Textdaten
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Autor: Eduard Schmidt-Weißenfels
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Titel: Aus der Barbierstube
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 430-432
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Aus der Barbierstube.
Von Schmidt-Weißenfels.

Die Ungleichheit der Menschen, wie sie in Eintheilung von Kasten, Ständen und Classen künstlich geschaffen, ist noch niemals von der Weisheit der Natur anerkannt und respectirt worden. Der Trost aller in der Niedrigkeit Geborenen ist es vielmehr, daß Glück, Fleiß, Talent, Genie, eigene Kraft sie zu den Höhen der Menschheit empor zur heben vermögen, wie anderseits erlauchte Geschlechter, welche Kronen getragen, sich in ihren Nachkommen wieder in das Dunkel der menschlichen Gesellschaft verloren haben. Der Letzte des alten kaiserlichen Geschlechts der Komnenen starb vor einigen Jahren zu Mailand in Noth und Elend auf einem Strohsacke; ein Urenkel König Edward des Zweiten war Schlächter, ein anderer Zolleinnehmer, und ein Urgroßsohn Cromwell’s ehrbarer Gewürzkrämer in London. Zahllos sind die Beispiele von Emporkömmlingen, die, aus elenden Hütten hervorgegangen, zu Ruhm und unsterblicher Größe gelangten. Was die Geschichte unter Anderem von solchen Menschen erzählt, die aus der Bescheidenheit der Barbierstube sich emporhoben oder gehoben wurden zu Macht, Glanz, Verdienst und schöpferischer Thätigkeit nach den verschiedensten Seiten hin, bietet überraschende Thatsachen dar.

Niedriger war noch bis in die neueste Zeit kein Handwerk angesehen, als das der Barbiere. Wie sie einst nur Sclaven und Diener waren, so wurde ihr Geschick im Bartscheeren, Haarordnen, im Reinigen der Körper Anderer, in allerlei Hülfsleistungen mit Bürste, Messer und Scheere, nicht anders denn als gemeine Bedientenarbeit aufgefaßt. Erst im elften Jahrhundert, als im westlichen Europa die Bärte so vervehmt worden, daß Niemand mit einem solchen in den Ritterstand erhoben werden sollte, entstand überall eine Vermehrung der Barbiere in den Städten, welcher Umstand dann nach Vorbild der anderen Handwerkszünfte zur Bildung einer corporativen Vereinigung auch der Barbiere führte. Mit ihrer Beschäftigung hing oft das Unterhalten von Badestuben zusammen, deren Benutzung ja im Mittelalter so allgemein war, daß jedes Gewerk an einem bestimmten Tage in der Woche seine Gesellen dahin schicken mußte. Indessen währte es doch bis 1548, daß in Deutschland die Barbiere und Bader vom Reichstage zu Augsburg für frei und zünftig erklärt wurden, wenn ihr Gewerbe auch für ein anrüchiges und niedriges weiter galt. Der Kaiser Leopold erst erklärte die Profession der Barbiere, nachdem sie auch einen ausgeprägteren chirurgischen Charakter angenommen, für eine Kunst und schrieb ihnen als Meisterstück nicht mehr das Scheerenschleifen, sondern die Salbenbereitung und ein anatomisches Examen vor. In Frankreich trennten sich Wundärzte und Perrückenmacher bald von einander; die einen durften ein gelbes, die anderen nur ein weißes Becken vor ihrer Stube aushängen. Doch in Deutschland blieb die Verbindung aller dieser Beschäftigungen zunftmäßig bestehen, und ein Wundarzt mußte z. B. sieben Jahre lang erst Barbier gewesen sein. Die Barbier- und Bader-Ordnungen in den verschiedenen Staaten umschlosen auch die Vorschriften für die Wundärzte, die „den zum Ebenbild Gottes erschaffenen menschlichen Leib unter Händen zu curiren“ haben.

Aus solch einem armseligen Baderstübchen zu Augsburg trat bekanntlich die liebliche Erscheiung der Agnes Bernauer hervor, um als Herzog Albrecht’s von Baiern Geliebte und Gemahlin auf Burg Straubing eine kurze Zeit fürstlichen Glückes zu genießen, bis die Tücke des herzoglichen Vaters sie überfallen und als Zauberin ihr den Proceß machen ließ. An einem Octobertage des Jahres 1435 schleppten die Henkersknechte das schöne Weib gebunden nach der Donaubrücke und warfen sie vor allem Volke in die Fluthen. In Grimm und Schmerz raste ihr Gemahl über diese Unthat seines Vaters, und zeitlebens weihte er ihr ein fromm Gedenken; noch bis heutigen Tages singt das Volk von der Liebe und dem tragischen Geschicke der Baderstochter von Augsburg, und von mehr als einem deutschen Dichter ist sie auf unseren Bühnen verewigt worden.

