Aus dem Gerichtsleben der Magyaren

Textdaten
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Autor: Adolf Dux
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Titel: Aus dem Gerichtsleben der Magyaren
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 32, S. 541–543
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[541]
Aus dem Gerichtsleben der Magyaren.

Ehe wir die in der heutigen Nummer der Gartenlaube abgebildete „Ungarische Gerichts- und Folterscene“ mit erklärenden Worten begleiten, schicken wir die Bemerkung voraus, daß die ungarischen Justizzustände nicht nach dieser einen ausnahmsweisen Scene beurtheilt werden dürfen. Ungarn ist eben auf dem besten

Eine ungarische Stuhlgerichtsscene aus den fünfziger Jahren.
Originalzeichnung von Fritzmann.

Wege, binnen kürzester Zeit im Criminalwesen wie in allen Zweigen der Rechtspflege sich auf gleiche Linie mit den anderen civilisirten Staaten zu erheben, und selbst die im Augenblick noch bestehenden Uebergangszustände lassen, Dank den in den letzten Jahren getroffenen theils provisorischen, theils definitiven Verfügungen, jene „Romantik“ weit hinter sich zurück, in welcher Motive gefunden werden konnten, wie dasjenige, das der abgebildeten Scene zum Grunde liegt.

Für diese steht übrigens ein Künstler ein, der schon viele Stoffe zu Genrebildern aus dem ungarischen Volksleben geschöpft hat und auch kürzlich wieder mit reich gefüllter Mappe sich bei seinen Freunden in Pest einstellte. Als wir den Inhalt derselben besichtigten, legte er plötzlich die Hand auf eines der Blätter und gewährte uns den Anblick desselben nur gegen das Versprechen, das betreffende Bild für das gelesenste Blatt Deutschlands mit erklärenden Worten zu begleiten, und die verlangte Zusage wurde natürlich bereitwilligst gegeben; war doch hiermit Gelegenheit geboten, irrigen oder übelwollenden Anschauungen vorzubeugen.

Das Bild frappirte uns sofort ebensowohl durch die typische Wahrheit der Gestalten wie durch die Ungewöhnlichkeit der dargestellten Scene. – Zwei Verbrecher, ein Rumäne und ein Magyare, die im Verein mit Anderen einen Raubmord begangen haben, sind eben eingebracht worden und werden vom Stuhlgericht (Bezirksgericht) in’s Verhör genommen. Der Rumäne ist der Erste an der Reihe. Sein Verbrechen ist erwiesen, und die sittliche Entrüstung der Herren vom Gericht wird durch die Hartnäckigkeit gesteigert, mit welcher der Halbwilde die Namen der [542] noch unbekannten Mitschuldigen verschweigt. Die Zunge soll ihm jedoch gelöst werden, und dazu stehen die beiden Panduren zur Rechten und Linken des Mannes bereit. Vom Plafond hängt ein über einen eisernen Flaschenzug gelegter Strick hernieder, dessen eines Ende an einen eisernen Ring befestigt ist, und an diesen schließt sich wieder ein anderer gleichfalls eiserner Ring, mit welchem die beiden Daumen des Delinquenten zusammengeschraubt sind. Das andere Ende des Strickes hält der eine Pandure in der Hand, bereit, den Delinquenten in die Luft zu ziehen, während der andere die Peitsche bereit hält, mit welcher dem in der Luft schwebenden Verbrecher der nackte Rücken wund gegeißelt werden soll. Der doppelte Schmerz wird ihm schon die Zunge lösen. – Der Mitgefangene sieht der Procedur zu und hat Zeit zu überlegen, ob er, wenn die Reihe an ihn kommt, die Wirkung des Zwanges an sich erproben oder, ohne diesen abzuwarten, sprechen soll. –

