Aus Uhlands neuerschlossenem Tagebuch

Textdaten
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Autor: Julius Hartmann
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Titel: Aus Uhlands neuerschlossenem Tagebuch
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 331–332, 334–335
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1897
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Aus Uhlands neuerschlossenem Tagebuch.

Die Hochzeitsreise im Sommer 1820.

Manchem unserer berühmten Männer – es sei an Ritter Bunsen und Max Duncker erinnert – ist von der überlebenden Gattin ein Denkmal in Form einer Lebensgeschichte gesetzt worden, keinem ein so würdiges wie dem Dichter Ludwig Uhland. Gewiß bliebe er, solange es eine deutsche Sprache giebt, durch seine Dichtungen ein Liebling seines Volkes, selbst wenn man noch weniger von seinem Leben wüßte als über Walther von der Vogelweide. Auch der gelehrte Forscher und der charaktervolle Patriot Uhland würde nimmer vergessen, obschon alle Einzelerinnerungen sich verloren hätten. Aber dank dem Buche, das des Dichters Witwe zunächst 1865 als „Gabe für Freunde“ in den Druck, dann 1874 in die Oeffentlichkeit gegeben hat, ist der unvergleichliche Mann dem Herzen seines Volkes erst vollends so nahe gekommen, als der ganze Mensch wie er leibte und lebte – nicht bloß nach dem was er angestrebt und geschaffen – es in einziger Weise verdient. Schlicht und wahr, klar und treu, wie es Sinn und Weise Uhlands selber war, schildert die Frau, deren Erringen seinem äußeren Leben die langersehnte Wendung zum Glück gegeben, die seinem Innern so verständnisvoll nahegestanden hat, das Werden und Sein des geliebten Mannes mit aller Zartheit weiblicher Empfindung und doch frei von zurückhaltender Befangenheit. Wie zart, aber ohne jede Spur spröder Ziererei, ist die Schilderung des langen Wegs, auf welchem dem „Unstern“ endlich der Stern seines Lebens aufgeht und der von der Gunst der Menschen und Umstände bis dahin so wenig Bevorzugte diejenige für immer findet, der er bekennen darf:

„In meiner Seele Tiefen,
O sähst du da hinab,
Wo alle Lieder schliefen,
Die je ein Gott mir gab!
Da würdest du erkennen.
Wenn Aechtes ich erstrebt
Und mag’s auch dich nicht nennen,
Doch ist’s von dir belebt!“

Schon seit dem Jahre 1815 – so erfahren wir aus dem liebenswürdigen Buch – wird der Name Emma öfters in Uhlands Tagebuch genannt. Schon damals entstand, wie es scheint durch den gern fabulierenden Justinus Kerner, das Gerücht, Uhland werde sich mit Emma (Emilie) Vischer von Calw-Stuttgart verloben. „Das Gerücht,“ erzählt diese selber, „interessierte wohl das noch ganz junge Mädchen, mehr noch interessierten sie die gerade damals herausgekommenen Gedichte des Mannes, die sie bei der Schwester, der Gattin von Uhlands Freund Roser, zu lesen bekam. Aber – an dem ernsten, stillen Herrn Uhland war doch auch gar nichts von einem Liebhaber zu entdecken! Doch erwuchs aus dem anfänglichen Wohlgefallen mit der Zeit eine tiefere Neigung in Uhlands Herz, aber neben dieser Neigung wuchs auch eine immer lebhaftere Beteiligung an den württembergischen Verfassungskämpfen, wie sie sich in seinen vaterländischen Gedichten zeigt. Aus den Briefen Uhlands an seine Eltern ist auch ersichtlich, daß er sich durch seine politischen Ansichten für verpflichtet hielt, vor Herstellung der Verfassung keinen Staatsdienst in Württemberg zu suchen oder anzunehmen. Dadurch fühlte er sich denn auch abgehalten, seine Neigung zu äußern oder als Bewerber um Emmas Hand aufzutreten. Seiner feinsinnigen Zurückhaltung ungeachtet, gewann jedoch diese bei längerer Bekanntschaft einen tieferen Einblick in sein Herz und lernte begreifen, wenn auch unter manchen inneren Kämpfen, daß einem überzeugungstreuen Manne kein Opfer zu groß sein dürfe, daß Uhland schweigen und zuwarten müsse, bis günstigere Umstände für seine Wünsche eintreten würden. Dieses Verständnis konnte in ihr die Hochachtung und Neigung nur vertiefen, und durch treue Freunde, wie Schwab[WS 1], wurde die Hoffnung in beider Herzen bestärkt. Seit dem Sommer 1819 endlich ward Uhland in Emmas elterlichem Hause als Familienglied angesehen, und am 16. Januar 1820 wurde der stille Bund der Herzen öffentlich ausgesprochen durch seine Verlobung mit Emilie Vischer.

