ADB:Zuccalmaglio, Anton Wilhelm Florentin von

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Artikel „Zuccalmaglio, Anton Wilhelm Florentin von“ von Jakob Schnorrenberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 467–469, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zuccalmaglio,_Anton_Wilhelm_Florentin_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 11:10 Uhr UTC)
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Band 45 (1900), S. 467–469 (Quelle).
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Zuccalmaglio: Anton Wilhelm Florentin von Z., Forscher, Dichter, Musiker und Kritiker, wurde am 12. April 1803 zu Waldbroel, einem rheinischen Städtchen, geboren, daher er sich später den Schriftstellernamen Wilhelm von Waldbrühl beilegte. Sein Vater war dort Advocat, verlegte aber bald nach der Geburt dieses Sohnes seinen Wohnsitz nach Opladen, woselbst er die Stellung eines Amtsadvocaten bekleidete. Von letzterem Platze zog die Familie, welche nebenbei bemerkt väterlicherseits italienischen Ursprunges ist, während die Mutter, eine geborene Deycks, aus der Familie des bekannten niederländischen Malers stammen soll, nach Verlauf einiger Jahre nach dem benachbarten Schlebusch, woselbst man ein Gut kaufte. Im Hause seines Großvaters, des Gensdarmerie-Oberstlieutenants Johann Heinrich von Z., welcher in Mülheim a. Rh. stationirt war, verlebte Anton einen großen Theil seiner Jugend und besuchte die dortige höhere Schule. Später genoß er mit seinem jüngern Bruder Vincenz den Unterricht des Karmeliter-Gymnasiums in Köln und trat nach Absolvierung desselben in die 7. Artilleriebrigade unter Oberst von Tuchsen ein, in der Absicht, sich ganz dem Militärstande zu widmen. Es scheint aber, daß ihm dieser auf die Dauer nicht behagte; denn schon nach drei Jahren, als er es bis zum Feuerwerker gebracht hatte, schied er aus und bezog Michaelis 1826 die Universität Heidelberg, um sich auf das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften zu verlegen, mit dem Vorhaben, später die akademische Laufbahn einzuschlagen. Nebenbei aber beschäftigte er sich und zwar mit größerer Vorliebe mit Musik, sowie mit Zeichnen und Archäologie und erwarb in den Naturwissenschaften, der altdeutschen Sprache und deutschen Mythologie tüchtige Kenntnisse. Als Z. schon die vorbereitenden Schritte zum Eintritt in die akademische Carriere gethan hatte, wurde ihm die Stelle als Erzieher des einzigen Sohnes des Fürsten Gortschakoff in Warschau angetragen, ein Ruf, dem er um so lieber Folge leistete, als seine Familienverhältnisse sich zum schlechteren gewandt hatten. In Warschau blieb er acht Jahre in Stellung, während welcher Zeit er seinen Zögling auf vielen Reisen durch Rußland und Deutschland begleitete. Er machte auf denselben die Bekanntschaft vieler Diplomaten, Fürsten und Gelehrten, und lag eifrig und mit gutem Erfolge dem Studium der slavischen und persischen [468] Sprache ob. Schon in den Jahren 1829 und 1830 hatte er gemeinschaftlich mit Dr. E. Baumstark eine Sammlung von Volksliedern herausgegeben, welchen im J. 1840 zwei Bände, Melodie und Text, seiner deutschen Volkslieder folgten; eine Frucht seiner Reisen in Rußland war die Sammlung russischer und polnischer Volkslieder, welche er unter dem Titel „Slavische Balalaika“ 1843 erscheinen ließ. In das Studium der morgenländischen Dichtungen wurde er durch den persischen Gelehrten Mirza Muharem eingeführt. Auch brachte ihm sein Aufenthalt in Rußland viele Auszeichnungen ein: die Ehrenmitgliedschaft gelehrter Vereine, die Doctorwürde der Universitäten Dorpat und Moskau sowie vom russischen Zaren den Titel eines kaiserlichen Professors. In dieselbe Zeit fällt auch Zuccalmaglio’s Hauptthätigkeit als Mitarbeiter an Rob. Schumann’s „Neuer Zeitschrift für Musik“; seine Beiträge erfreuten sich der ungetheilten Beliebtheit aller Leser.