„Das ist ja Folter! Das ist ja nicht möglich!“ riefen unwillkürlich Alle, die das Bild sahen. – Der Künstler aber ließ an der Wahrhaftigkeit seines Bildes nicht rütteln. Er versicherte, manchen ähnlichen Vorgang vor zehn Jahren selbst mit angesehen zu haben – also in einer Zeit, in welcher nach der Sprengung des Bach’schen Absolutismus im Ueberschwang der plötzlich eingetretenen nationalen Reaction gegen die Fremdherrschaft allerdings mancher Uebergriff vorgekommen sein kann. Nach raschem Uebergang wurden damals die verfassungsmäßigen Wahlen durchgeführt, mit welchen die Comitatsämter besetzt wurden; Justiz und Verwaltung waren nicht voneinander getrennt; der Willkür der Beamten war ein großer Spielraum gewährt; bei den damaligen Wahlen gab mehr der patriotische Eifer der Betreffenden als deren sonstige Qualification den Ausschlag – und so wirkten viele Umstände mit, daß hier und da sehr abenteuerliche Gerichtsscenen sich ereignen konnten. – Ja, selbst noch in der allerjüngsten Zeit circulirten in Pest, wie weiter unten erzählt wird, Torturgerüchte, deren Wahrscheinlichkeit im ungarischen Abgeordnetenhause auf der einen Seite mit ebenso großem Nachdruck behauptet, wie auf der andern in Abrede gestellt wurde. Der Erklärungsgrund hierfür liegt, obgleich in Ungarn die Tortur schon durch Maria Theresia abgeschafft wurde, lediglich darin, daß die ungarische Justiz, trotz aller gegentheiligen Bemühungen bis zum heutigen Tage die Wohlthat eines systematischen Strafgesetzbuchs entbehrend, sich nach wie vor mit einzelnen Gesetzen, mit der Autorität früherer gerichtlicher Entscheidungen und mit den „Statuten“ einzelner Municipalbehörden behelfen muß. Unter solchen Umständen ist es kein Wunder, daß Franz Deák in einem Rechenschaftsbericht an seine Wähler sagen konnte: „Unsere Gesetze bieten keine sichere Grundlage weder für die Art, noch für das Ausmaß der Strafen, und in mehreren Fällen sind je nach der Person der Richter bei demselben Verbrechen und unter den gleichen Umständen die Bestrafungen überaus verschieden und willkürlich.“

„Was wollen Sie!“ äußerte einmal ein Stuhlrichter in einem Gespräch über dieses Thema; „einem Burschen von der Pußta, der oft Jahre lang kein Dach über sich hatte und durch alle Wetter des Winters und des Sommers gestählt ist, der nie eine Schule besucht hat, und bei dem es eine Art point d’honneur ist, ein Pferd oder ein Schaf wegzuschnappen, das nicht sein ist, – einem solchen Burschen kann man nicht zu Gemüth reden, und selbst ein paar Stockstreiche sind ihm nur ein Mückenstich; – erst bei ‚fünfundzwanzig‘ dämmert in ihm vielleicht eine leise Ahnung auf, daß in der Welt etwas vorgehen müsse, wovon er sich bis dahin nichts hat träumen lassen.“

Nicht selten wurde über die gebräuchliche Zahl der „fünfundzwanzig“ Stockstreiche, ja über die Anwendung der Prügel weit hinausgegangen. Die Vereinigung von Justiz und Verwaltung, deren Trennung gerade erst in den nächsten Monaten durchgeführt werden wird, hatte zur Folge, daß der Stuhlrichter in seinem Bezirk als ein förmlicher Pascha walten konnte. Seiner Willkür war nur im Wappenbrief der Adeligen eine Schranke gesetzt; sonst konnte jeder Insasse seines Bezirks ein Object der Prügelstrafe sein, die der Stuhlrichter, sei es als Verwaltungs-, als Polizei- oder als Justizbehörde, dictiren konnte. Und wo es keine Untersuchungs-, keine Strafnormen giebt, da kann die Phantasie eines kleinen Machthabers, der den Blicken der Welt ohnehin nicht so ausgesetzt ist, wie die großen, die seltsamsten Blüthen treiben. Folgendes möge zur Illustration dieser „Blüthen“ dienen.