Der Bräutigamsstand und die Hochzeit, die am 29. Mai gehalten wurde, fiel in eine unruhige, für den pflichtgetreuen Landtagsabgeordneten sehr geschäftsvolle Zeit. „Den ganzen [332] Morgen des Hochzeitstages, berichtet die Frau, „bis zwei Uhr mittags brachte er in dem Ständehause zu und sogar nach der Trauung, die um drei Uhr statt hatte ging er auf kurze Zeit noch einmal dahin zurück.“ Aber die zwei Worte „Häusliches Glück“, womit Uhland im Tagebuch die wenigen Zeilen über die landständische Thätigkeit in den nächsten 14 Tagen nach der Hochzeit schließt, verraten, welche Wendung sein Leben genommen hatte.

Endlich am 8. Juli, nachdem die Stände vertagt, die Geschäfte der ständischen Ausschüsse erledigt waren, konnte das neue Ehepaar seine Hochzeitsreise in die Schweiz antreten. Die Biographin widmet der schönen Reise, die, beiläufig gesagt, in die Zeit der ersten bundestägigen Ruhe für Deutschland, süditalischer Revolutionen und der Vorzeichen griechischer Volkserhebung fiel, aus der Erinnerung ihres Alters einige Sätze, die doch das ganze Glück der jungen Frau an der Seite des geliebten, verehrten Mannes ahnen lassen. „Der größte Teil der deutschen Schweiz, das Thurgau, Sankt Gallen, dann über Kloster Einsiedeln und den Paß zwischen den Schwyzerhaken nach Schwyz und auf den Rigi, wurde zu Fuß durchzogen. Es machte Uhland Freude, die Schweiz, die er schon als Student 1806 mit einigen Freunden durchwandert hatte, seiner Frau zu zeigen, und ihr gab die Freude mehr Kräfte als sie sich zugetraut, ihm zu Liebe, der am liebsten zu Fuß ging, wurden auch die größeren Touren über die beiden Scheidecken dann durch das Emmenthal und Eutlibuch gerne von ihr zu Fuß zurückgelegt. Die Unterhaltung mit den Landleuten hatte großen Reiz für Uhland. Er mochte sich dann gern mit ihnen lagern und den mitgenommenen Proviant mit ihnen teilen, wenn auch für ihn selbst dann wenig überblieb, weil er den andern zu große Teile gegeben hatte. Seitde m man die Schweizerthäler auf der Eisenbahn durchzieht und auf den schroffsten Höhen ein Hotel steht, fehlt doch auch mancher Reiz der Reise, weil man von dem Kern des Volks wenig mehr kennen lernt. In Sankt Gallen in der reichen Stiftsbibliothek, dann in der Wasserkirche, der Züricher Bibliothek wurde jedoch auch eingekehrt und die Schätze beaugenscheinigt’.

Diesen kurzen Bericht sind wir nun neuestens in stand gesetzt worden aufs ansprechendste zu ergänzen durch des Dichters eigene Aufzeichnungen. Dem durch Württembergs König im Mai 1895 ins Leben gerufenen Schwäbischen Schillerverein ist es vor wenigen Wochen möglich geworden, Ludwig Uhlands handschriftlichen Nachlaß zu erwerben und zwar, dank der Freigebigkeit eines um die Belebung von Schillers Andenken in seiner Heimat hochverdienten Mannes, ohne Aufwendung von Vereinsmitteln. In diesem überaus reichen Schatz, der sozusagen die urkundlichen Zeugnisse der geistigen Entwicklung Uhlands vom Knabenalter an, seiner rastlosen Thätigkeit als Dichter und Forscher, Lehrer und Politiker vor uns ausbreitet, findet sich von Ungedrucktem neben zahlreichen, zum Teil hochschönen Gedichten, die nur ein Mann von Uhlands Selbstbeschränkung und Strenge, fast Härte gegen sich ausscheiden konnte, ein in den Jahren 1810 bis 1820 geführtes Tagebuch. Meist sind nur wenige Zeilen einem Tage gewidmet, aber diese knappen schlichten Angaben gewähren einen tiefen, wohlthuenden Blick in des seltenen Mannes Lebensführung durch entscheidungsvolle Jahre: in seine Bildungsgeschichte, die Werkstatt des Dichters und Gelehrten, das Werden und erste Wirken des Parlamentariers, den Verkehr mit Eltern, Schwester, Verwandten und Freunden, den weiten, rauhen Weg, auf welchem der langgeprüfte brave Mensch, dem äußerlich so wenig gelungen, zu einem der glücklichstem ward. Dabei fällt viel Licht auf die Menschen jenes Zeitalters, ihre Lebensweise, Anschauungen, Gewohnheiten und erhalten zahlreiche Stätten, die der gute Mensch betrat, eine gewiß heute noch vielen willkommene Weihe. So nun auch viele Orte Schwabens und der Schweiz durch die im Nachstehenden erstmals mitgeteilte Beschreibung der Hochzeitsreise. Intime Stimmungsäußerungen schloß das Wesen dieser kurzen Aufzeichnungen freilich aus, aber in der Anschaulichkeit so mancher knappen Bemerkung offenbart sich doch der Poet.