Im J. 1840 zog ihn die Sehnsucht nach Heimath und Mutter – sein Vater hatte bereits das Zeitliche gesegnet – an die Stätte seiner Jugend hin; er kehrte nach Schlebusch zurück und verließ nunmehr nur noch gelegentlich sein Heimathland. Er bekleidete noch nach einander in Frankfurt a. M., Elberfeld, Hagen und zuletzt zu Nachrott im Lennethale die Stelle eines Pädagogen; war ihm doch der Jugendunterricht lieb und theuer geworden. Und gerade die letztere Stätte im Hause der Familie Schmidt wurde ihm nach dem Hingange seiner Mutter, seines Oheims und so mancher seiner Freunde eine der liebsten auf der Erde, und hier sollte auch der unerbittliche Tod seinem schaffensfreudigen Dasein ein Ende setzen. Z. war im Herbste des Jahres 1867 zu seinem Bruder Vincenz nach Grevenbroich gezogen, dort ganz den Wissenschaften und dem Umgange mit Freunden lebend. Auf einem Besuche in Nachrott bei seinem Freunde Löbbecke schied er in der Fülle der Gesundheit am 23. März 1869 ganz unerwartet aus dem Leben: er war von einem Herzschlag getroffen. Seine Gebeine ruhen auf dem Friedhofe zu Altena, mitten in seiner Lieblingslandschaft.

Z. wird uns von denjenigen, welche ihn persönlich kannten, als schöner, kraftvoller Mann geschildert, der mit seiner hohen Gestalt und dem ausdrucksvollen Kopfe mehrfach seinen Düsseldorfer Malerfreunden zu Heldenbildern gesessen hat. Seinen Charakter hat er selbst, als er sich 1866 um das Mandat eines Volksvertreters für den Kreis Mülheim-Wipperfürth und Siegburg bewarb, geschildert, indem er sagt, er habe sein ganzes Leben hindurch nicht nach der Gunst der Großen gelungert, habe nicht getrachtet, eine glänzende Laufbahn zu machen, sondern sich in einfach bürgerlicher Stellung am Gemeinwohl zu bethätigen gesucht, gestrebt ein ehrlicher Mann und seinen Grundsätzen treu, d. h. unabhängig zu bleiben. Er sei in der katholischen Confession erzogen worden, er habe aber sich von jeher mit den Ansichten anderer Menschen vertragen gelernt, habe die Lehren, welche über das gegenwärtige Leben hinaus zielten, nie dadurch entheiligen wollen, daß er sie heuchlerisch zur Schaustellung benutzte, um politische Ziele zu erreichen und die Augen der Arglosen zu blenden.

Ueber seine Thätigkeit als Pädagoge urtheilt Jansen (s. u.) also: „Bei der Erziehung seiner Zöglinge war es seine Hauptaufgabe sie zu selbstthätigem Denken, zur Selbständigkeit anzuregen und in ihnen die Ehrfurcht vor dem unendlichen Wesen zu erwecken. Er unterrichtete in allen Fächern, von der Mathematik und Metrik bis herunter zum Schwimmen und Schlittschuhlaufen. Seine Lehrmethode war die sokratische; die Natur blieb der Eingang und der Ausgang. Das Stubenleben war für den Winter, im Sommer gab er in eigener Weise den Wanderlehrer ab; da gings hinaus durch die Thäler und über die Berge, und die Zöglinge gediehen hierbei nicht nur leiblich, sondern auch geistig besser“.

[469] Zuccalmaglio’s Verdienste auf litterarischem und musikalischem Gebiete sind, zumal für die Rheinlande recht beachtenswerth; es wäre zu wünschen, daß eine Gesammtausgabe seiner Werke nicht lange auf sich warten ließe. Für die Hebung der rheinischen Musikfeste war er in Wort und Schrift thätig, wie er auch die Bestrebungen der Männergesangvereine eifrigst zu fördern suchte. Für Schumann schrieb er Operndichtungen, deren Composition freilich unterblieben ist. Außer den bereits genannten Sammlungen von Volksliedern hat er die deutschen Pflanzennamen behandelt, das Leben berühmter Werkmeister, Naturforschung und Hexenglaube u. a. m. Für die Rheinlande besonders von hohem Werthe sind sein „Dombüchlein“; „Die Lurleisage“; „Die Düsseldorfer Xenien“; „Mosellieder“; „Wesen der niederrheinischen Sage“; „Lieder vom Siebengebirge“; „Rhingscher Klaaf“ und noch verschiedene andere Abhandlungen und Dichtungen. Auch hat er seines Bruders Vincenz Buch „Die Vorzeit der Länder Cleve-Mark, Jülich-Berg und Westfalen“ in wissenschaftlicher Umarbeitung neu herausgegeben.

Franz Cramer: Dr. d’Alquen, Anton und Vincenz v. Zuccalmaglio. (Enth. i. d. Festschrift zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens der Realschule I. O. zu Mülheim a. Rh. Köln 1880, S. 7–13.) – F. Gustav Jansen: Die Davidsbündler. Leipzig 1883, S. 138–150. – Auch enthält der 1870 erschienene 1. Band der neuen Ausgabe der Vorzeit von Montanus eine Lebensbeschreibung von Anton Wilh. Florent. v. Zuccalmaglio.