BLKÖ:Berzsenyi, Daniel

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 1 (1856), ab Seite: 344. (Quelle)
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Berzsenyi, Daniel (lyrischer Dichter, geb. zu Hetye im Eisenburger Comitat 7. Mai 1776, gest. zu Nikla 24. Febr. 1836). B. war in seiner Kindheit kränklich und schwächlichen Körperbaues, daher war sein Vater mehr für die Entwickelung seiner körperlichen als geistigen Kräfte besorgt, und kräftigte ihn durch verschiedene Leibesübungen und [345] Abhärtungen so sehr, daß des Knaben Lebhaftigkeit und Unbändigkeit fast unerträglich wurden. In seinem 10. Jahre schickte man ihn nach Oedenburg in die evang. Schule, wo er seine ihm vorausgekommenen Mitschüler bald einholte, während es ihm in gymnastischen Uebungen, im Ringen, Reiten und Schwimmen keiner gleich that. B. wollte nun Soldat werden, sein Vater aber nahm ihn nach Haus, und brachte ihn in einem Jahre auf das Lyceum nach Oedenburg, wo die Vorträge des damaligen Directors Vietorisz seinem strebenden Geiste eine edlere Richtung gaben. Mit Lust eignete er sich die Regeln der Rhetorik und Poesie, und dabei auch einige Kenntniß der lateinischen Sprache an. Die Kenntniß der deutschen Sprache verdankte er den Oedenburgerinnen, zu denen er sich hingezogen fühlte. Unter diesen Umständen entwickelte sich seine poetische Begabung, und in seinem 18. Jahre schrieb B. das erste Liebeslied. Sein Vater, der an dieser poetischen Richtung kein Behagen empfand, wollte aus ihm einen Landwirth machen, und gestattete ihm, um jene Neigung zu unterdrücken, nur Prosaiker zu lesen. B. las aber verstohlenerweise in der Nacht, vorzüglich den Horaz, den er sich später zum Vorbild wählte; und wirklich ward er auch Ungarns Horaz. In Folge solchen Selbststudiums war es, daß B. schon im Alter von 21 Jahren (1797), als die magyarische Sprache kaum im Beginne ihrer Entwickelung stand, und die schöne Literatur Ungarns nur untergeordnete Werke aufweisen konnte, classische Oden schrieb, die äußerlich wie innerlich den Stempel der Vollendung an sich tragen. Bis zu seinem 25. Jahre schrieb er die meisten und besten Gedichte. Zum erstenmal erschienen dieselben im J. 1813. Das Manuscript seiner gesammelten Gedichte kam 1808 zum erstenmal in die Hände Johann Kis, dann in die Hände Kazinczy’s, der davon hingerissen wurde. Die Herausgabe der Gedichte ward nach freiwillig erfolgten Beiträgen, besonders von Seite der Zöglinge des Pesther Seminars, zur Bestreitung der Verlagskosten, durch Michael Helmeczy, unter dem Titel: „Berzsenyi Dániel versei“, d. i. Gedichte des Daniel Berzsenyi (1813), mit dem Porträt des Dichters und einigen vom Verfasser nicht gebilligten Aenderungen besorgt. Die ersten 500 Exemplare waren in kurzer Zeit vergriffen, – was zu jener Zeit etwas bedeuten sollte, – und 1816 war eine zweite Auflage erforderlich. Ein von Franz Kazinczy gepriesenes, philosophisch-religiöses Werk in Prosa konnte wegen des freien Geistes, der darin wehte, nicht herausgegeben werden. 