Hochzeitsreise in die Schweiz.

1820. Juli 8. Reise mit Extrapost von Stuttgart über Urach, Münsingen, Ehingen nach Biberach. Fruchtbare angenehme Gegend bei Metzingen. Hohenurach. Seeburger Thal. Besuch bei Plancks in Münsingen. (Der Diakonus P. war mit einer Base des Dichters verheiratet.) Oede Albgegend. Donauthal. Bussen. Rißthal, Schloß Warthausen. Ersteigung des Wachturmes in Biberach. Düsteres Aussehen der Stadt.

Sonntag 9. Extrapost von Biberach, über Waldsee, Baindt, Altdorf und Ravensburg nach Mörsburg. Kloster Weingarten, Erzählung von den Welfen. Angenehmer Eindruck von Ravensburg, bei der Einfahrt die blumenreichen, wohlgeordneten Gärtchen mit Springbrunnen und hübschen Gartenhäusern. Ersteigung des Schloßberges oder der St. Veitsburg; der alte Turm, die roterhaltenen Ziegeldächer, erster Blick auf den Bodensee. Das nahe Thal mit seinen Mühlen, die Weinberge, Kloster Weißenau; lebendige Vorstellung von einer altdeutschem Stadt, die Steinmauern sind rein erhalten und nicht zu sehr mit Häusern ausgefüllt, die Häuser noch in alter Bauart, vielfensterig, bemalt; aber reinlich und unverfallen, Wasser durch die Stadt fließend, die glänzenden Messingbeschläge an den Hausthüren, der freundliche Bierkeller außerhalb der Stadt. Bei Markdorf Duft der Rebenblüthe. Ankunft in Mörsburg um Mittag, Erfrischung im Bären. Aussicht auf den See vom neuen Schlosse, glänzend blaues Kolorit von Himmel, See und Bergen, widriger Abstich der geschmacklosen Zimmerverzierung gegen die herrliche Natur. Gartenterrasse, der Schloßgärtner Rosen spendend. Das alte Schloß, die Brücke über die Felsschlucht, Bach und Weg durch letztere. Fahrt von Mörsburg nach Mainau; das leere Johanniterschloß (vielmehr Deutschordensschloß), Balkon. Gang über den Steg, durch den Wald über Petershausen nach Konstanz. Quartier im Adler. Ersteigung des Domturmes, das Turmstübchen, herrliche Abendbeleuchtung, klarer Ueberblick der ganzen Seegegend, der Säntis, goldner Abendhimmel, Hohenstosseln, Hohentwiel, Hohenhewen. Eigentümliches, den See so zu übersehen daß man im Vordergrunde nur die Kreuzform des Domgebäudes und dann den weiten Wasserspiegel im Auge hat. Heimweg über die Promenade. Bei Tisch Nachricht, daß v. Laßberg nicht in Eppishausen sei (der bekannte Altertums- und Sprachforscher hatte mit Uhland kurz zuvor bei einem Besuch in Stuttgart die fruchtbare Verbindung für Jahrzehnte angeknüpft).

10. Morgens: die Wallfahrt nach Loretto, Leichtsinn und Müßiggang solcher Ceremonien, nachdem der religiöse Sinn derselben sich verloren. Besuch des Doms, Gang an den Hafen, das Wachthäuschen im See, Konziliensaal, Sessel von Kaiser und Papst, alter Helm, Schilde der Kreuzritter, großes Netz. Fahrt über Arbon nach St.Gallen mit einer Retourchaise. Durch das Thurgau, Wohlgeruch der blühenden Weingärten, Durchblicke auf den See. In Arbon Anfahrt am Gasthause zum Kreuz, komische Scene, als wir nicht wußten, ob wir recht wären und uns eins ums andere in die Zügel fielen. Mittagessen in dem neuen durchsichtigen Gartenhäuschen dicht am See, unmittelbares Leben in dieser Natur, die baumreichen St. Gallischen Berge im Wasserspiegel, Musikant. Am Wege nach St. Gallen Feldlager des thurgauischen Militärs. Rückblicke auf den See. Das St. Galler Thal mit den vielen umherzerstreuten Wohnungen von heiterem Aussehen, die Gärten. Quartier im Hecht. Ersteigung des Freudenbergs durch die Schlucht mit den vielen übereinanderstehenden Mühlen und dem Tannenwald, Rückweg über St. Georgen, Verirren in der Stadt. Bei Tisch die reisenden Sänger, Meinung, daß der Rhein von Basel hieherwärts fließe.