Fast um dieselbe Zeit wurde in Florenz ein Barbier Namens Burchiello berühmt, weil in seiner Stube sich ein gelehrtes und vornehmes Publicum einfand, das beim Rasirtwerden und Haarestutzen ähnliche interessante Gespräche mit dem witzigen Manne hielt, wie Sokrates und Perikles einst mit dem Schuster Simon in Athen. Der große Cosmo von Medici ließ diese Barbierstube sogar in einem Gewölbe seiner Gallerie bildlich darstellen; eine Seite dies Gemäldes zeigt, wie Burchiello barbirt, die andere, wie bei ihm musiciert und gedichtet wird. Denn er genoß auch als ein Dichter von Satiren, launigen Räthseln und Burlesken im lüsternen Charakter des Boccaccio eines allgemeinen Rufes.

In Deutschland lebte als Zeitgenosse Burchiello’s der Barbier Hans Volz in Nürnberg, welcher zu den berühmtesten der dortigen Meistersinger gehörte und den Fastnachtspielen eine vollkommenere Gestalt verlieh. In gereimten Volksschwänken wetteiferte er mit [431] dem Schuster Hans Sachs, dessen Freund und Lehrer er war und mit dem zusammen er für die volksthümliche Aufnahme der Reformation und die Verbreitung der Buchdruckerkunst als eines Culturmittels wirkte.

Einen anderen geschichtlichen Namen hat sich der Barbier Olivier le Daim gemacht, der erste Barbier des adelsfeindlichen und henkerslustigen Königs Ludwig des Elften von Frankreich, sein Kammerdiener, Vertrauter, Rathgeber und allmächtiger Günstling bis zum Tode. Im Jahre 1474 schenkte ihm der König den Adelsbrief, wodurch Olivier seinen Namen le Mauvais in den le Daim (Damhirsch) verwandelte; dann fielen ihm die Güter des hingerichteten Grafen von Meulan zu, dessen Namen er sich damit anmaßte. Einige Jahre später erhielt er auch den Wald von Senart und wurde vom König als sein Gesandter an die Prinzessin von Burgund nach Gent geschickt.[1] Kaum war Ludwig der Elfte todt, als es ihm an den Kragen ging; er wurde „wegen verschiedener großen Verbrechen“ am 24. Mai 1484 gehenkt.

Wie Christian der Zweite von Dänemark einige Jahrzehnte später den ländergierigen und mit dem armen Volke kokettirenden Ludwig den Elften von Frankreich nachahmte, so hielt er sich auch als vertrautesten Günstling einen Barbier, den verschmitzten Slaghoek. Christian hatte eine holländische Aepfelhökerstochter, die schöne Düveke, zur Geliebten; deren Mutter und ihr Oheim, nämlich Slaghoek, waren es nun, die seinen Ministerrath und das geheime Cabinet bildeten, um seiner blutdürstigen Grausamkeit und Gewaltthätigkeit schändlichen Beirath zu leisten.

