Abraham und Hagar (Gemälde der Dresdener Gallerie)

Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Abraham und Hagar
Untertitel: Von Adrian van der Werff
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
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Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1848−1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Scan auf Commons
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Abraham & Hagar.

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Abraham und Hagar.
Von Adrian van der Werff.

Der Maler dieses Bildes hat sich auf dem Felde der Portrait-, Genre- und Geschichtsmalerei einen bedeutenden Ruf erworben. Van der Werff ist ein Holländer; sein Geburtsort ist Kralingerambacht in der Nähe von Rotterdam, wo er 1659 das Licht erblickte. Obgleich sein Vater sehr arm war, so brachte er es doch zu Stande, daß ein damals in Rotterdam blühender, äußerst gewandter Portraitmaler, Cornelius Picolet, den Knaben in die Lehre nahm, wo er so rasche Fortschritte machte, daß Eglon van der Neer. dem Kunstjünger eine glänzende Laufbahn voraussagend, ihn zu seinem bevorzugtesten Schüler machte.

Von der Portraitrichtung her bewahrte van der Werff bis in seine letzte Periode ein inhaltreiches Charakteristisches, welches nie durch die spätere bloße Gewandtheit bei dem Entwurfe seiner Gemälde völlig verdrängt werden konnte. Diese Charakteristik, durch eine sonst den holländischen Malern nicht eigenthümliche Leichtigkeit in Composition und Zeichnung abgeschliffen, giebt den Genrestücken van der Werff’s eine attische Würze, wie sein Lehrer sie selten erreichte. Eine Reise, welche er mit dem letzteren unternahm, diente besonders dazu, dem jungen Maler in seinen folgenden Werken eine Eleganz zu verleihen, wie sie, zum Schaden der Kunst, damals von den vornehmen Beschützern derselben erheischt wurde.

Im siebzehnten Jahre war Adrian so weit vorgeschritten, um selbständig zu arbeiten. Es war der kunstliebende Kurfürst von der Pfalz, welcher den Künstler lange fast ausschließlich beschäftigte und dadurch die Ursache wurde, daß Adrian van der Werff bei der vornehmen Welt in Mode kam. Aus seiner ersten Periode stammen die Portraits der kurfürstlichen Familienmitglieder und, im historischen Fache, das Bild: Urtheil des Salomon, welches unendlich oft durch den Grabstichel wiedergegeben wurde. Van der Werff’s ersten Bilder sind markiger, breiter gemalt als diejenigen aus einer spätern Zeit, und diese frühen Blüthen des Talents müssen an Pracht und Werth weit über die Productionen des spätern Lieblingsmalers der Fürsten gestellt werden.

Die Richtung, welche van der Werff mit seinem steigenden Ruhm einschlug, kommt zunächst auf Rechnung der an ihn gestellten Forderungen. Der Maler wurde genöthigt, seine Bilder bis auf’s Genaueste auszuführen. Man verlangte von ihm Cabinetsstücke und er lieferte sie und sah sich genöthigt, die Zierlichkeit in Zeichnung und Färbung statt der großen künstlerischen Wahrheit [237] derselben zu verfolgen. Diese miniaturartige Ausführung seiner Bilder liegt vom Ursprung an nicht in van der Werff’s Wesen, wofür namentlich seine frühesten Portraits Zeugniß geben. Eine Ausführung mit Dow’schem und Mieris’schem Fleiße war ihm keineswegs natürlich, daher wird er manierirt und mit Ausnahme des in der Regel mit glücklicher Harmonie gewählten Colorits geht er weit ab von künstlerischer Schönheit und Wahrheit.

Van der Werff hat stets eine ungemeine Vorliebe für Geld gezeigt, ohne aber, wie der alte Rembrandt, dabei die tiefste Verachtung gegen die Ideen und Wünsche der Leute zu empfinden, welche seine Bilder kauften. Seine hohen Gönner liebten den damals modischen Ton des Fleisches, welcher, der Wirklichkeit fremd, elfenbeinglatt sich zeigt, und Werff eignete sich nur zu bald diese gläserne, geleckte, unwahre Weise in seinen Gemälden an. Ebenfalls, und das darf nicht weniger strenge Beurtheilung finden, machte Werff viele Bilder, deren hauptsächlichstes Verdienst eine versteckt sein sollende, darum aber nur um so unverschämtere Lüsternheit ist. Dies Lüsterne verleugnet später der Maler selbst in seinen heiligen Bildern nicht.