11. Vormittags Gelderhebung bei Mayer, vergebliches Aufsuchen des (Benediktiner-Stifts-Archivars) Ildefons v. Arx., der in Baden befindlich. Hr. Fels. Besichtigung der Bibliothek, Inkunabeln, die Nibelungenhandschrift, das goldene Evangelienbuch, Malereien, Tutilos Schnitzwerk auf der Buchdecke, gewaltiges altes Schlachtschwert usw. Die moderne Klosterkirche. Ersteigung des Turmes der Stadtkirche, Uebersicht des Klosterbezirks. Nachmittags Fahrt nach Vögliseck auf der Berghöhe, Begegnung des Oberfinanzrats Jäger und seiner Tochter (Verwandte der Frau Uhland). Spaziergang auf dem Bergrücken. Weitere Fahrt über Speicher, Teufen und Bühler nach Gais. Quartier im Ochsen. Beim Abendessen Landsmann Buri aus St. Gallen.

12. Molken-Promenade. Gang über Appenzell nach Weißbad, wohin die Frauen mit Buri und Jäger zu Wagen nachkamen. Ersteigung des Wildkirchleins, und, durch die Berghöhle, der Ebenalp. Sonderbares Leben auf dem Felsen, Gampe. [334] Harmonisches Geläute. Alles geeignet, den Wallfahrtsort in ideales Licht zu stellen. Einkehr im Ochsen, Menge von Pilgrimen auf dem Platze und im Hause.

Sonntag 16. Vormittags Gang ins Kloster. Abt Konrad (an den Uhland empfohlen war) nach Pfeffers verreist. Der Mönch und der Ablaßsuchende vor den Schranken; ansprechende Abgeschlossenheit des Chors. Hochamt in der Klosterkirche, die Kapelle mit dem schwarzen Marienbild, lärmende Musik. Alles berechnet, auf die Pilgrime Eindruck zu machen. Menge der verschiedensten Trachten aus allen Gegenden. Beim Zeichen der Turmglocke Niederfallen aller Anwesenden auf dem Platze. Der Brunnen mit 14 Röhren. Gang über Alpthal und den Hacken nach Schwyz. Beschwerlicher Weg, hinaufwärts über gelegte Scheiter, hinunter über böses Steinpflaster. Auf der Höhe jedoch erhebender Blick rückwärts auf die Glarner Schneegebirge, links auf den Felsstock der Mythen, an deren Fuß man sich befindet, vorn hinaus auf den Lauerzer See, den Rigi, die Muotta, Brunnen, den Vierwaldstättersee, die Aa, darüber die Engelberger und Urner Gebirge. Einkehr im Wirtshaus auf dem Hacken. In Schwyz Quartier im Hirsch. Spaziergang durch und um den Flecken. Kirche und Kirchhof. Angenehme Herberge.

17. Gang über Sewen, am Lauerzer See hin, auf welchem die Ruine von Schwanau zwischen dem Gebüsche wie in einem Neste liegt, über das verschüttete Goldau auf den Rigi. Hitze. Die Stationen: Mittagessen in der Krone. Quartier im Wirtshaus auf der Rigistaffel, das wir für das oberste hielten; treffliche Aussicht. Aufklärung des Irrtums. Aufbruch und Hinaufsteigen auf den Kulm. Als wir dort angekommen, Ausbruch eines Gewitters. Aussicht jedoch nicht vollständig auf die Gebirge. Späterhin wieder Gewitter, Blitze aus dem Thal. Familie aus Schwyz, Engländer usw.

18. Auf dem Rigi. Nebel, der sich in Regen auflöste. Die in Einsiedeln erkaufte Geschichte des dortigen Gnadenbildes usw. gelesen. Abends schöne Blicke, Regenbogen von Arth aufsteigend. Abendessen mit der Frau von Zürich.

