Bühnen-Erinnerungen/5. Auch etwas aus alten Theaterzeiten

Textdaten
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Autor: Wilhelm Marr
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Titel: Bühnen-Erinnerungen
5. Auch etwas aus alten Theaterzeiten
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 202–204
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Bühnen-Erinnerungen.


5. Auch etwas aus alten Theaterzeiten.


Von W. Marr.


Nichts widerstrebt einem modernen Schriftsteller so sehr, als eine Arbeit mit einem Gemeinplatze zu beginnen. Es ist das so billig, so bequem, aber es klingt in unseren Tagen für jeden feingebildeten Leser doch oft geradezu unschön. Wüßte ich daher nur, wie ich mit guter Manier den sich mir gewaltsam in die Feder drängenden Gemeinplatze: „dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze“ los würde! – Aber – da steht er ja schon auf dem Papiere. – Lassen wir ihn stehen, und verzeihe ihn mir der Leser!

Er drängte sich, wie gesagt, mir auf, der Gemeinplatz, als ich unlängst im Conversationslexikon von Brockhaus (ja wohl! von Brockhaus!), Ausgabe 1866, einige Daten, die mir entfallen waren, über den Sänger Julius Cornet nachschlagen wollte. Er stand nicht darin, der größte „Masaniello“ seiner Zeit, größer noch als Nourrit in Paris, für den Auber den Part componirt hatte. Sein derzeitiger Rival Bader, weit unter Cornet stehend in allen französischen charakterisirenden Opernpartien, erfreut sich eines ziemlich ausgedehnten Raumes. Cornet, die Zierde des Hamburger Stadttheaters, später dessen Director mit Mühling zusammen, dann artistischer Director der Wiener Hofoper – die in Rede stehende Ausgabe des Conversationslexikons schweigt über ihn. Es ist nicht die Schuld des Verlegers, sondern mehr die der Redaction. Wir von der Journalistik wissen ja, „wie’s gemacht wird“, wie die Virtuosen und Reclamehelden nie blöde sind, wenn es gilt, sich vorzudrängen, wie unzählige schon bei Lebzeiten „berühmt“ werden, während die Altmeister der Kunst warten müssen, bis sie eine mitleidige Feder nach dem Tode wieder zu Ehren und der Nachwelt in’s Gedächtniß bringt, was sie bei Lebzeiten waren. Ein gesanglicher und schauspielerischer Darsteller von Partien, wie Masaniello, Zampa, Fra Diavolo, Maurer, ein Opernregisseur, wie es keinen Zweiten gab, das war Julius Cornet, der halbe Welschtiroler, denn irre ich nicht, so ist Meran seine Heimath.

Bader z. B. sang die Schlummerarie in der „Stummen von Portici“ hinreißend schön, zehnmal schöner als Cornet, allein in dem ganzen dramatischen Theile der Rolle überragte ihn Cornet bedeutend. In der Wahnsinnsscene wurde Bader geradezu komisch. Georges Brown in der „Weißen Dame“ ist nur von Roger nach Cornet erreicht worden. Es giebt aber einen pietätvollen Bruchtheil im Publicum, und diese alten Herren und alten Damen werden mir freundlich zulächeln, wenn ich den Namen Julius Cornet nenne.

Aber ich nenne ihn gerecht und füge hinzu: er war abscheulich in allen Bellinischen Opern, das gesprochene Recitativ stand ihm, wie „Manschetten unserem Kater“, und die guten Braunschweiger irrten gewaltig, wenn sie sagten: „Wenn unser Cornet mäl keine S-t-imme mehr hat, dann wird er noch ein guter Schau-s-pieler.“ Nein! die gesprochene Rede stand ihm nicht zu Gebote, aber wo er singen konnte, da sang er darstellerisch. Nicht wahr, Ihr alten Theateronkel und Theatertanten, ich habe Recht?