Unser Bild, die Austreibung der ägyptischen Sclavin, Hagar und ihres Sohnes Ismael, verbirgt einen Hauch dieser Lüsternheit nicht; ist übrigens rein und reizend aufgefaßt und zeigt eine fast ideale Wahrheit. Auch hat sich der Maler in der Composition einer Einfachheit beflissen, wie er sie selten erreicht. Die diesem Stücke zu Grunde liegende wunderschöne biblische Erzählung darf als bekannt vorausgesetzt werden. Sara, die Frau des Erzvaters, welche ihm keinen Erben geben kann, führt ihm ihre ägyptische Sclavin, Hagar, zu, welche den Ismael gebiert. Als aber die Verheißung des Engels erfüllt war und Sara in ihrem hohen Alter den Isaak, den Einzigen geboren hatte, durch welchen die Völker der Erde gesegnet werden sollten, ward Sara auf ihre Sclavin eifersüchtig und trieb den Erzvater so lange ein, bis er den Ismael, den Spötter, sammt seiner Mutter, mit wenigen Lebensmitteln versehen, aus dem Hause wies. Dies ist der Moment des Gemäldes. Später in der Geschichte ereignet sich die rührende Scene zwischen Mutter und Sohn in der Wüste, als sie sich weit von ihm absetzt und verzweifelnd ausruft: Ich kann nicht ansehen des Knaben Sterben! Aber die fast Verschmachteten wurden durch den Herrn gerettet, welcher ihnen eine Quelle wies, und bald wurden die Nachkommen Ismael’s, die Vorväter der Araber – wie diese behaupteten – die Herren der Wüste und ein handeltreibendes reiches Volk.

Höchst ehrwürdig und bezeichnend steht hier der Erzvater, in dessen Mantelfalten sich der kleine Isaak, schadenfroh seinen bittenden Bruder anblickend, verbirgt. Kaum wagt es Abraham, das weinende Mädchen mit widerstrebender Hand fortzuweisen, während seine Rechte den Sohn segnet. Sara, an einen Pfeiler gelehnt, blickt mit kalter Befriedigung auf ihr Werk, während das Auge Abraham’s von feuchtem Glanze umflort scheint. Im Hintergrunde beginnt mit der Pyramide die steinige, wasserlose Wüste. Die Landschaft ist jedoch höchst nebensächlich behandelt. Die Zeichnung ist sauber, die Gewandungen frei und namentlich beim Abraham in breiter Weise gehalten; die Wirkung des Ganzen ist lebhaft und eindringlich. Doch ist der Farbenauftrag geleckt, obwohl das Nackte bei der Hagar weicher und elastischer erscheint, als dies bei Adrian van der Werff gewöhnlich der Fall ist.

Dieser Maler erhielt für seine Bilder ungeheure Preise; fünf- bis zehntausend Gulden für ein Gemälde war bei ihm nichts Ungewöhnliches. Von dem Chevalier Page bezog Werff 33,000 [238] Gulden. Werff hat, obgleich er so sehr fleißig ausführte, eine nicht geringe Anzahl von Bildern geliefert, von denen Dresden und München die schönsten bewahren. Seinen Adel empfing er vom Kurfürsten von der Pfalz, welcher ihm auch ein Jahrgeld von 4000 Gulden zahlte, das später auf 6000 Gulden erhöht wurde. Werff wurde daher am Ende ein Mann von sehr großem Vermögen, der mit den ersten Familien Rotterdams verwandt war. Für seine Lieblingsstadt Rotterdam zeichnete Werff, der in architektonischer Hinsicht bedeutende Kenntnisse hatte, den Entwurf der jetzigen Börse, und seine Freunde, die Baumeister in Rotterdam, hatten sich sehr oft von seiner Hand der schönsten Risse zu ihren Portalen und Façaden zu erfreuen. Einige dieser architektonischen Zeichnungen, sehr sauber ausgeführt, sind noch vorhanden; anderweite Zeichnungen, die er stets gleich seinen Gemälden auszuführen pflegte, sind im höchsten Grade selten und daher von ganz ausnehmendem Werthe. Nach Werff ist oft gestochen und dabei ist seinen Genrestücken stets der Rang eingeräumt; wohl auch ein Anzeichen, daß seine selten so vollendet als das Bild Abraham und Hagar aufgefaßten geschichtlichen Gemälde diesen Genrestücken an künstlerischem Gehalte nachstehen. Van der Werff starb in Rotterdam im Jahre 1722. Von seinen zahlreichen Schülern verdient sein Bruder Pieter van der Werff besonders genannt zu werden, obgleich derselbe die Manier des Meisters noch weiter auf die Spitze trieb und keineswegs an Phantasie und Compositionstalent dem Adrian gleichkam. Pieter lebte von 1665 bis 1718.