19. Alarm im Hause, als unerwartet die Sonne glühend aufstieg, welche jedoch nach wenigen Augenblicken wieder von Wolken bedeckt wurde. Erfreuliche Aussicht. Abreise. Händedruck des Wirts nach tüchtiger Zeche. Das Kessibodenloch. Besteigen des Känzelis mit Emma, Aussicht auf den Vierwaldstättersee. Herabsteigen von der Rigistaffel nach Küßnacht, am Wege das steinerne Kreuz auf dem Felsstücke, als Denkmal des hier gestorbenen Ritters von Eschenbach. In Küßnacht Einkehr beim Landschreiber, im Adler, Aussicht über das hübsche Gärtchen auf den See und den Pilatus. Gang in die Hohle Gasse zur Tellskapelle, deren alte Inschrift einer neuen geschmacklosen weichen mußte. Fahrt vom Gärtchen aus über den See nach Luzern, Ruine von Geßlers Burg an der Anhöhe über Küßnacht. Trümmer von Habsburg. St. Nicolauskapellchen auf dem Felsen im See. Ankunft in Luzern um Mittag. Quartier im Adler. Gelderhebung bei Schmid u. Komp. Die Reuß bei der Brücke aus dem See gewaltig hervorschießend. Brief nach Tübingen. Maler Reinhardts Schweizertrachten. Die Kapelle für Ludwig XVI. Der sterbende Löwe über dem bourbonischen Schilde, nach Canovas (vielmehr Thorwaldsens) Modell in den Felsen gehauen, als Denkmal der gefallenen Schweizergarden, noch unvollendet unter dem Gerüste. Künstlerisch einfach große Idee, welches auch die Sache sei. Unterhaltung darüber mit Obrist Pfyffer, dem Leiter der Arbeit und Eigentümer des Platzes. Regen. Heimweg über die zwei bedeckten Brücken; die Jesuitenkirche. Abends Gang, allein, auf den hochliegenden Kirchhof. Regen.

20. Vormittags, nachdem der Regen sich gelegt, Gang mit Emma an den Hafen und auf den Kirchhof, wunderliche Denkmäler, namentlich der Tod mit der Geige vor einem Chordirektor in der Perücke. Absicht, von Luzern nach Alpnach auf dem See zu fahren, durch Gewitter vereitelt. Nachmittags Fahrt zu Lande nach Winkel, von da zu Wasser nach Alpnach. Donner im Gebirge, als wir uns eben eingeschifft, ungewisses Wetter. Der handfeste, trotzig schlaue Schiffmann. Das Häuschen um den Felsen, bei dem man vor dem Wetter Schutz suchte und das sich beim Anlanden plötzlich in eine Auberge verwandelte. Von Alpnach zu Fuß über Kägiswyl nach Sarnen. Gewitter und starker Regen: Unterstehen an der neuen Alpnacher Kirche, die Gräber der Ratsherrn. In Sarnen Quartier im Schlüssel. Ersteigen des Hügels, wo Landenbergs Burg gestanden, jetzt das Zeug- und Schützenhaus steht. Der Priester, das Sakrament dem Sterbenden bringend, empfangen und wegbegleitet von kerzentragenden Weibern, Gebet auf dem offenen Platze.

21. Fahrt auf einem Bankwagen von Sarnen über Sachseln und den Kaiserstuhl nach Lungern. Schöner Spiegel der Landschaft im Sarner See. Hohe Nußbäume. Die Kirche zu Sachseln mit Bildern von Niklas von der Flüe. Die Kirche von Giswyl, einzeln auf einem Hügel mitten im Thale liegend. Trümmer der Burg Rudenz, von der unser Fuhrmann, Wirz von Rudenz, herzustammen sich rühmte. Auf dem Kaiserstuhl tüchtiger Regen bis Lungern. Weg dicht am Lungernsee hin. Mittagessen zu Lungern im Löwen; Aussicht zum neuen Speisezimmer hinaus auf den Wasserfall und den See. Der Himmel heitert sich unerwartet auf. Fortsetzung der Reise zu Fuß über den Brünig nach Brienz. Beim Aufsteigen schöner Rückblick auf den See, hohe Buchen und Tannen, felsiger Weg. Beim Niedersteigen Aussicht nach Meyringen, auf die Fälle des Oltschibachs und des Wandelbachs, sowie auf den See. Zu Brienz Quartier im Kreuz (in Tracht), neues, nettes Wirtshaus am See. Ueberfahrt zum Gießbach dessen herrlicher Fall; dieser wie die übrigen Wasserfälle durch den Regen verstärkt; Blick von ihm auf den ruhigen See hinaus. Der Vorsprung mit der überragenden alten Linde, welche die Wurzeln hinausstreckt, am gewaltigsten Sturze; der Steg. Wohnung des Schulmeisters, der die Wege und übrigen Erleichterungen des Betrachtens ausgeführt; sein und seiner Kinder Gesang am Klavier, das Lied vom Gießbach. Auf der Rückfahrt Wetteifer der zugleich überschiffenden Mädchen. Der Speisesaal mit den blanken Fenstertafeln. Aufgehen des Mondes, dessen Spiegel im See. Die Sängerinnen.