Ein Freund von mir entzog sich nach dem achtzehnhundertachtundvierziger ungarischen Freiheitskriege den Häschern der Reaction nicht durch die Flucht in’s Ausland; er wußte sich mitten im Lande zu verbergen, indem er bei einem Grundbesitzer unter angenommenem Namen als Landwirthschaftsbeamter diente. In dieser Eigenschaft wohnte er einige Jahre in einem einsam gelegenen Meierhofe, auf einer Pußta, und hatte da oft Gelegenheit, mit Räubern jener Sorte in Berührung zu kommen, welche man „szegény legény“ – „armer Bursche“ – nennt. Bei diesen Strauchrittern pflegten sich einsam wohnende Grundbesitzer oder Wirthschaftsbeamte die Sicherheit ihrer Person und ihres Eigenthums oder der ihnen anvertrauten Habe durch freiwilligen Tribut zu erkaufen, indem sie ihnen ab und zu ein Schaf, ein Schwein, eine Speckseite oder dergleichen preisgaben, und unter solchen Verhältnissen bildete sich nicht selten eine Art von Vertraulichkeit zwischen dem Räuber und seinem „Schützling“ heraus. So theilte denn auch ein Räuber meinem Freunde folgendes eigene Ergebniß aus der ersten Zeit seines Zerwürfnisses mit der gesellschaftlichen Ordnung mit. –

Er hatte einmal als junger Bursche in seinem Heimatsdorfe eine Kuh gestohlen und veräußert, der Verdacht aber fiel sogleich auf ihn. Der Eigenthümer, der sein auserlesenes Thier nicht verschmerzen konnte, war ein näherer Bekannter des Stuhlrichters, und dieser ging mit erhöhtem Eifer daran, das entwendete Gut zurückzuschaffen. Dem Diebe wurde von zwei Panduren mit einer Peitsche der Rücken wundgeschlagen, und als er trotzdem kein Geständniß ablegte, wurde er in einen finstern Keller gebracht, und daselbst einige Tage ohne Speise und Trank gelassen. Dann holte man ihn wieder heraus, und halbtodt und verschmachtet wie er war, setzte man ihn an einen Tisch, auf dem eine Schüssel Kraut mit Würsten für ihn dampfte. Gierig verschlang er das Lieblingsgericht und begehrte dann zu trinken.

„Erst sage, wo die Kuh ist, und dann bekommst Du Wein!“

Er schwieg. Wieder wurde ihm der Rücken wund gegeißelt, er schwieg aber dennoch. Die Freiheit und die Ehre seiner Standhaftigkeit galt ihm mehr als sein Leben, und er wurde freigelassen, – um nach Jahren, standrechtlich verurtheilt, sein Leben am Galgen zu beschließen. –

Solche Geschichten, wenn sie hie und da einmal auftauchen, hört man übrigens auch hier zu Land nur mehr mit Staunen, oder mit dem Kopfschütteln, mit welchem alte Märchen aufgenommen werden. Dank dem guten Willen und der Aufklärung vieler einzelnen Organe, Dank dem unermüdlichen Eifer des gerade in diesen Monaten leider zurückgetretenen Justizministers, Balthasar Horváth, und den Anregungen des ungarischen Juristentages, der vorigen Jahres zum ersten Male sich hier versammelte, sind die Begebungen, die ungarische Justizpflege auf das Niveau der Zeit und der Wissenschaft zu bringen, immer häufiger und erfolgreicher geworden. Die Prügelstrafe ist gesetzlich bedeutend eingeschränkt, und schon liegt ein Gesetzentwurf vor, welcher die gänzliche Abschaffung der Körperstrafe bezweckt, und der ohne die Saumseligkeit der Magnatentafel (des ungarischen Oberhauses) schon längst als Gesetz in Kraft getreten wäre. Die Empiriker in diesem Hause sträuben sich gegen die Neuerung, darauf sich berufend, daß es in Ungarn zu wenig Gefängnisse giebt, und daß die meisten der vorhandenen in einem zu schlechten Zustande sind, um ein sicheres Gewahrsam zu bilden, und einen wirksamen Ersatz für die Prügelbank zu bieten. – Diese Thatsache wird allerdings vielfach bestätigt, und das dadurch gegebene Dilemma veranlaßte einen findigen Stuhlrichter zu folgendem Auskunftsmittel. In seinem Bezirk kamen entsetzlich viel Sonntagsraufereien vor. Einsperren konnte er die Excedenten nicht lassen, weil ihm keine geeigneten Gefängnißlocalitäten zur Verfügung standen, – die Prügelstrafe konnte und mochte er auch nicht anwenden, – und so half er sich damit, daß er den ärgsten Raufbolden – den halben Schnurrbart abrasiren und sie dann laufen ließ. Das kam im vorigen Jahre vor, und das am Lippenschmuck der stolzen Bursche statuirte Exempel ist, wie die Zeitungen rühmten, mit dem besten Erfolg gekrönt worden.

