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Artikel „Zell, Ulrich“ von Jakob Schnorrenberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 19–21, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zell,_Ulrich&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 13:18 Uhr UTC)
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Zell: Ulrich Z., Kölns erster Buchdrucker, stammte, wie der Zusatz seines Namens besagt, aus Hanau am Main, der ehemaligen Hauptstadt der Grafschaft gleichen Namens. Seine Kunst hat er ohne allen Zweifel in Mainz erlernt, jedenfalls in der Fust-Schöffer’schen Officin, da seine Typen unverkennbar deren Einfluß aufweisen. Er scheint Gutenberg, welchen er in der Koelhof’schen Chronik den Erfinder der Buchdruckerkunst nennt, persönlich nicht nahe gestanden zu haben, da er ihn aus Straßburg gebürtig sein läßt, während derselbe doch in Mainz das Licht der Welt erblickte. Die Mainzer Katastrophe von 1462, welche die Stadt unter großen Greuelthaten in die Gewalt Adolf’s von Nassau brachte und Handel und Gewerbe daselbst für lange Zeit brach legte, mag wol unter vielen andern Druckergehülfen auch Ulrich Z. zum Auswandern veranlaßt haben. Er lenkte seine Schritte nach Köln hin, wo er am ehesten hoffen durfte, ein ergiebiges Feld für seine Kunst zu finden. Ein Buchdrucker, der sich allein in den Dienst der Universität stellte, konnte schon dadurch auf genügenden Absatz seiner Druckwerke rechnen. Es beweist jedenfalls einen hohen Grad von Geschäftssinn bei Z., daß er sich gerade nach Köln wandte, und was er hier erhoffte, scheint ihm im reichsten Maße zu theil geworden zu sein.

Sein erster mit Namen und Jahr versehener Druck, der erste datirte Kölner Druck überhaupt, stammt zwar aus dem Jahre 1466 – liber Johannis Chrysostomi super psalmo quinquagesimo –, indessen ist es mehr als wahrscheinlich, daß unser Meister schon recht bald nach der im J. 1462 erfolgten Einnahme von Mainz seine Officin in Köln errichtet hat, wenn nicht in diesem, so doch im darauf folgenden Jahre. Jedenfalls ist die Zell’sche Ausgabe der Officia des Cicero noch älter als 1465, da ihre zahlreichen Fehler in die in eben jenem Jahre von Fust und Schöffer veranstaltete, dem Z. nachgedruckte Ausgabe übergegangen sind. Der gelehrte Forscher und Bibliograph J. P. A. Madden läßt in seinen lettres d’un bibliographe Ulrich Z. von Hanau bei seinem Eintreffen in Köln Unterkunft und gastliche Aufnahme bei den Brüdern vom gemeinsamen Leben im Kloster Weidenbach finden; in ihrem Hause habe er die erste Presse errichtet. Madden schöpfte dieses aus handschriftlichen Notizen in Zell’schen Drucken, die den genannten Klosterbrüdern gehörten. Was Madden aber zu einer Thatsache construirt, ist eine bloße Vermuthung, deren Unrichtigkeit Arthur Wyß bereits in der Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst, Jahrgang VII (1888), in überzeugender Weise nachgewiesen hat; ich habe dann dessen Beweisgründe noch im Centralblatt für Bibliothekswesen, Jahrg. 1895, S. 502–507, zu unterstützen gesucht.