22. Vormittags von Brienz nach Meyringen zu Fuß, an den Fällen des Oltschibaches und des Wandelbachs vorbei die Aar stark strömend. Zu Meyringen Quartier im Landhaus (Bären), Aussicht von da auf den Rosenlauigletscher und das Blumhorn, auf der andern Seite auf den Alpbach. Nachmittags Aufsteigen zu den verschiedenen Fällen des Reichenbachs; nachher zum Alpbach, von da Aussicht auf das Wetterhorn und dessen Gletscher im goldenen Abendlicht. Gang zu der Ruine der Burg Resti, einem alten Turme.

Sonntag, 23. In der Nacht unerwartet Gewitter mit starkem Regen, der den Tag über mit kurzer Unterbrechung fortdauerte. Bekanntschaft mit den Malern Lori, Vater und Sohn die in demselben Wirtshaus wohnen. Die Kirchgehenden, Rechenverkauf. Das Tagbuch von der ganzen Reise bis heute gefertigt. Gang zum Alpbach, der schauerlich schwarz herunterstürzt, dem Dorf ein gefährlicher Nachbar.

24. Regen mit weniger Unterbrechung. In Wyß’ Reise ins Berner Oberland gelesen. Gang in die finstere und die lautere Schlauche, Blick nach Im Grund.

25. Gang über die Scheideck nach Grindelwald von 9 Uhr vormittags bis nach 6 Uhr abends. Rosenlauigletscher. Der Reichenbach an der Seite. Einkehr in der Sennhütte der Alp Schwarzwald, Käsemagazin. Schöne Staublawine am Ganzenlauinengletscher. Regen schon vor der Schwarzwaldalp bis Grindelwald fast ununterbrochen, die Gipfel der Berge umwölkt. Brausende Bergströme mit schmalen Stegen. Abstieg zum obern Grindelwaldgletscher. Quartier im Gemsbock.

26. Vormittags Regen: Müllers Schweizergeschichte. Nachmittags einiger Sonnenschein. Gang zum untern Gletscher; Eisthor, aus welchem die Lütschine hervorströmt.

27. Gang über die Wengernalp nach Lauterbrunn. Beim Aufsteigen das Faulhorn schön beleuchtet. Auf der Bergscheide Begegnung Deffners (Fabrikanten in Eßlingen) mit seiner Frau und Legationsrat Wagners (aus Stuttgart). Die Hochgebirge anfangs gänzlich verhüllt, nach und nach in Umrissen hervortretend, mehr und mehr sich entschleiernd. Mehrstündiger Aufenthalt auf der Wengernalp, um dieses anzusehen. Imbis auf dem Dache. Lawinen. Beim Niedersteigen schöne Ansicht des Silberhorns, dann Hervortreten der Jungfrau hoch über den Wolken. Das frischgrüne Lauterbrunnenthal mit seinem Strom und seinen Wasserfällen, und oben die erleuchtete Gebirgswelt, magische Streiflichter an den Schneebergen im Hintergrunde des [335] Thals, der Felsenerker. Verweilen in Anschauung der herrlichen Gegend. In Lauterbrunn wohlgelegenes Wirtshaus, vom Speisesaal Aussicht auf das verglühende Gebirg, das nachher im Mondlicht weiß hervortrat. Beim Abendessen ein etwas liebenswürdiger Engländer, französische Unterhaltung.

28. Vormittags Gang zum Staubbach, der mit prächtigem Regenbogen geschmückt war, nachher zum Trümletenbach, der zwischen den Felsen wie in einer Wendeltreppe herabkommt, und zum Mirrenbach, der breit und durchsichtig wie ein Gewand an der Felswand herabwallt, Ansicht der Jungfrau, wie nur sie, kein andres Gebirg daneben, zwischen Tannenwäldern wie ein Palast aufsteigt, auf dem Rückweg der Staubbach auf eine andere Seite geweht, als wir ihn beim Ausgehen gesehen hatten, völlige Auflösung desselben in lichtes Staubgewölk. Beim Mittagessen Menzel (der bekannte Schriftsteller Wolfgang M.), sonst in Bonn, jetzt in Aarau. Nachmittags Fahrt nach Unterseen, Fall des Sausbachs, Zweilütschinen, Ruine von Unspunnen. Quartier im Kaufhaus. Gang auf den Hohbühl, Ansicht von Ringenberg, dann auf das Rugenhübeli, Sonnenuntergang über dem Thunersee, Niesen und Stockhorn in duftigrotem Scheine.