Ist ein Todesurtheil rechtskräftig geworden, so werden dem Delinquenten zwischen der Verkündigung und Vollstreckung des Urtheils drei Tage Zeit gelassen, während welcher er Besuche empfangen darf. Heute kommt es selten mehr zur Vollstreckung von Todesurtheilen, und werden die allermeisten derselben durch königliche [543] Gnade in Kerkerstrafen umgewandelt; doch vor 1848 waren Hinrichtungen sehr häufig. „Es ist einer ausgesetzt!“ hieß es damals sehr oft; das heißt, ein zum Tod Verurtheilter genoß die erwähnte Galgenfrist von drei Tagen. Er saß in irgend einem geräumigen Zimmer des Comitats- oder Stadthauses, von Soldaten mit aufgepflanztem Bajonnet bewacht, an Händen und Füßen mit Eisenketten gefesselt, und festtäglich geputzt, vor einem Tische, auf welchem es an Wein und Backwerk nicht fehlte. Die Besucher – Jedermann hatte Zutritt – pflegten Kupfermünze auf den Tisch zu legen, damit der „Ausgesetzte“ sich in den letzten Tagen seines Lebens Labemittel anschaffen könne, und Groß und Klein staunte mitleidsvoll und verblüfft den Mann an, der heute noch gesund, zuweilen sogar auch lustig war, und dennoch übermorgen oder gar schon morgen todt sein sollte! – Scenen dieser Art kamen häufig vor, und prägten sich der Volksphantasie so tief ein, daß sie in Volksliedern besungen wurden, sowie in Volksdramen und in Romanen den Gegenstand wirksamer Scenen und Capitel bildeten. Und wie die Kunst gewöhnlich die von der Literatur geebneten Wege wandelt, so schuf auch der ungarische Maler Munkácsy nach der literarischen Durcharbeitung des erwähnten nationalen Stoffes sein berühmtes Gemäldes „Die letzten Stunden eines Verurtheilten“, das die Leser der Gartenlaube in einer trefflichen Wiedergabe bereits kennen gelernt haben.

Besondere Erwähnung verdient das Standrecht. – Zuweilen treten in einzelnen Gegenden die Verbrechen des Raubes oder der Brandlegung epidemisch auf, und in solchen Fällen verleiht die Regierung (jetzt der Minister des Innern nach Anhörung des Justizministers) den betreffenden Municipalbehörden auf eine bestimmte Zeit das Standrecht gegen Räuber, Raubmörder, gegen die Mitschuldigen, Theilnehmer an der Schuld, und Hehler. Die Standgerichte sind in ähnlicher Weise zusammengesetzt wie die Criminalgerichte, und der Angeklagte erhält einen Vertheidiger. Erklärt das Standgericht sich nicht als competent, oder kann die Schuld binnen acht Tagen nicht festgestellt werden, so wird die Angelegenheit dem ordentlichen Gericht zugewiesen. Ist der Delinquent standrechtlich zum Tode verurtheilt, so werden ihm drei Stunden Zeit gelassen, sich zum Tode vorzubereiten.

