoma“.

Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst (Wien 1826, 4°.) XVII. Jahrg. Nr. 89, 90, S. 479: „Reisen eines Siebenbürgers in Tibet.“ – Quarterly oriental magazin (Kalkutta 1825) Märzheft. – Oestr. Beobachter 1842: „Nekrolog“ von K. Freiherrn von Hügel. – Mainzer Unterhaltungsblatt 1842, Nr. 235–237: „Alexander Czoma (sic) de Körös.“ – Tudományos Gyüjtemeny 1826, 9. Heft. – Weser Zeitung 1856, Nr. 3830 im Feuilleton: „Orientalia“ – Wanderer (politisches Blatt in Wien, Fol.) 1856, Nr. 158: „Die Ausdauer des Ungarn Sandor Csoma“ [dasselbe nachgedruckt in der „Transsilvania“, Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1856, Nr. 16 und in den „Blättern f. Geist, Gemüth u. Vaterlandskunde“ (Kronstadt, 4°.) 1856, Nr. 16. – Revue de deux mondes 1. Juillet 1847. – Ujabb kori ismeretek tára, d. i. Ungar. Conversations-Lexikon der neueren Zeit (Pesth 1850, Heckenast) II. Bd. S. 281. – Oestr. National-Encyklopädie (von Gräffer und Czikann), (Wien 1835 u. f., 6 Bde.) I. Bd. S. 639 [nach diesem geboren 1797]. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für gebildete Stände (Hildburghausen 1842, Bibl. Inst., Lex. 8°.) VII. Bd. 3. Abth. S. 375. Wigands Conversations-Lexikon für alle Stände (Leipzig 1847, O. Wigand, Lex. 8°.) I. Bd. S. 662. – Conversations-Lexikon der neuesten Zeit und Literatur. In vier Bänden (Leipzig 1832, Brockhaus, gr. 8°.) I. Bd. S. 548. – Grabesmonument. In Darjeeling[WS 1] ließen ihm seine Collegen in der asiatischen Gesellschaft zu Calcutta ein Monument errichten, mit folgender Inschrift: H(ic) J(acet) Alexander Csoma de Körösi a native of Hungary – who to follow on philological researches resorted to the east, and after years passed under privations, such as have been seldom endured, and patient labour in the cause of science, compiled a Dictionary and Grammar of the thibetan language this best and real monument. On his read to Lassa, to resume his labours, he died at this place on the 11 April 1842 aged 44 years. – His fellow labourers in the asiatic society of Bengal, inscribe this tablet to his memory – Requiescat in pace. – [Er wird öfter in der Schreibweise Czoma, welche irrig ist – die richtige ist Csoma – aufgeführt. Körös ist nicht das Prädicat seines Namens, sondern nur der Name seines Geburtsortes.]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. a b c Vorlage: Darjenling.