In edelster Art hebt sich im sechszehnten Jahrhundert gegen diese höfischen Günstlinge der französische Wundarzt Ambrosius Paré ab, ein berühmtes Beispiel von unermüdlicher Lernbegierde und Ausdauer. Ein armer Barbierssohn, wurde er selber aus Liebe zur chirurgischen Kunst Lehrling eines Barbiers. Darauf ging er nach Paris, um zu studiren, wohei er immer noch sein Brod mit Zähneausziehen, Bartschneiden und Aderlassen verdiente. Endlich kam er als Assistent in’s Krankenhaus Hôtel-Dieu und wurde bald der erste Operateur daselbst. Als Feldscherer ging er zur Armee, um als der berühmte Reformator der Chirurgie zurückzukehren, denn er verwandte die Hülfsmittel seines feurigen und eigenartigen Geistes auf Verbesserungen der Wundarzneikunst und wissenschaftliches Vorgehen bei den Operationen. Bis dahin waren die Wundärzte die Quäler ihrer Opfer; durch Paré wurden sie ihre Schützer und Retter. Um die Blutung aus Schußwunden zu stillen, griff man damals zu dem barbarischen Mittel, sie mit kochendem Oele zu verbinden. Die Wunden brannte man mit glühendem Eisen aus, die Amputationen machte man mit rothglühendem Messer. Paré verwarf bald alle diese herkömmlichen Mittel und behandelte die Verwundeten durch milde, erweichende Verbandmittel auf die glücklichste Weise; ebenso erfand er die Arterienunterbindung, welche nun an die Stelle der Glüheisen trat. Die Armee segnete ihn, der König dankte ihm und ernannte ihn zum Leibwundarzte trotz der Lästerungen, welche die Pariser Aerzte gegen den Neuerer schleuderten, der ohne jede Kenntniß von Latein und Griechisch war. Drei französischen Königen diente er als Leibwundarzt, er selbst aber nannte sich nicht anders, denn erster Barbier des Königs Heinrich des Zweiten und Karl des Neunten. Den Rest seines Lebens verbrachte er, hochgeehrt, mit Studien und im Wohlthun, sowie in Beschreibung seiner chirurgischen Erfahrungen in achtundzwanzig Büchern. Als die Bartholomäusnacht beschlossen war, schickte vor Einbruch derselben Karl der Neunte nach Paré, dem Protestanten, und befahl ihm, während der Nacht im Palast zu bleiben und denselben ja nicht zu verlassen, „da es unvernünftig sei, daß Jemand, der so viele Menschen das Leben gerettet, selbst niedergemetzelt werden solle.“ Auf solche Weise entkam Paré den Schrecken der Blutnacht, welche der König bekanntlich selbst in Scene gesetzt hatte.

In England ging aus der Barbierstube der berühmte Theologe Jeremy Taylor im 17. Jahrhundert hervor, einer der glänzendsten Kanzelredner der englischen Kirche, ein Muster an tugendhaftem Lebenswandel, Bischof von Down und Connor, Mitglied des irischen Geheimen Raths und Kanzler der Universität Dublin. Ebenso ein Jahrhundert später der Romanschriftsteller Tobias Smollet, der als Heilgehülfe nach London kam, mit einem von ihm verfaßten Trauerspiel in der Tasche. Erst da er als Wundarzt keine ihm passende Stellung finden konnte, warf er sich mit seiner reichen, wenn auch nicht durchgebildeten Phantasie der Literatur in die Arme.

Im 18. Jahrhundert sind überhaupt Barbiere mit besonderem Glück gesegnet gewesen. L’Estocq war eines Baders Sohn und gelernter Barbier an Celle. Jung ging er nach Petersburg, welches damals durch Peter den Großen eine starke Lockung für abenteuerliche Geister geworden war. L’Estocq kam in der That in die Dienste des Czaren, wurde Leibwundarzt desselben und sein Vertrauter. Später nahm er eine gleiche Stellung bei der Großfürstin Elisabeth ein, und als ihr Günstling leitete er die Verschwörung, welche 1741 diese Prinzessin zur Kaiserin machte. Er stieg dafür zum Wirklichen Geheimen Rath, ersten Leibarzt und Director aller medicinischen Anstalten und zum Grafen empor, entging aber auch nicht dem Wechsel des Glücks, den die meisten der gleichzeitigen russischen Günstlinge erfuhren. Jahrelang lebte er in der Verbannung, aller Ehrenstellen verlustig erklärt, bis Peter der Dritte ihn zurückrief und ihm die alten Aemter zurückgab.

Auch der berühmte Erfinder der Spinnmaschine, Richard Arkwright, war ursprünglich Barbier; er hatte niemals einen Schulunterricht genossen. In Bolton bewohnte er einen Keller, über dem er ein Schild anbringen ließ mit der Aufschrift: „Kommt zum unterirdischem Barbier! Er rasirt für einen Penny.“ Später lockte er sich Kundschaft mit der Schildtafel an: „Sauberes Rasiren für einen halben Penny.“ Dann legte er sich auf die Perrückenmacherei und hausirte erfolgreich mit Haarfärbemitteln. Ueber der Liebhaberei, Maschinen, namentlich auch das Perpetuum mobile zu erfinden, verarmte er wieder; es glückte ihm jedoch, das Modell einer Spinnmaschine herzustellen und nach vielen Elend und vergeblichen Anstrengungen einen Mann zu finden, der mit ihm ein Theilhabergeschäft auf Grund der Spinnmaschine einging. Im Jahre 1769, gerade als Watt die Dampfmaschine erfand, errichtete Arkwright eine Baumwollenfabrik in Nottingham, die mit Pferden betrieben wurde. Jahrelang blieb es damit nur bei Versuchen, ja, der aufgehetzte Pöbel zerstörte ihm seine Fabrik, und sein Patent wurde durch seine Feinde gerichtlich umgestoßen.