1815 schrieb B. ein Theaterstück, dessen Thema der Aufruhr Kupa’s gegen Stephan den Heiligen war, welches Stück auch noch nicht gedruckt erschienen ist. Nun wurde B. von Melancholie und andern körperlichen und geistigen Uebeln befallen, woran er mehrere Jahre hindurch hart litt. In diesem Leiden traf ihn Kölcsey’s überstrenge Kritik seiner Gedichte. Die Art und Weise der Kritik kränkte den Dichter sehr, und er schrieb in einer fieberhaften Aufregung eine leidenschaftliche Gegenkritik, worin auch er die Gränzen überschritt. Gegen 1825 begann seine zerrüttete Gesundheit sich zu bessern; aber seine Muse war verstummt oder sang doch nicht mit jener Begeisterung wie einst. 1830 wurde er zum ordentl. Mitglied der ung. Akademie gewählt, und schrieb nun ästhetische und philosophische Abhandlungen, welche tiefe Denkkraft, reines, scharfes Urtheil und große Belesenheit beurkunden. 1832 kam er zur großen Versammlung der ung. Akademie nach Pesth, und traf hier mit Baron Nikolaus Wesselényi zusammen, der als 18jähriger Jüngling, [346] begeistert durch die vortreffliche Ode an den Tod seines Vaters, ihn persönlich aufgesucht hatte. Auch Graf Stephan Széchenyi trat mit B. in ein freundschaftliches Verhältniß. Den Versammlungen von 1834 und 1835 wohnte B. wieder bei, und wollte jetzt Buda-Pesth zum beständigen Wohnorte wählen, als ihn 1836 zu Nikla, wo er ein ansehnliches Gut besaß, der Tod ereilte. Er hinterließ drei guterzogene Söhne und eine geistvolle Tochter. Gabriel Döbrentei, einer von B.’s geliebtesten Freunden, besorgte 1842 eine neue vollständige Ausgabe der Gedichte und der prosaischen Arbeiten B.’s, denen er interessante biographische Daten und einen kritischen Anhang beifügte. B. zählt zu den originellsten und wirkungsvollsten Dichtern seines Vaterlandes, und seine patriotischen Oden durchweht Pyndars und Horazens Geist. Es charakterisirt dieselben tiefes Nationalgefühl, reiche schwungvolle Phantasie und eine gewaltige Sprache. Mit prophetischem Geiste blickt B. in die Zukunft, und seine patriotischen Gesänge, in ihrer classischen Einfachheit und Kraft, trugen wesentlich zur Entwickelung des magyarischen Nationallebens bei. Der in seinen Gedichten durchbrechende wissenschaftliche Geist war die Frucht nächtlicher Studien; den Tag über besorgte er seine Geschäfte, und schrieb alle Gedichte in der Nacht, im Verborgenen, so daß selbst seine Gattin nicht darum wußte. Die Kritik nennt B. den Pindaros in ungar. Sprache, und vergleicht ihn seinem poetischen Charakter nach mit Filicaja und Graf Platen. B.’s wunderbare „Ode an die Ungarn“ welche im Originale in allen Schulen Ungarns declamirt wird, übersetzten in’s Deutsche G. Stier, Vasfi und Benkő.

Toldy (Franz), Handbuch der ungarischen Poesie. In Verbindung herausgegeben mit Julius Fenyéry (Pesth und Wien 1828, Kilian u. Gerold, 8°., 2 Bde.) II. Bd. S. 60 und Anhang S. 422. – Tóth (Lörincz), Nemzeti kepes naptár 1857-dik közönseges evre, d. i. National-Bilderkalender für das Jahr 1857 (Pesth, Landerer u. Heckenast, 4°.) II. Jahrg. S. 111 mit B.’s trefflich xylographirtem Porträt. – Ujabb kori ismeretek tára, d. i. ungar. Conversations-Lexikon der neueren Zeit (Pesth 1850, Heckenast) I. Bd. S. 544. – Kertbény (K. M.), Album hundert ungr. Dichter (Dresden und Pesth 1854, 16°.) S. 64 u. 492. – Oestr. National-Encyklopädie (von Gräffer und Czikann), (Wien 1835, 6 Bde.) I. Bd. S. 263, – (Brockhaus) Conversations-Lexikon (10. Aufl.) II. Bd. S. 596. – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoffer (Paris 1853) V. Bd. Sp. 785. – Sein Porträt vor der Ausgabe seiner Gedichte von Helmeczy (1816) und in Toths Nemzeti kepes naptár 1857-dik.