An den Herrn Minister Herrfurth Exzellenz
(1890.)
Wenn Sie gesprochen, weise, klug und tief,
Von dem Gesetze, das die Volksbethörer
Noch knapp im Zaume hielt, dann überlief
Ein Gänsehäutchen auch die kühlsten Hörer.
So düstre Gräuel uns fidel und munter,
Daß man sich sagte, wenn die Schranke schwand,
So ging die ganze Welt unfehlbar unter.
Die Schranke fiel – sie liegt am Boden jetzt
Wo aber hat in Thaten umgesetzt
Sich das bewußte „ominöse Brüten“?
Litt irgendwo die „heil’ge Ordnung“ Noth?
Begann der Föhn der Leidenschaft zu wehen?
Und leidlich fest scheint mir die Welt zu stehen.
Es muß Sie doch als sehr humanen Mann
Höchst angenehm berühren, Herr Minister,
Daß friedevoll und ruhig kneipen kann,
Er wird sich freilich fragen mit der Zeit,
Warum sich nirgends denn die Waffen rühren,
Warum von Allem, was Sie prophezeiht,
Vom Untergang der Welt kein Haar zu spüren?
Kassandratöne warnend angeschlagen,
Als wären extra Sie drauf eingeübt,
Und namentlich das Roth dick aufgetragen.
In eine Wüste grau und todesbang
Doch läßt der große, düstre Untergang
Der ganzen Welt noch immer auf sich warten.
Schon vierzehn Tage waltet frei das Laster,
Und höchst unaufgerissen blieb das Pflaster.
Die Welt fährt fort, in Ruhe sich zu drehn
Und nicht das schwächste, leiseste Geknister
Verkündet uns ein bald’ges Untergehn –
Schon vierzehn Tage? Wie man lächeln mag,
Ob Ihres Wahns im Schooß des hohen Rathes!
Fiel das Gesetz – dann nicht für einen Tag
Verbürgten Sie die Sicherheit des Staates!
Und ward das Reich der Anarchie zur Beute?
So, wie die Welt vor vierzehn Tagen stand,
So steht sie, ohne das Gesetz, auch heute.
Man darf zum Scherz, wenn man ein Land regiert,
Doch wenn man sich dabei vergaloppirt,
So dulde man, daß selbst die Kinder lachen.
Ja, seinen Haken hat das Prophezeihn!
Sie nennt dereinst der friedlichste Philister,
„Des deutschen Reichs Weltuntergangs-Minister.“
Anmerkungen (Wikisource)
Ebenfalls abgedruckt in:
- Der Wahre Jacob 1890 Nr.110 (Seite 874)