„Jetzt haben wir den alten Barbier endlich todt gemacht!“ riefen sie darauf schadenfroh hinter ihm her.

„Thut nichts,“ entgegnete er ihnen kühn; „ich habe noch ein Rasirmesser übrig, um Euch Alle zu barbiren.“

In der That, bald gründete er neue und große Fabriken und wurde durch seine Spinnmaschine ein reicher Mann, der Gründer eines neuen Fabriksystems in England. Im fünfzigsten Jahre lernte er erst ordentlich lesen und schreiben. Er starb als High-Sheriff der Grafschaft Derbyshire und nachdem er von Georg dem Dritten zum Ritter ernannt worden war.

Mit Fug und Recht kann man auch Schiller’s Vater zu den Barbieren rechnen. Im Militärdienst hießen dieselben, wie bekannt, Feldscherer, und als solcher hatte Johann Kaspar Schiller sich von den Oesterreichern anwerben lassen. Nach ausgedienter Zeit 1749 kam er nach Marbach am Neckar und ließ sich daselbst seiner Schwester zu Gefallen und aus Liebe zu Dorte Kodweis, der Bäckerstochter, als Wundarzt nieder. In Ludwigsburg legte er deswegen am 11. Juli das vorschriftsmäßige Examen ab, welches nach der württembergischen Barbier- und Baderordnung vor verordneten Medicis und, „zwey bei der fürstlichen Cantzley beaydigten Chirurgis“ stattzufinden hatte und bei welchem insonderheit darauf gesehen wurde, „wie ein Subjectum beschaffen, und daß solches nicht nur respondendo bastant, sondern auch in den Handgriffen wohl erfahren und berichtet seye,“ mit dem ausdrücklichen Beding, „daß wenn ein solcher Examinandus nicht fundamental und bastant erfunden, derselbe, er seye alsdann von Jahren, oder er habe gewandert so lang er immer wolle, er habe schon ein Weib (so einer oder der andere gleichwohl auf sein Abentheuer nehmen mag), auch wenig oder viel Kinder, als ein Meister keineswegs admittirt, sondern fortgewiesen oder zu practiciren mit nichten gestattet werden solle“.

Schiller blieb aber nicht mehr lange bei diesem Beruf. Schon 1753 trat er in die württembergische Armee als Fourier [432] ein, um es dann nach und nach in den damals noch anders gehaltenen Avancementsverhältnissen zum Fähnrich, Adjutanten, Lieutenant und Hauptmann zu bringen und als Verwalter der Solitude und mit dem Titel „Major“ die letzten Lebensjahre still und stolz im Ruhme seines Sohnes zu genießen. Dieser wurde ihm also nicht in der Barbierstube von Marbach geboren, und wie derselbe später als Feldscherer in die Dienste des Herzogs eintrat, hatte er auch nicht seine Wundarztkunst praktisch bei einem Chirurgen erlernt, sondern eine durchaus wissenschaftliche Ausbildung dafür auf der Karlsschule genossen, sodaß die Verwandtschaft mit dem Beruf der Barbiere hier nicht Platz greift.

Ein verdienter Zeitgenosse Schiller’s war der Kupferstecher Joh. Heinrich Lips aus der Schweiz, welcher anfänglich zum Wundarzt bestimmt worden war. Lavater führte ihn der Kunst zu, und mit den Kupferstichen zu dessen physiognomischen Fragmenten erwarb sich Lips seinen ersten Ruhm. Goethe berief ihn dann als Director der Zeichenakademie nach Weimar, doch kehrte er nach zwei Jahren schon wieder in die Schweiz zurück, um mit erstaunlichem Fleiß sich ausschließlich seiner Kunst zu widmen. Man hat von ihm an 1500 Stiche, unter ihnen viele vorzügliche und theuer bezahlte.