29. Morgens Gang nach Neuhaus. Von da Fahrt auf dem See nach Thun, Aussteigen zur Beatenhöhle. In Thun Jahrmarkt, Gang auf den hochgelegenen Kirchhof. Mittagessen im Freihof. Vierspänniges Retourgefährt nach Bern. Quartier daselbst im Falken. Stattliches, reiches Aussehen dieser Stadt. Kübelwäsche an allen Brunnen. Gang zu Königs Mondscheingemälden, widriges Gefühl, über der künstlichen Beleuchtung die natürliche der untergehenden Sonne zu versäumen. Am Abendessen v. Fichard aus Frankfurt (Historiker) mit seiner neuanvermählten Frau.

Sonntag 30. Vormittags Gang auf die Enge, Ansicht des Gebirgs. Der Bärengraben. Herumgehen in der Stadt. Das prächtige Bürgerspital. Militärmusik und Promenade auf der Platteforme. Besuch bei Professor Emmert (Chirurg, der in Tübingen studiert hatte). Nachmittags Gang mit Emmert zu den Bädern im Marzili, von denen wir keinen Gebrauch machen konnten, um nicht den Abend auf der Enge zu versäumen. Wiederholter Gang auf die Enge. Thee daselbst, Gesellschaftsspiele der Berner Jugend, herrlicher Sonnenuntergang an den Gebirgen. Eigenheit der Gebirgsansicht von Bern, daß hier die Hochgebirge des Oberlands fast ohne allen Vordergrund andrer Berge hervortreten.

31. Morgens Abreise von Bern zu Fuß, wegen ungebührlicher Forderung des bestellten Trägers trug ich das Gepäck bis gegen Gümlingen, Emmas Thränen darüber. Hitze. Weg über Worb usw. nach Signau. Einkehr in Höchstetten. Das Signauer Schloß mit Gespenstersage. Einkehr in Signau, die Weiber Thee zum Weine trinkend. Einkehr in Langnau; die beiden alten Männer vom Gebirge, wovon der eine, in den Siebenzigen, gekommen war, sich einen Zahn ausreißen zu lassen, der aber so fest stand, daß er abgebrochen wurde. Emma als Berner Bäuerin verkleidet. Der dicke Kutscher nach langem Warten erscheinend. Langsame Fahrt mit ihm auf dem Bankwagen, den heimkehrenden Alten begegnend, am Langnauer Armenhause vorbei, durch das Ilfisthal, über Eschlismatt, wo es bereits dunkel war, nach Schüpfheim. Ankunft daselbst um 11 Uhr.

August 1. Zu Fuß über Entlebuch und die Bramegg nach Schachen. Die hübsche fünfzehnjährige Trägerin, an den Armen mit Namen und Schere bezeichnet. Liebliche Gegend des Entlebuchs, frischgrüne Hügel mit zerstreutem Tannengehölz. Einkehr in Entlebuch, die dicken Wirtsleute, die feindlichen Eheleute, den Friedensrichter suchend. Hitze beim Uebergang über die Bramegg, Ausruhen am Walde. Oben Aussicht auf den Pilatus und den Rigi. Mittagessen in Schachen, Ausruhen im Grasgarten. Abends Fortsetzung der Fußreise über Malters, Platten, Littau nach Luzern. Die stumpige Trägerin, der ihr Tragkorb zu hoch war; das hilfreiche, schöne Mädchen von Wallis: der unterhaltsame Zinngießersjunge von Eschlismatt, der von seiner Reise ins Wallis mit seinem Oheim, dem Geiger, und von den reitenden Lawinen erzählte, auch unterwegs jedermann, besonders den betrunkenen Ratsherrn Dahm, bekannt anredete; angenehme Unterhaltung in dieser Gesellschaft. Zu Luzern Quartier im weißen Rößli.

2. Vormittags Gang auf den Leodegars-Kirchhof. Fahrt auf dem See nach Küßnacht mit zwei vermutlichen Künstlern, worunter ein Witzbold aus Bern; gewaltiger Regen auf der Fahrt, Frage des Schiffers an seinen Kameraden: ob es dahinten auch regne? Mittag in Küßnacht im Adler. Nachmittags, bei besserem Wetter, Gang durch die Hohle Gasse über Arth, wo wir einkehrten, den See entlang nach Zug. Quartier im Ochsen.

