Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Winli“ von Richard Moritz Meyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 457–458, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Winli&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 09:12 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Winkopp, Peter Adolf
Nächster>>>
Winnigstedt, Johann
Band 43 (1898), S. 457–458 (Quelle).
Winli bei Wikisource
Nach Wikipedia-Artikel suchen
Winli in Wikidata
GND-Nummer 120949687
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|43|457|458|Winli|Richard Moritz Meyer|ADB:Winli}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=120949687}}    

Winli, Minnesinger der Epigonenzeit; etwa um 1270 anzusetzen. Bächtold vermuthet in ihm einen Unterwaldner, vielleicht einen Dienstmann der Aebte von St. Gallen; dann könnte Konrad von Altstetten, der diesem gleichfalls dienstbar war, Winli’s Beziehungen zur alemannisch-österreichischen Dichterschule (Altsteten, Hornberg, Werbenwâc) vermittelt haben. W. theilt nämlich (nach Herzog’s Nachweis) mit Werbenwâc eine ziemlich seltene Minneformel, und die große Heidelberger Handschrift stellt ihn in die Nähe jener Schule und ihres Vorbilds Lichtenstein. Indeß ist für W. ein ganz anderer Meister entscheidend gewesen: Konrad von Würzburg. Diesem hat er Alles abgesehen: die Neigung zu kleinlichen Reimspielereien und didactisches Frauenlob als Gedichteingang, Lieblingsworte (fin, des meien bluot) und Lieblingswendungen (die Gunst der Frau freut ihn baz dan al des meijen bluot), die Nennung der Veilchen und der für Konrad besonders charakteristischen zîtelòsen und die Bezeichnung der Vögel als wilde, die Verwendung eines ausgedehnten strophischen Refrains. Inhaltlich sind Winli’s sieben Minnelieder äußerst unbedeutend. Dafür sucht er ihnen durch geschickte Anordnung einen besonderen Werth zu geben. Auf ein mit einem [458] Anruf der Minne einsetzendes, allgemein betheuerndes Gedicht folgen drei Stücke nach dem Schema Winter und Leid – Sommer und doch Leid – Sommer und Freude. Vor ein sechstes Lied, das die letzte Schablone steigert – Sommer und Liebesglück – wird nochmals ein betheuerndes Gedicht eingeschoben und ein halbdidactisches Schlußlied lenkt in die officielle Minnetrauer zurück. Die Zeitgenossen, die mit Konrad und W. die Neigung zu halbepischer Umgestaltung der Lyrik theilten, empfanden diesen romanartigen Aufbau so deutlich, daß sie ihn durch Anhang eines Tageliedes glaubten krönen zu müssen, damit der letzte Triumph der Minne nicht fehle. Denn das als achtes Stück der Sammlung überlieferte Fragment eines Tageliedes, das de Gruyter mit Recht edel und innig, selbständig und wahrhaftig nennt, ist unserm Dichterling gewiß nicht eigen; viel eher könnte es Otto zem Turne (s. A. D. B. XXXIX, 28) gehören, dessen großes Minnelied danach, ebenfalls unter Winli’s Namen, folgt. Mindestens zeigt die Strophe, wie die Lyrik Otto’s zem Turne, Einfluß Wolfram’s. Beide Nummern geriethen unter Winli’s Gedichte wol schon vor Veranstaltung der Manessischen Sammlung, indem Spielleute den lyrischen Roman Winli’s mit einem vollen Accorde schließen wollten. Dies deutet immerhin auf einen gewissen litterarischen Erfolg des schweizerischen Epigonen.

Text in Bartsch’s Schweizer Minnesänger XV, 150 f., Litteratur: ebd. S. XCVIII f. – v. d. Hagen, Minnesänger IV, 319 f. – Gegen H. Herzog Pfeiffer’s Germania 29, 35 f. – Bächtold, Gesch. d. d. Dichtung in der Schweiz, S. 153. – Zur Metrik Bartsch a. a. O., S. C. – Zum Tagelied de Gruyter, Das deutsche Tagelied, S. 14.