Auch der Schauspieler Bök ist ursprüglich Barbier gewesen. In Mannheim wurde er der Freund Schiller’s, als dieser sich dort einige Zeit aufhielt. Iffland, Beck, Müller wirkten als vorzügliche Darsteller an diesem damals ersten deutschen Hoftheater, und Bök war es, der zum ersten Male die Rollen des Karl Moor und des Fiesco spielte.

Erwähnen muß man hierbei die Verherrlichung, welche zu Ausgang des vorigen Jahrhunderts dem Barbier durch typische Einführung in die darstellenden Künste wurde. Beaumarchais hatte in „Figaro“ den liebenswürdigen, schalkhaften Vertreter dieses Berufes geschaffen, Mozart ihn darnach durch seine Oper unsterblich gemacht, und Rossini verschaffte später derselben Figur neue Ehren.

In Wirklichkeit gab es auch gerade damals besonders zahlreiche Barbiere, welche sich durch hervorragende Leistungen auf den verschiedensten Gebieten menschlicher Thätigkeit auszeichneten. Der Barbier Boyer arbeitete sich in Paris, durch eisernen Fleiß und Studien, zum wissenschaftlich gebildeten Chirurgen empor und wurde 1804 erster Wundarzt Napoleon’s, 1825 Mitglied der Akademie. In Württemberg machte dieselbe ruhmwürdige Laufbahn der Chirurg Ludwig unter König Wilhelm; er starb als geadelter Staatsrath, mit Hinterlassung eines ansehnlichen Vermögens zu wohlthätigen Stiftungen.

Wohlthun ist überhaupt ein hervorstechender Zug in dem Leben berühmter Männer, die der Barbierstube entstammten. Johannes Falk aus Danzig war gelernter Perrückenmacher wie sein Vater, studirte dann aber und machte sich in Weimar 1806 beim Einmarsch so verdient um das Land, daß er zum Legationsrath ernannt wurde. Er stiftete eine Schule für verwahrloste Kinder, die noch jetzt in Weimar als „Falk’sches Institut“ besteht. Eine Menge literarischer Werke haben ihm außerdem als einem bedeutenden Schriftsteller Ehre eingetragen. Stanislaus Staszyc, ein Pole, der als Gelehrter und Staatsmann, namentlich als Minister des Königreichs Polen unter Alexander dem Ersten von Rußland sich außerordentliche Verdienste erworben, verdankte Ruhm und Vermögen seiner eigenen Kraft. Als Barbier ging er in die weite Welt, und als Gelehrter, als Humboldt’s und Buffon’s Freund, kam er in sein Vaterland zurück. Dürftig bis zum Anstößigen lebte er in Warschau als Minister, und dabei schüttete er durch Gründung von Schulen und Instituten, durch stilles Wohlthun einen reichen Segen über das Land aus. Als er 1826 starb, hinterließ er fast eine Million Rubel, die er den Instituten in Warschau vermacht hatte; seine Güter vertheilte er unter seine Bauern, die er schon bei Lebzeiten aus dem Frohndienst entlassen.

Als ein armer Chirurg und Barbier arbeitete sich ebenso Joseph Hume in die Höhe. Er wurde Arzt und seit 1812 Parlamentsmitglied. Seine erste Rede hielt er über öffentliche Erziehung, und während der vierunddreißig Jahre seines Wirkens im englischen Parlamente hörte er nicht auf, als Menschenfreund eine rastlose Thätigkeit zu entfalten. Für Reform der Criminalgesetzgebung, für Freihandel, Ausdehnung des Wahlrechts und Gründung von Sparcassen erwarb er sich trotz aller Widersprüche und Verspottungen eine große Bedeutung und ein gesegnetes Andenken. Nicht minder haben sich John Henry Abbott und Turner in diesem Jahrhunderte als Söhne von armen Londoner Barbieren ausgezeichnet; der eine ist Lord Tenterden und Lordoberrichter geworden, der andere ein trefflicher Landschaftsmaler, der englische Claude Lorrain, dessen eminenter Fleiß ihn zum Schöpfer einer großen, herrlichen Bildergallerie werden ließ, die er bei seinem 1851 erfolgten Tode seinem Volke vermachte.

  1. Hier spielte er die traurige Rolle, welche Gustav von Meyern in dem romantischen Zeitbilde „Teuerdank’s Brautfahrt“ (Jahrgang 1877, S. 630 u. 644 der „Gartenlaube“) so ergötzlich geschildert hat. D. R.