3. Morgens Nachricht vom Tod der Schwägerin Mine (Gattin des einzigen Bruders von Frau Uhland). Fahrt nach Zürich über den Albis. Ersteigung der Hochwacht, herrliche Uebersicht des vielumwohnten Zürchersees, die Gebirge noch verhüllt. Mittagessen im Albiswirtshause. In Zürich Quartier im Schwert. Gang auf die Post, wo ich Nosers (des Schwagers) Brief mit dem umständlichen Berichte vom Tode der Schwägerin antraf; erste Mitteilung dieser Nachricht an Emma, welche deshalb nach Hause drängte. Spaziergang zu Geßners Denkmal und auf die Katze, von da schöne Aussicht auf See und Gebirg bei Sonnenuntergang. An der Wirtstafel Fürst Esterhazy mit Familie.

4. Fahrt über Baden nach Zurzach. In Baden Ersteigung des alten Schlosses, Betrachtung desselben und der Gegend in Beziehung auf Johann von Schwaben (welchen Uhland dramatisch behandelte), die Nicolauskapelle. Auf dem Wege von Baden nach Zurzach Blick auf Königsfelden, Brugg, Windisch, Habsburg. Nachher Tägerfelden mit Burgtrümmer. Bei Zurzach Ueberfahrt nach Rheinen. Von da Extrapost nach Schaffhausen. Quartier in der Krone. Gang zum Rheinfall auf der Seite des Schlosses Laufen, schöner Abend; Betrachtung des Falles zuerst vom Gerüst, dann vom Häuschen aus, nachher Ueberfahrt und Rückweg auf der anderen Seite. Nachts Gewitter.

5. Theure Zeche. Fahrt mit Extrapost. Zuerst bei Regenwetter, über Tuttlingen bis Balingen. Auf der Tuttlinger Höhe Blick auf den Bodensee, auf Hohentwiel, Hohenhöwen usw. In Tuttlingen Mittagessen auf der Post, Besuch bei Beckh (Kaufmann, mit Uhland im Landtage). Zu Balingen Ankunft um 10 Uhr, Quartier in der alten Post.

Sonntag 6. Vormittags Fahrt mit Extrapost über Hechingen nach Tübingen. In Hechingen das neue Schloß, noch unausgebaut. Spaziergang um den Oesterberg mit den Eltern, Doktorin Weissers und ihre Kindern nach Lustnau, wohin der Onkel (Arzt) von Einsiedel her kam. Besuch bei Feuerlein.

7. Fahrt mit den Eltern zu Meyers (Pfarrer M., der Uhlands einzige Schwester zur Frau hatte) nach Pfullingen. Einkehr bei Pfarrer Hoffmann in Betzingen. Nach Tisch Spaziergang zur Papiermühle. Rückweg nach Reutlingen zu Fuß mit Meyer, Einkehr bei Hoferin. Rückfahrt nach Tübingen.

8. Vormittags Danksagungsvisiten bei Tante Uhland, Baurs, Knapps, Klotzin, Schützs, Onkel Christian, Faber. Nachmittags Fahrt nach Stuttgart. Einkehr in Echterdingen. Besuch bei der Großmutter und bei Rosers.

*      *      *

Das junge Paar war wieder zu Hause, in der behaglichen Wohnung in der damals noch so stillen, heute vom Lärm des Bahnhofs erstickten Kronenstraße. Uhlands Arbeitszimmer, erzählt die Biographin, ging in das Freie hinaus auf große Wiesen, an denen sich seine Augen ergötzten, und nachts freute er sich des großen Horizontes. Er hat es oft ausgesprochen – freut sich die Gattin berichten zu können –, wie wohl es ihm thue, daß er dem Wirtshausleben, zu dem ihn seine Verhältnisse genötigt hatten, entronnen sei. Auch daß er seine Eltern und die Freunde, die ihn so gastlich bei sich aufgenommen, Kerner, Mayer u. a., nun auch bei sich sehen konnte, machte ihm viele Freude. In abendlichen Zusammenkünften mit Albert Schott und Schwab nebst ihren Frauen wurde vorgelesen die Nibelungen, Hartmanns Armer Heinrich und anderes. Von eigener Poesie hat dieses Jahr 1820 nur eine Grabschrift auf die erwähnte junge Schwägerin aufzuweisen. Es ist aber doch bekannt, daß Uhland von der Schweiz nicht bloß empfangen hat: konnte er auch nicht so einzig groß wie sein Landsmann Schiller das Land des Tell für alle Zeiten verherrlichen – Uhlands Romanze „Tells Tod“ wird drinnen in den Alpen noch in fernen Jahrhunderten singen und sagen von des schwäbischen, des deutschen Dichters Liebe zu dem schönen, freien Schweizerland. J. Hartmann.     


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schwabe