Es scheint, daß Z. in Mainz die kleinen Weihen genommen hat, um sich die Privilegien des geistlichen Standes zu sichern. In dem oben erwähnten Chrysostomusdrucke nennt er sich clericus diocesis Moguntinensis, eine Bezeichnung, welche in dem 1467 von ihm gedruckten Augustinus, de vita christiana wiederkehrt. Er hat sich wol unter dem Schutze seines clericalen Charakters nicht sofort in die Bürgerlisten eintragen und in eine Zunft aufnehmen lassen. Erst später ließ er die Bezeichnung „Clericus“ weg und erscheint dann in den anderen Drucken, in deren Schlußschrift er sich nennt, als Civis Coloniensis. Daß Zell’s Geschäft bald einen blühenden Aufschwung genommen, dürfte daraus hervorgehen, daß er bereits 1471, als Besitzer eines eignen Hausstandes durch die Heirath mit Katharina v. Spangenberg, das Haus Birklin mit einer Hofstatt gelegen neben dem Kirchhofe an Lyskirchen kaufte. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß er in eben diesem Hause anfänglich zur Miethe gewohnt hat. Schon zwei Jahre später, 1473, erwarb er den neben seiner Wohnung gelegenen Rittersitz der Familie von Lyskirchen. Der um die rheinische, besonders kölnische Geschichte hoch verdienstvolle Forscher Merlo, welcher zuerst einige den [20] Ulrich Z. betreffende Urkunden veröffentlichte, zählt noch eine Reihe von Häusern, Ländereien und Renten auf, welche Z. im Laufe der Jahre sein Eigen nannte und die zur Genüge den Reichthum darthun, über welchen er verfügte und der ihm jedenfalls nicht zum geringsten Theile aus den Erträgnissen seiner Druckerei zufloß. Das weit ausgedehnte Besitzthum Zell’s an Lyskirchen wird man als Haupt- und eigentliche Stätte für den mercantilischen Betrieb des Geschäftes anzusehen haben, wie ja auch aus der auf seinem Druckerzeichen angegebenen Adresse „apud Lyskirchen“ ersichtlich ist; da dasselbe aber von dem religiösen und wissenschaftlichen Leben Kölns, auch von dem Fremdenverkehr ziemlich entlegen war, so errichtete unser Meister im nördlichen Stadttheil an belebter Stelle einen Verkaufsladen; auf dem Kamphofe nämlich erwarb er im J. 1478 ein sogenanntes „Gaddem“, ein Kramgehäuse. Im Besitze dieser Filiale blieb er bis zum Jahre 1493, wo die Verkaufsstätte in andere Hände überging. Meister Ulrich tritt auch bei einigen geschäftlichen Verhandlungen der Kirche zur h. Maria an Lyskirchen in dem Ehrenamte eines Kirchenmeisters auf, so in den Jahren 1476, 1480 und 1493, was als Beweis dafür dienen darf, daß er hohes Ansehen unter seinen Pfarrgenossen besaß. In den von Merlo verzeichneten Urkunden hat der Schreinsschreiber Ulrich’s Stand „Buchdrucker“ nur ein einziges Mal und zwar im J. 1485 angegeben.

Das Todesjahr Zell’s ist nicht bekannt; doch lebte er noch im J. 1507, wo ihm am 20. März die Ablösesumme einer Rente vor dem Schreine überliefert wurde. In dem nämlichen Jahre noch, am 14. August, verkaufte er sein Haus „Alte Malzmühle“ auf dem Eigelstein. Ob er bis zu diesem Jahre auch als Drucker thätig war, ist nicht festgestellt. Bis zum Jahre 1502 druckte er jedenfalls; denn der im Ennen’schen Inkunabelnkatalog S. 56 Nr. 130 angeführte Zell’sche Druck Passio beati Albani, der vom Abte und Convente von St. Pantaleon in Köln dem Könige Heinrich VIII. von England gewidmet ist, hat als Datum der Dedication den 13. Januar 1502.

Aus der Ehe Zell’s mit Katharina v. Spangenberg entstammte nur ein Sohn, Johannes mit Namen, der indeß nicht in die Fußstapfen des Vaters getreten zu sein scheint, da von seiner Wirksamkeit sich nicht die leiseste Spur vorfindet.

Die Zahl derjenigen Drucke, in welchen Zell’s Namen angegeben ist, beläuft sich auf neun – Ennen gibt deren nur sechs an –; nach letzterem sind aus der Zell’schen Officin im ganzen 115 Drucke hervorgegangen; Kapp, Geschichte des deutschen Buchhandels, schätzt sie auf 120. Man ist gegenwärtig geneigt, Zell’s Thätigkeit als eine möglichst ausgedehnte darzustellen, anscheinend mit vollem Rechte und die beiden vorher angegebenen Zahlen 115 und 120 dürften noch viel zu niedrig gegriffen sein. Kapp warnt vor Verwechslung der Typen Zell’s mit denjenigen des Konrad Winters von Homburg, da die von diesem gebrauchten Schriftgattungen denjenigen Ulrich Zell’s so ähnlich seien, daß sie häufig damit verwechselt würden. Ennen ist der Ansicht, daß nach Maßgabe seiner Typen Konrad bei Ulrich die Kunst gelernt habe. Ich halte die Typen beider indessen zum großen Theile für gleich und glaube, daß Konrad Winters von Homburg sie von Z. erhalten hat.

