Textdaten
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Autor: Carl Lüttgens
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Titel: Aus Moltkes Jugendzeit
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aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 739
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[739] Aus Moltkes Jugendzeit. Der Generalfeldmarschall lebte während eines großen Theils seiner Knabenjahre in Holstein. Sein Vater hatte mit seiner Familie im Jahre 1807 das von den Franzosen eroberte Lübeck verlassen und das Gut Augustenhof im Ostholsteinischen käuflich erworben. Hier hielt Helmuth sich mit seinem Bruder Fritz noch bis 1811 auf; dann brachte der Vater die beiden Knaben nach Hohenfelde in das Haus des Pastors Knickbein, welcher als Erzieher und Lehrer eines guten Rufes genoß. Unter der Obhut des tüchtigen Mannes verlebte Moltke hier zwei für ihn bedeutsame Jugendjahre, deren er später noch in dankbarer Erinnerung gedenkt.

Die kriegerischen Vorgänge jener Zeit regten den Knaben mächtig an, und wenn „Soldat“ und „Krieg“ gespielt wurde, machte sich in dem Spiel auch wohl schon sein strategischer Geist geltend, und der aufmerksame väterliche Freund, der eine besondere Zuneigung zu dem reichbegabten, jugendmuthigen und doch durch so stille Sinnesart ausgezeichneten Zögling gefaßt hatte, mochte in dessen Beginnen schon mehr als bloßes Spiel sehen. So lieh er denn wohl freundliche Beihilfe, gab Erlaubniß und ertheilte Rath zu der Herstellung der Anlage, die der Knabe Helmuth als Leiter im Kriegsspiel mit seinen Genossen schuf. Es ist die kleine Insel, welche wir auf unserer nach einer photographischen Aufnahme hergestellten Abbildung sehen. Nach den Erzählungen des hochbetagten jetzigen Pfarrers von Hohenfelde, der von den Spielkameraden des Feldmarschalls die Schilderungen jener Tage häufig gehört hat, stellte diese Insel ein wasserumgebenes Festungswerk dar, welches Moltke durch kriegerische Einrichtungen zum Widerstand gegen feindliche Angriffe fähig machte. Vielleicht mag die ruhmreiche Vertheidigung Kolbergs die Veranlassung dazu gewesen sein.

Die Moltkeinsel im Pfarrhofe von Hohenfelde in Holstein.

Hinter dem stattlichen und dabei traut und freundlich ausschauenden Pfarrhaus liegt die Insel in einem länglichrunden, von Gebüsch und Bäumen umhegten Weiher, nach drei Seiten hin etwa drei Meter vom Ufer entfernt. Nach vorne hin ist sie mit dem Lande durch eine als Brücke dienende Bohle verbunden. Vier Meter beträgt etwa der Durchmesser der Insel, was immerhin für die bauenden Knaben eine gute Leistung bekundet, wenn auch in dem nicht tiefen Teiche leicht eine über den Wasserspiegel ragende Erdbank herzustellen war.

Wall und Befestigung sind längst verschwunden, und anstatt des kriegerischen macht heute das kleine Bild einen idyllischen Eindruck. Niedriges Buschwerk umsäumt jetzt das Eiland, und in seiner Mitte hat man eine Ruhebank angebracht.

Das Stückchen Erde, wo so oft die lauten Spiele des Knaben erschallten, muß uns Deutschen ein theurer und lieber Gegenstand der Erinnerung sein, denn Moltke selber schätzt die beim Pastor Knickbein verlebten Jahre als solche, in welchen seiner ganzen Bildung so manches zu gute gekommen ist. Fast dreißig Jahre nach der Zeit, da er das Pfarrhaus als dreizehnjähriger Knabe verlassen hatte, sandte der schon sehr bevorzugte und vielfach ausgezeichnete Hauptmann im Generalstabe sein erstes litterarisches Werk über „Zustände und Begebenheiten in der Türkei“ nach Hohenfelde mit der Widmung: „Meinem lieben Lehrer und väterlichen Freunde, dem ich so vieles verdanke, sende ich dies mein Erstlingswerk als ein schwaches Zeichen meiner Verehrung.
H. von Moltke.“     

Der Moltketisch in der „Stadt Hamburg“ zu Kellinghusen.

Aus dem Pfarrhause selbst stammt das zweite, hier ebenfalls abgebildete Moltkeandenken, der jetzt im Hotel „Stadt Hamburg“ zu Kellinghusen aufbewahrte Moltketisch. Er ist dort zum Stammtisch geworden, ein starker und fester Ausziehtisch, über dessen Platten sich die Knaben im Pensionat des Pastors Knickbein bei ihrer Schularbeit beugten.

Zu diesen Schulkameraden gehörte der Ortsvorsteher Claus Rüymann in Hohenfelde; derselbe erhielt den denkwürdigen Tisch von Pastor Knickbein zum Andenken an die in seinem Hause verlebte Jugendzeit, und nach dem Tode Rüymanns und seiner Frau ging das erinnerungsreiche Möbel 1872 in den Besitz des genannten Hotels über, wo es von den Stammgästen mit all der Ehrfurcht behandelt wird, die ihm geziemt.Dr. Lüttgens.