Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Zainer, Günther und Johannes“ von Karl Steiff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 672–674, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zainer&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 18:30 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Zainer, Andreas
Nächster>>>
Zais, Christian
Band 44 (1898), S. 672–674 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Zainer in der Wikipedia
Günther Zainer in Wikidata
GND-Nummer OFF
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|44|672|674|Zainer, Günther und Johannes|Karl Steiff|ADB:Zainer}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=OFF}}    

Zainer: Günther und Johannes Z. (Zeiner), zwei hervorragende Vertreter der Buchdruckerkunst im frühen Wiegenalter derselben. Günther Z., ein Reutlinger Bürgerssohn, ist als selbständiger Meister in Augsburg thätig gewesen. Doch ist neuerdings durch K. Schorbach eine frühere Spur von ihm in Straßburg entdeckt worden, indem er im dortigen Bürgerbuch aus Anlaß seiner Verheirathung mit Agnes, Hans Krieg’s Tochter eingetragen ist, und zwar beim J. 1463. Damit ist zugleich erwiesen, daß er weder bei Fust und Schöffer in Mainz noch in Köln, wie man schon vermuthet hat, die neue Kunst gelernt, sondern in Straßburg, wobei wohl nur Joh. Mentelin als sein Lehrmeister in Betracht kommen kann. Da G. Zainer’s frühester Augsburger Druck, der ein Datum trägt und dieser ist vielleicht gar nicht sein frühester überhaupt – schon in der ersten Hälfte des Monats März 1468 vollendet worden ist, so wird er Straßburg spätestens Ende 1467 verlassen haben, um die neue Kunst in die verkehrsreiche Stadt am Lech zu tragen. Das war für die Entwicklung der Buchdruckerkunst ein wichtiger Schritt: denn in Augsburg sollte dieselbe bald zu großer Blüthe gelangen. G. Z. selbst war hier freilich nur eine zehnjährige Thätigkeit beschieden; denn er starb bereits am Tag des hl. Remigius (d. h. nach dem Kalender der Augsburger Diöcese am 1. October) des Jahres 1478. Wenn er dennoch zu den namhaftesten Buchdruckern der Incunabelzeit zählt, so hat er dies vor allem dem großen Umfang seiner Thätigkeit zu danken. Die Zahl der G. Zainerschen Drucke festzustellen, ist zwar nicht leicht, weil sie meist nicht unterzeichnet sind, und es ist dabei große Vorsicht zu beobachten, da die Typen Zainer’s nach seinem Tode von anderen Meistern (wie Ambr. Keller) benützt worden sind. Doch hat man an den Verlagsverzeichnissen, die er, hierin offenbar seinem Lehrmeister Mentelin folgend, ausgegeben hat und von denen einige auf uns gekommen sind, einen willkommenen Anhaltspunkt, und nicht weniger gewährt einen solchen das Verzeichniß der von ihm 1474–78 an das Kloster Buxheim geschenkten Verlagswerke, das sich in dem dortigen Liber benefactorum findet. Im ganzen ergiebt sich für unseren Meister ein „Werk“ von wenigstens 80 Drucken, für jene Zeit, bei so kurz dauernder Thätigkeit, eine sehr bedeutende Zahl. Ein großer Theil dieser Drucke war für die Bedürfnisse der Geistlichkeit bestimmt, ist also praktisch-theologischen Inhalts; daneben kommt aber auch eine bedeutende Zahl [673] von Volksbüchern vor, Erbauungsschriften, Erziehungs- und Arzneibücher, erzählende Litteratur und namentlich auch Kalender (der früheste gedruckte Kalender, den man kennt, stammt aus G. Zainer’s Presse). Außerdem seien hervorgehoben seine beiden Ausgaben der deutschen Bibel von 1474–76 und 1477, die nach den neuesten Forschungen als die vierte (nicht fünfte) und sechste bezw. siebente in der Reihe der vorlutherischen deutschen Bibeldrucke zählen und deren Text für alle folgenden bis zu Luther hin maßgebend geworden ist. Aber nicht nur Zahl und Bedeutung seiner Drucke geben G. Z. eine hervorragende Stellung unter seinen Genossen. Auch die Art der Ausführung kommt hierbei in Betracht. Denn die schönen großen Typen, der saubere Druck, das starke weiße Papier mit dem breiten Rande reihen Zainer’s Verlagswerke den schönsten Erzeugnissen der Incunabelzeit an. Auch mit bildlichem Schmuck hat der Verfasser seine Drucke reich, zum Theil fast überreich ausgestattet und er ist hierin in gewissem Sinn bahnbrechend geworden, wenn gleich diese Holzschnitte künstlerisch betrachtet hinter vielen anderen zurückbleiben. Ein Druckerzeichen findet sich gleichfalls schon bei ihm (vgl. die Bibel von 1477): in hübscher Umrahmung steht ein wilder Mann, der einen Wappenschild mit einem gekrönten Löwen hält; am Boden liegt eine Keule. Noch sei bemerkt, daß die von Zapf aufgebrachte Behauptung, G. Z. habe auch in Krakau gedruckt, schon 1867 durch K. Estreicher (G. Zainer i Sw. Fiol) widerlegt worden ist, und ebenso ist nunmehr als irrig erwiesen, daß er derjenige Drucker sei, der zuerst in Deutschland die Antiqua angewandt hat.