Als er, es war in den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts, in Braunschweig engagirt war, hatte er natürlich die Opernregie. Es existirten damals vier Regisseure: Cornet für die Oper; für die Tragödie, Schau- und Lustspiel Heinrich Marr, Kettel und Gaßmann. Eigentlich aber nur zwei, Cornet und Marr, denn der heißblütige Marr, der keine Arbeit scheute in seinem Berufe und in diesem oft zum Fanatiker wurde, war – Dank der Bequemlichkeit seiner Collegen – das Factotum der nicht musikalischen Regie. Anfangs standen Cornet und Marr in dem zärtlichen Verhältniß zu einander, in dem Katze und Hund zu stehen pflegen. Der etwas sehr gallige Cornet bildete sich steif und fest ein, Marr wolle die Oper unterdrücken, zumal die Casseneinnahmen in jener Zeit dem Schauspiele günstiger waren als der Oper.

Wie es aber bei allen ganzen und vollen Charakteren zu gehen pflegt, wurden die Beiden, nachdem sie sich eine Zeitlang angeknurrt hatten, die besten Freunde. Diese Freundschaft ging zuletzt so weit, daß Marr Cornet half, die Oper zu insceniren, und Cornet sich nicht nur herbeiließ, für Immermann’s Trauerspiel in Tirol das reizende Lied:

„Ein Franzose wollte jagen
Eine Gemse silbergrau“

zu componiren, sondern auch in der Tragödie selber mit agirte und das Liedchen sang. Diese seltene Freundschaft zweier künstlerischer Extreme dauerte bis zum Tode Cornet’s. Sie gab in der Theaterwelt Gelegenheit, die beiden Dioskuren, deren Verbissenheit in ihrem Berufe bekannt war, „Barbarino“ und „Malvolino“ zu nennen, und zwar nach den beiden Banditen aus „Stradella“.

Ein seelensguter Schriftsteller in Hamburg hatte den Witz gemacht, und die Getroffenen waren die Ersten, die ihn belachten. Plaudern wir uns jetzt in das Jahr – ich weiß nicht, war es 1836 oder 1837 – zurück. Die genaue Jahreszahl thut in einer Unterhaltungslectüre auch nichts zur Sache. Cornet sowohl wie Marr waren bei Hofe „mißliebig“ geworden. Warum? Sehr einfach, wenn man bedenkt, daß sich das Hofleben jener Zeit wesentlich um das Theaterleben herum concentrirte. Herzog Wilhelm von Braunschweig ist einer der redlichsten Fürsten, welche je auf dem Thron gesessen haben. Ein Charakter ohne Falsch, das Beste seines Landes erstrebend, aber durch eine unglückliche metternich’sche Erziehung scheu und mißtrauisch gemacht. Da begab sich folgender Vorfall. Der Herzog war ein großer Theaterfreund und protegirte die Frau des Capellmeisters Methfessel, die Sängerin dieses Namens.

Während er sich im Zwischenact einer Oper mit dieser auf der Bühne unterhielt, ging der Vorhang in die Höhe, und das Publicum erblickte Fürst und Sängerin in der Conversation. – Aus diesem Zufall, der eine Mücke war, machte die Chronique scandaleuse einen Elephanten. Cornet, so hieß es, habe das Aufgehen des Vorhangs absichtlich zu früh angeordnet. Doch dies war noch nicht Alles. Einige Wochen darauf erschien dieser Vorfall in einer Pariser Zeitung auf das Gehässigste und Obscönste entstellt als „Correspondance de Brunsvic“. Der Verdacht der Autorschaft fiel auf Marr, weil dieser – o Kleinstädterei! – einige Jahre zuvor in Paris gewesen war und mit dem Kammerherrn von Bitter, seinem persönlichen Freunde und Famulus des Exherzogs Karl, verkehrt hatte. Umsonst protestirte Marr gegen diese Insinuation. Der Braunschweiger Hof ließ es sich nicht nehmen, daß Cornet und Marr unter einer Decke gegen den Herzog spielten, daß Jener das zu frühe Aufgehen [203] des Vorhanges im Zwischenact veranlaßt, Dieser die gehässige Correspondenz in das Pariser Journal geschickt habe.