Schließlich muß noch einer auffallenden Erscheinung gedacht werden, die bestimmt ist, in der Geschichte der ungarischen Criminaljustiz einen der denkwürdigsten Abschnitte zu bilden. Die Sicherheit der Person und des Eigenthums wurde vor einigen Jahren in einem beträchtlichen Theile Ungarns in unerhörter Weise gestört. Im Bácser Comitat verbreitete der Räuber Max im Macsvánßky solchen Schrecken, daß die Militärmannschaften mehrerer Städte gegen ihn ausgeschickt wurden, und auch die konnten seiner nicht habhaft werden; in einem Orte desselben Comitats, in Pivnicza, herrschte vollständige Gesetzlosigkeit, und durchreisende Passagiere wurden selbst am hellen Tage ausgeraubt. Der Handelsminister fand sich im Jahre 1868 bewogen, die Geldpostsendungen auf gewissen Strecken einzustellen, weil mehrmals Postwagen geplündert und sogar Eisenbahnzüge von Räubern zum Stehen gebracht worden waren, welche es versuchten, die Eisenbahnpost und die Passagiere zu berauben.

Diese und unzählige andere mit unglaublicher Frechheit verübte Verbrechen, veranlaßten die Regierung, den Chef des Polizeidepartements des Ministeriums des Innern, Graf Gedeon Ráday den Jüngeren mit außerordentlicher Vollmacht als königlichen Commissär in die bedrohte Gegend zu entsenden. Er wählte aus verschiedenen Zweckmäßigkeitsgründen die Stadt Szegedin zu seinem Sitz, und seit den drei Jahren seiner Wirksamkeit hat er nicht allein in dem großen, über mehrere Comitate sich erstreckenden Rayon seiner Wirksamkeit die Sicherheit wieder vollkommen hergestellt, sondern auch vor zwanzig und mehr Jahren begangene Verbrechen entdeckt, über welche längst das Gras der Vergessenheit gewachsen war. In Folge dessen sitzen jetzt in den Szegediner Casematten vierzehn- bis sechszehnhundert Individuen gefangen, die wegen des Zusammenhangs einer zahllosen Menge noch zu untersuchender Verbrechen noch nicht abgeurtheilt werden konnten. Damit diese Häftlinge weder untereinander, noch mit anderen Personen sich verständigen können, müssen sie, so oft sie außerhalb ihrer Gefängnisse erscheinen, wenn sie spazieren geführt oder zum Verhör abgeholt werden, Masken tragen.

Der Beifall, den die erfolgreiche Wirksamkeit des Grafen Ráday fand, blieb indeß nicht ohne Schatten; – und als im Abgeordnetenhause in den letzten Tagen des vorigen Monats über einen Nachtragscredit für das königliche Commissariat in Szegedin verhandelt wurde, brachten Gegner der Vorlage vor, daß Graf Ráday willkürlich vorgehe und in einzelnen Untersuchungsfällen unmenschlich verfahre. Es wurde davon gesprochen, daß man die Häftlinge der Szegediner Festung je nach Umständen hungern, Durst leiden, sich berauschen oder sie nicht schlafen lasse, um ihnen auf die eine oder die andere Art Geständnisse abzunöthigen; ja man sprach sogar auch von einem Folter-Instrument, das „Ráday-Wiege“ genannt wird, über welches jedoch Niemand näheren Aufschluß zu geben wußte. Kurz, es waren Gerüchte im Schwange, die beinahe nicht minder staunenswerth sind, als der riesige Erfolg, mit welchem Graf Ráday einen großen Theil des Landes von weitverzweigten Verbrecherbanden befreit hat, und um so gewisser auf die Dauer befreit haben wird, als er den Hehlern bis in Kreise nachspürt, wo sie bisher durch Vermögen, mitunter sogar durch gesellschaftliche Stellung gedeckt waren.

Nehmen wir nun zu dieser wahren Augias-Stallreinigung die oben erwähnten Schritte zum Bessern, so dürfen wir hoffen, daß von der Romantik des ungeregelten ungarischen Criminalwesens bald nur die Erinnerung übrig sein wird, und Reminiscenzen, wie die heute von uns mitgetheilten, eben nur als Curiosa werden Platz finden können.
Adolf Dux.