Weniger glücklich in seinen Unternehmungen als G. Z. war Johannes Z. Auch er war von Reutlingen, auch er erlernte gleichzeitig mit Günther Z. in Straßburg die Buchdruckerkunst – er ist 1465, als er Susanne, Hans Zuckswert’s eines Maurers Tochter, heirathete, in das Bürgerbuch eingetragen – und um dieselbe Zeit wie G. Z. verließ auch er Straßburg. Beide standen also in enger Beziehung zu einander und waren, wenn nicht Brüder, so jedenfalls nächste Verwandte. (Auch durch das Druckerzeichen scheint dies bestätigt zu werden, sofern dasjenige des J. Z., das wir selbst nicht gesehen haben, nach Haßler mit demjenigen Günther’s fast identisch ist.) Wie G. Z. nach Augsburg, zog Johannes nach Ulm, um seinerseits die Buchdruckerkunst dort einzuführen. Denn wenn in A. D. B. XII, 696 Ludwig Hohenwang als der erste Buchdrucker von Ulm bezeichnet wird. so ist seitdem durch Ilgenstein (Centralbl. für Bibliothekswesen, Jahrg. 1, 1884, S. 231 ff.) und Butsch (L. Hohenwang kein Ulmer, sondern ein Augsburger Drucker, 1885) nachgewiesen worden, daß dieser Meister vielmehr in Augsburg gedruckt hat. Ohnedies beginnt die Thätigkeit J. Zainer’s auch viel bälder. Sein frühester datirter Druck aus Ulm stammt zwar erst aus dem Jahre 1473, doch hat man bisher schon einen Druck gekannt mit dem handschriftlichen Vermerk des Rubricators: Frater Erasmus 1469 Pictor Philocalus und neuestens macht das Antiquariat von J. Rosenthal in München in seinem Katalog 18, 1898, Nr. 244, einen solchen mit der handschriftlichen Jahreszahl 1468 bekannt. (Es ist des Albertus Magnus Compendium theologicae veritatis, Ulm, Joh. Zainer o. J.) Auf eine anfangs sehr rührige Thätigkeit J. Zainer’s folgte, namentlich nach 1480, ein bedeutender Rückgang des Geschäftes. Der Mann hatte vielfach mit Geldschwierigkeiten zu kämpfen und wurde einmal (1493) sogar vorübergehend aus der Stadt verwiesen, wohl gleichfalls wegen Schulden. Aus manchem Jahre kennt man daher keinen einzigen Druck von ihm, und aus dem 16. Jahrhundert lassen sich, obwohl er noch 1515 gedruckt hat, nur vier ganz unbedeutende Erzeugnisse seiner Presse feststellen (Vgl. Haßler, Weller). Er scheint sich damals mehr mit dem [674] Bücherhandel beschäftigt zu haben. 1523 kommt sein Name nach Haßler in den Ulmer Acten zum letzten Male vor. Trotz dieses wenig erfreulichen Ausganges ist doch auch J. Zainer’s Druckwerk bedeutend zu nennen. Aus dem 15. Jahrhundert führt Hain 51 Drucke mit und 24 weitere ohne seinen Namen auf; Haßler aber weist im ganzen 98 Drucke diesem Meister zu und so viel ist jedenfalls sicher, daß die Zahl bei Hain sich noch wesentlich erhöht. Wenn diese Drucke in ihrer Ausführung auch nicht durchweg G. Zainer’s schönen Leistungen gleichkommen, so stehen sie doch im ganzen nicht weit hinter ihnen zurück und in einem Punkte übertreffen sie dieselben sogar entschieden, im Holzschnittschmuck, der hier zwar viel seltener, aber ungleich schöner ist. Auch das Verdienst, die Antiquaschrift in Deutschland eingeführt zu haben, kommt J. Z. wenigstens eher zu als Günther. Im übrigen hatte die Thätigkeit des Ulmischen Meisters ganz dieselbe Richtung wie die des Augsburgers: den Bedürfnissen der Geistlichkeit auf der einen und des Volkes auf der anderen suchte auch er vor allem zu dienen. Ein hervorragendes Beispiel in ersterer Hinsicht ist seine lateinische Bibel von 1480; in letzterer wären insbesondere verschiedene Schriften Heinr. Steinhöwel’s zu nennen, so seine Deutsche Chronik und von den Uebersetzungen Boccaccio’s De claris mulieribus. Schließlich sei auch inbetreff dieses Druckers ein Irrthum berichtigt: daß er eine Niederlage in Bologna hatte, wird zwar da und dort behauptet; es hat aber an sich schon wenig Wahrscheinlichkeit und entbehrt auch jedes sicheren Zeugnisses.

Vgl. inbetreff G. u. J. Zainer’s: Sammlung bibliothekswiss. Arbeiten, herausg. von Dziatzko, Heft 6, 1894, S. 28 f. (Mittheilung von K. Schorbach). – Hain’s Repertorium bibliogr. (mit Burger’s Register u. Copinger’s Supplement). – Geschichte des deutschen Buchhandels, Band I, 1886 (s. Reg.). – Ueber G. Z. im besonderen vgl. noch Zapf, Augsburgs Buchdruckergesch., Th. 1, 1786, S. V ff. (hier auch das Buxheimer Verzeichniß), Th. 2, 1796, S. VI. – Dronke, Beitr. z., Bibliographie u. Litteraturgesch., 1837 (Quelle f. d. Todesdatum). – Centralbl. f. Bibliothekswesen, Jahrg. 2, 1885, S. 450 ff., Jahrg. 8, 1891, S. 347 ff., Jahrg. 9, 1892, S. 150 ff. (hier die Verlagsverzeichnisse). – Inbetreff J. Zainer’s vgl. auch Haßler, Ulms Buchdruckerkunst, 1840, S. 90 ff.