Ich selbst, als Sohn Heinrich Marr’s, nahm bei einer späteren Anwesenheit in Paris (1845) Anlaß, der Sache auf den Grund zu kommen. Meine damaligen politischen Verbindungen erleichterten mir diese Mühe zwar, dennoch blieb dieselbe ohne positives Resultat. Eine Spur ließ mich auf den Grafen M. W. in Braunschweig schließen, der zu den Häuptern der „Carlisten“ des Herzogthums zählte. Eine andere schien anzudeuten, daß der bekannte diplomatische Consulent K. der Sünder gewesen sei. Eine dritte, nach journalistischer Anschauung wahrscheinlichste Spur besagte, daß irgend welche Privatbriefe aus Braunschweig an Herrn von Bitter gelangt seien, und daß dieser in Form einer Correspondenz die harmlose Scenerie ausgebeutet und entstellt habe. So viel kann ich beschwören: Mein Vater, Heinrich Marr, hatte nicht den mindesten, weder directen noch indirecten Antheil an der ganzen Affaire, und diese Affaire, daß der Herzog mit Frau Methfessel im traulichen tête-à-tête erblickt worden sei, ist von A bis Z erlogen. Dennoch lag es in den kleinstaatlichen Verhältnissen der damaligen Zeit, daß man ein concretes Etwas haben mußte für seinen Zorn. Dieses Etwas wurden Cornet und Marr. Die „Haupt- und Staatsaction“ des Hofes spitzte sich in Ermangelung zu lösender großer politischer Fragen in die allerhöchste Ungnade gegen die beiden Regisseure des Theaters zu.

Der Anlaß, wo sie zum Ausbruch kam, trat bald ein. Die Auber’sche Oper „Fra Diavolo“ war neu einstudirt worden. Cornet, zu dessen unerreichten Glanzpartien die Titelrolle gehörte, hatte die Inscenirung mit dem ganzen Eifer seines Wesens bewerkstelligt, und auf den Proben ging Alles, wie es in der Theatersprache heißt, „wie am Schnürchen“. Der Abend der Aufführung war da. Der Beifall des Publicums war stürmisch. Da, am Schlusse des letzte Actes, als Cornet als Fra Diavolo aufgetreten war, schoß ein Statist, der einen der Dragoner darzustellen hatte, sein Gewehr einige Minuten zu früh auf ihn ab. Das Publicum lachte; die ganze Illusion der Scene war zerrissen. Unser Cornet – nach einem hörbaren, nicht wiederzugebenden Kernfluche – wirft sein Gewehr wüthend auf den Boden und geht ab. Tumult auf der Bühne und im Auditorium. Der Vorhang muß fallen; die Vorstellung ist gestört. Die ganze Residenz, in welcher das Theater den Mittelpunkt des öffentlichen Lebens bildete, war in Erregung.

Jetzt kommt von oben der Cabinetsbefehl, die Sache auf’s Strengste zu untersuchen und nach der ganzen Strenge der Gesetze zu ahnden.

Guter Rath war theuer. Der damalige Intendant des braunschweigischen Hoftheaters, Herr Baron Kammerherr von Münchhausen, schätzte Cornet seiner große Verdienste wegen und sah ihm manche Ausschreitungen seines heftigen, leidenschaftlichen Temperamentes nach. Diesmal aber war es zu stark. Die Unmöglichkeit, ihn nach dem Vorgefallenen zu halten, war eine allgemeine Ueberzeugung geworden. Außerdem war auf Specialbefehl des Hofes die Niedersetzung einer Commission befohlen worden, die den Sänger und Opernregisseur richten sollte. Die Commission bestand aus den Regisseuren Marr, Kettel und Gaßmann, sowie aus noch zwei anderen Mitgliedern der Bühne, deren Namen mir entfallen sind.

