An den Ahrensklinterklippen im Harz

Textdaten
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Autor: Eugen Friese
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Titel: An den Ahrensklinterklippen im Harz
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 738–739
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[728–729]

An den Ahrensklinterklippen im Harz.
Zeichnung von Chr. Kröner.

[738] An den Ahrensklinterklippen im Harz. (Zu dem Bilde S. 728 u. 729.) Die Scharen der Wanderlustigen aus der Ebene haben die grünen Harzberge verlassen, mit ihnen die bunten Sänger in Busch und Baum; es ist still geworden um die trotzigen, starren Steinklippen, zu denen der wirbelnde Wind das herbstlich gefärbte Laub emporträgt, um die er heulende Klagelieder singt, als trauere er um die geschwundene, sommerliche Pracht, die vor kurzem noch das weite Waldgebirge in ihr buntes, schimmerndes Gewand hüllte. Und der Herbststurm weckt auch den wilden Jäger aus dem mondelangen Schlaf, von neuem beginnt er sein nächtliches Streifen; mit gellendem Pfeifen, mit wildem Ruf und Peitschenknall treibt er den schaumtriefenden Renner dem am nächtlichen Himmel hinjagenden Gewölk voran, und die heulende kläffende Meute folgt seinem Hufschlag. Den einsamen Wanderer, den zur Nachtzeit sein Weg durchs Gebirge führt, ergreift wohl furchtsames Grauen; er denkt nur der Schreckgestalt der Sage, weil er die Wald und Luft erfüllenden Töne nicht auf ihren Ursprung zurückzuführen vermag; er sieht nicht die mächtigen Scharen der gefiederten Bewohner der Lüfte, die hoch über ihm auf der breiten Heerstraße der Zugvögel dem Süden zustreben und mit trompetenden, gackernden, pfeifenden Signalen ihre Geschwader zusammenhalten. Mit Freuden begrüßt er den lichten, rosigen Streifen, der im Osten den Horizont säumt; verkündet er ihm doch den nahenden Morgen und damit das Ende der nächtlichen Schrecken! Deutlicher werden die Umrisse der Umgebung; eben schwammen noch die Kronen der Bäume in dem aus den Thälern steigenden Nebelmeer, jetzt grenzen sie sich bereits scharf gegen den hellen Himmel ab und recken trotzig die starken, knorrigen Zweige in die reifkalte Morgenluft.

Unser Weg führt uns über den Jakobsbruch um den Hohnekopf nach [739] den Ahrensklinterklippen. Wir haben die Höhe erreicht und erblicken vor uns die grotesken, starren Felsgebilde, kahl, nur mit kümmerlichen Moosstreifen bewachsen. Stille ringsum; nicht das Zirpen eines Insekts, kein Vogelruf, selbst die beiden Raben hoch über uns ziehen stumm von ihrem Horst zum Fraß in die Ebene hinaus.

Eben wollen wir uns bereit machen, jenen Felsblock zu ersteigen, von dem man die herrliche Aussicht nach dem Brocken, dem Schnarcher, der Achtermannshöhe, dann nach dem versteckt liegenden Bodethal hin genießt, schon hat unser Fuß den Gipfel fast erreicht, sodaß wir die dahinter liegende Waldblöße vor uns auftauchen sehen, als uns ein dröhnender, machtvoller Ruf zusammenschrecken läßt. Wenige Fuß noch empor, und der Urheber desselben steht vor uns, der König der deutschen Wälder, ein Kronenhirsch. Und nun legt er das vielzackige Geweih zurück bis zum Rücken hin und hebt das stolze Haupt hoch empor, und mit dem dampfenden Athem stößt er von neuem seinen wilden Kampflaut aus, den das Echo des Waldes und der Berge vielstimmig zurückgiebt. Unten am Fuße der Klippen steht lauschend das Mutterwild, der Platzhirsch aber zieht dem Gegner entgegen, dumpf orgelnd, zum Kampf bereit, und nicht lange währt es, bis mit wuchtigem Stoß die Häupter der Gegner zusammenfahren und prasselndes Dröhnen dem Harem Kunde giebt von dem Streit, der um seinetwillen ausgefochten wird. Eugen Friese.