Die neun mit dem Namen Zell’s und dem Jahre versehenen Drucke sind, in zeitlicher Reihenfolge aufgeführt, folgende: 1) Chrysostomus, sermo super psalmum quinquagesimum (1466); 2) Augustinus, de vita christiana; item de singularitate clericorum (1467); 3) Caracciolus, opus quadragesimale (1473); 4) Alexander Gallus, doctrinale (1491); 5) G. Harderwyck, commentaria in summulas Petri Hispani (1492); 6) G. Harderwyck, commentarii in tractatus parvorum logicalium Petri Hispani (1493); 7) G. Harderwyck, Commentaria [21] in quatuor libros novae logicae (1494); 8) Alexander Gallus, doctrinale (1494); 9) Reparationes librorum totius philosophiae naturalis (1494). Der ersterwähnte Chrysostomus ist nur in wenigen Exemplaren bekannt; von deutschen Büchereien besitzen nur die Kölner und die Trierer Stadtbibliothek je ein Exemplar. Der Augustinus-Druck des Jahres 1467, gleichfalls selten, ist häufiger; er befindet sich u. a. in der kgl. Bibliothek in Berlin, in der kgl. Hof- und Staatsbibliothek in München, im Buchgewerbe-Museum in Leipzig und in der fürstl. Stolberg-Wernigerödischen Bibliothek zu Wernigerode. Die Kölner Stadtbibliothek hat wol den reichsten Bestand wie an Kölner Drucken überhaupt, so auch an Zell’schen; im Ennen’schen Kataloge der Inkunabeln der Stadtbibliothek zu Köln sind nur diejenigen Drucke angeführt, welche sich in der in den Besitz der Stadt übergegangenen Wallraf’schen Büchersammlung befinden; die im J. 1885 von der städtischen Bücherei in dauernde Verwahrung und Verwaltung übernommene Bibliothek der katholischen Gymnasien, welche eine sehr große Menge von Inkunabeln birgt, besitzt auch recht viele Zell’sche Drucke, so daß der Bestand der Wallraf’schen Sammlung dadurch in angemessener Weise ergänzt wird.

Die meisten Drucke Zell’s sind in Klein-Quart, einige wenige in Klein-Octav und etwa achtzehn in Folio. Die Formatverhältnisse erklären sich daraus, daß die Presse Zell’s vorwiegend im Dienste der Kölner Universität stand und den Professoren und Studenten derselben meist theologische und philosophische Lehrbücher lieferte. Von den größeren von Z. gedruckten Folianten nimmt die zweibändige, undatirte Bibel die erste Stelle ein. Das Druckerzeichen Zell’s, das sich vielfach auf den Titel- oder Schlußblättern seiner Preßerzeugnisse vorfindet, besteht in der Mutter Gottes, welche sitzend den Jesusknaben auf dem Schoße hält, von gothisch-architektonischer Verzierung umgeben; in den beiden oberen Ecken befindet sich das Kölner Wappen mit den drei Kronen und zwölf Flämmchen; die Unterschrift lautet: „Impressum Colonie apud Lijskirchen“.

Büllingen, Materialien zu einer Buchdruckergeschichte Kölns. (Handschrift in der Kölner Stadtbibliothek.) – Lempertz, Bibliographische und xylographische Versuche. Heft 1. Köln 1838. S. 1–3. – Falkenstein, Geschichte der Buchdruckerkunst. Leipzig 1840. S. 153–154. – Merlo, Nachrichten von dem Leben und den Werken Kölnischer Künstler. Forts. 1. Die Meister der altkölnischen Malerschule. Köln 1852. S. 91 ff. – Ennen, Katalog der Inkunabeln in der Stadt-Bibliothek zu Köln. Abth. 1. Köln (1869). S. II–VI u. S. 27–58. – Madden, Lettres d’un Bibliographe. Série III. Versailles 1874. – Merlo, Der Kamphof in Köln. In: Jahrbücher d. Vereins v. Alterthumsfreunden im Rheinlande. Heft 57. Bonn 1876. – Kapp, Geschichte des deutschen Buchhandels. Leipzig 1886. S. 94–95. – Chrysostomi super psalmo quinquagesimo liber primus. Nachbildung der ersten Kölner Ausgabe des Ulrich Zell vom Jahre 1465. Hsg. v. d. Stadtbibliothek in Köln. Köln 1896. – Zusammenstellung der Drucke Zell’s außer bei Hain, Repert. bibliogr., Register dazu von Burger, Leipzig 1891, S. 367–369, bei Panzer, Annales typographici und bei Ennen, auch bei Klemm, Katalog d. Bibliogr. Museums, Dresden 1884, S. 161 bis 164, und bei Busch, Verzeichniß d. Kölner Inkunabeln in der Hofbibibliothek zu Darmstadt, im Centralbl. f. Bibliothekswesen, 1889, S. 97–107. – Die Kölner Büchermarken, hsg. von P. Heitz. Mit Nachrichten über den Drucker von O. Zaretzky. Straßb. 1898, S. XI–XV u. Taf. I.