Es liegt bekanntlich in der menschlichen Natur, daß Hervorragung des Talents und der Arbeitskraft das Gefühl bewußten und unbewußten Neides erregt, und die völlig selbstlosen Charaktere sind an den Fingern herzuzählen. So war die Commission, welche über Cornet zu Gericht zu sitzen beordert war, mit Ausnahme Marr’s, aus instinctiven Gegnern des Verbrechers zusammengesetzt. Selbst der gutmüthige, joviale „alte Gaßmann“, mit seinem untermischten Plattdeutsch in der Unterhaltung, hätte schon aus Behäbigkeit keine Lanze für den Angeklagten gebrochen. Mit einer gewissen steifen Feierlichkeit empfing der Intendant die Jury und den Angeklagten im Intendanturbureau. Der Baron von Münchhausen trug den alten bekannten Fall nochmals objectiv vor; der Theaterconsulent, Dr. Duroi, ergriff die Feder zur „Führung des Protokolls“. – In jener Zeit grassirte die morbus parlamentaris noch nicht wie heute. Die Formalitäten, wo Einer um’s Wort bittet, ein Andrer Anträge, ein Dritter ein Amendement dazu, ein Vierter ein Subamendement zum Amendement stellt etc., waren ausgeschlossen. Alles geschah mehr en famille und patriarchalisch. Als der Intendant daher seinen Vortrag geendet hatte, erschöpften sich die Herren Geschworenen in Versicherungen des Bedauerns, daß sie über den „so lieben und werthen Collegen“ richten sollten.

„Mien leewe Cornet! Wenn der Herzog nur nicht –“ sagte Gaßmann.

„Seine Durchlaucht zwingt uns –“ meinte Kettel.

„Daß die Geschichte doch nur ganz am Schlusse der Vorstellung passirt wäre!“ rief ein anderer College.

„Oder lieber auf der Probe!“ brummte Marr ironisch vor sich hin.

So ging es fünf Minuten fort, bis Münchhausen die Herren ersuchte, sich formell auszusprechen.

Neues Bedauern. Neue Betheuerungen collegialischer Gesinnungen gegen den Angeklagten. Keiner wollte definitiv mit der Sprache heraus.

Da nahm Marr das Wort und verlangte, daß man zur Sache kommen sollte. Er schlug vor, daß Jeder der Reihe nach seine Meinung zu Protokoll gebe, und forderte Gaßmann als den Aeltesten auf, zu reden. Der Intendant machte den Vorschlag zu dem seinigen, und der Rechtsconsulent erklärte ihn als correct und geboten.

„Papa Gaßmann“ aber und die Uebrigen protestirten dagegen.

„Ich bin der jüngste Regisseur und das zweitjüngste Mitglied des Theaters hier,“ sagte Marr, „die Reihe ist an dem Aeltesten.“

Einstimmig forderte man jetzt Marr auf zu sprechen, und die Herzlichkeit der Collegialität wurde abermals mit einem fensterklirrenden Pathos betont.

„Schreiben Sie!“ sprach Marr zu Dr. Duroi.

Athemlose Stille.

Marr dictirte: „Ich erkläre hiermit, daß ich die Handlungsweise des Herrn Julius Cornet in der ††† Scene des dritten Actes der Oper ‚Fra Diavolo‘ unbedingt strafbar – – Haben Sie ‚strafbar‘?“ wandte er sich an den Protokollführer.

„Ja.“

„Strafbar, aber in jeder Beziehung erklärlich finde, indem der darstellende Künstler auf der Bühne nicht nur ein anderer Mensch als im gewöhnlichen Leben sein soll, sondern, wo er dazu noch Regisseur ist und sein künstlerisches Werk auch als solcher durch eine von ihm nicht verschuldete Handlung Anderer zusammenbrechen sieht, sehr wohl von seiner künstlerischen Stimmung fortgerissen werden kann. Ich füge hinzu, daß, so strafbar an sich ich die Handlungsweise des Herrn Cornet finde, ich keinen Anstand nehme zu erklären, daß ich in einem analogen Falle als Künstler und Regisseur nicht für mich einstehen könnte, ebenso – allerdings straffällig – zu handeln, wie es Herr Cornet gethan hat.“

Allgemeines Perplexsein.

„Ja, wenn man die Sache so auffaßt!“ verrieth Kettel seine geheimsten Gedanken.

„Ja, richtig is dat woll, aber –“ meinte Gaßmann.

„Mit dieser Erklärung wird sich Seine Durchlaucht nicht begnügen,“ sagte ein Dritter.

„Es ist meine persönliche Ansicht als Künstler und Regisseur,“ erklärte Marr. „Ich denke, wir sollen hier als Künstler urtheilen.“

„Sie haben es gehört, meine Herren,“ sagte der Intendant. „Herr Gaßmann, an Ihnen ist jetzt die Reihe.“

Gaßmann sah nach rechts und links, dann sprach er: „Als Künstler und Regisseur schließe ich mich dem Urtheile des Herrn Marr an.“

„Dann bitt’ ich, für mich dieselbe Erklärung abzugeben,“ sprach Kettel.

Die anderen zwei Collegen bequemten sich als „Künstler“ ebenfalls beizustimmen.

Dem Intendanten fiel ein Stein vom Herzen. Cornet war für dieses Mal gerettet. Der Baron dankte den Herren und wollte sie entlassen.

„Wir sind noch nicht fertig.“ nahm Marr das Wort.

„Wie so?“ fragte der Baron.

„Nach Paragraph (?) unserer Theatergesetze ist Herr Cornet [204] in eine Strafe verfallen, wegen Störung einer Vorstellung. Diese Strafe besteht, da sie zum ersten Male bei Herrn Cornet in Anwendung kommt, in einer Geldbuße von achtzehn Gutegroschen.“

„Soll das in’s Protokoll hinein?“ fragte Münchhausen erstaunt.

„Allerdings,“ versetzte Marr. „Der Herzog verlangt von uns streng sachliches Urtheil. Wir haben das Benehmen des Herrn Cornet für strafbar befunden und es nur als begreiflich erklärt. Dieser mildernde Umstand für den Künstler und Regisseur schließt die Strafbarkeit nicht aus. Dem Gesetze muß sein Recht werden, und ich verlange als Regisseur, der für die Aufrechthaltung der Theatergesetze mit verantwortlich ist, daß Herr Cornet die Strafe zahlt und daß im Protokoll davon Erwähnung geschieht. Gerade weil Seine Durchlaucht unser Protokoll verlangt hat.“

„Summum jus summa injuria.“ Correct in der Sache, ja, nach formellen Rechtsbegriffen unumgänglich nothwendig, mußten jene achtzehn Gutegroschen noch zu einer ‚Maus‘ der Ironie des ‚geschwollenen Berges‘ der Ungnade des Hofes werden. Man wollte Cornet mit Eclat stürzen und ‚achtzehn Gutegroschen Strafe‘ war die Antwort, welche dem Hofe einstimmig ertheilt wurde.

Kopfschüttelnd bequemte sich der Intendant diese Procedur protokolliren zu lassen. Dann hob er die Sitzung auf.

„Sie, Herr Intendant!“ sagte Cornet, der mit Marr bis zuletzt geblieben war, „das müssen’s doch sagen: Der Marr und ich, mir sein die einzigen G’scheidten bei der ganzen Bande.“

Diese Aeußerung kam allerdings nicht „in’s Protokoll“. Die Stimmung, welche dasselbe ohnehin bei Hofe erregte, kann man sich denken.

Wenige Jahre darauf nahm Marr ein Engagement beim Hoftheater in Weimar an, und Cornet übernahm mit Mühling zusammen die Direction des Hamburgischen Stadttheaters.

In den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts sah man Cornet’s Bild als „Masaniello“ auf Bonbons-Umhüllungen, auf Seifen- und Parfümerie-Cartons, auf Taschentüchern etc. Er hatte in seinem Fache einen Ruhm, wie ihn Wenige besessen haben. Er war weder ein Virtuose noch Reclamemacher und mit den Herren Recensenten lebte er auf einem nichts weniger als freundschaftlichen Fuße. – Und heute? – Schier vergessen ist er. Nicht einmal in der Ausgabe des obenerwähnten Conversations-Lexikons hat sein Name einen Platz gefunden. Aber es giebt gewiß noch hier und da manchen „alten Komödianten“, der sich seiner erinnern wird, manchen braven invaliden Capellmeister, der desgleichen thut, und manche alte Herren und ditto Damen, welche über die gute neue Zeit das Gute aus der „alten Zeit“ noch nicht vergessen haben und bei dieser „alten Zeit“ auch noch an Julius Cornet denken. Ihnen drücke ich diese Plauderei freundlich in die Hände.