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Artikel „Wilhelm II. von Diest“ von Hans Witte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 203–205, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_II._von_Diest&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 06:25 Uhr UTC)
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Wilhelm II. von Diest, Bischof von Straßburg (1394–1439), entstammt dem brabantischen Herrengeschlecht des genannten zwischen Mecheln und Hasselt gelegenen Ortes. Schon einmal war aus diesem Hause ein Bischof von Utrecht hervorgegangen, Johann III., der von 1322–1340 regierte. Auch W. begann seine Laufbahn als Bischof von Utrecht. Diese Stellung kann er nur sehr kurze Zeit innegehabt haben nach dem am 4. April 1393 erfolgten Tode des Florenz von Wevelinkhoven. Die Utrechter Quellen erwähnen ihn überhaupt nicht; daß er trotzdem diesem Stifte als Bischof vorgestanden hat, ist indessen durch die Thatsache sichergestellt, daß er im Juli 1393 mit Friedrich II. von Blankenheim, dem Bischof von Straßburg, auf Grund päpstlicher Ermächtigung sein Bisthum tauschte. Die traurige Hinterlassenschaft Friedrich’s von Blankenheim, der nach endlosen Kämpfen mit der Stadt Straßburg wie ein Flüchtling nächtlicher Weile aus seinem Bisthum entwichen war, konnte W. nicht ungehindert übernehmen: das Straßburger Capitel hatte im September Ludwig von Thierstein, den Abt von Einsiedeln, zum Bischof erwählt. Und als dieser auf der Reise nach Straßburg eines plötzlichen Todes gestorben war, hatte man ihm sogleich durch die Wahl des Straßburger Dompropstes Burkard von Lützelstein einen Nachfolger gegeben. Der Kampf, den W. v. Diest mit diesem um das Bisthum zu führen hatte, entschied sich infolge der durch den Papst und die Stadt geleisteten Unterstützung bald zu seinen Gunsten. Nachdem Burkard mit der Stadt Rufach und dem oberen Mundat abgefunden war, konnte W. Ende 1394 die Zügel der bischöflichen Regierung ergreifen. – Nur kurze Zeit hatte es den Anschein, als sollte nun endlich Ruhe und Frieden im Lande einkehren. Am 4. December 1395 kam durch Vermittlung des Landvogtes [204] Borsiboy von Swinar zwischen dem Bischof, dem Domcapitel und der Stadt Straßburg ein Vertrag zu Stande, der den langjährigen aus der Zeit Bischof Friedrich’s herstammenden Hader endgültig zu begraben schien. Aber der herrschsüchtige und hinterlistige Charakter des Bischofs bot keine Gewähr für die Dauer eines friedlichen Einvernehmens. In dem Vertrage hatte er sich verpflichtet, keine dem Bisthum oder dem Stift angehörigen Güter ohne Zustimmung des Rathes und des Capitels von Straßburg zu veräußern. Und zunächst hat er sich bei den zahlreichen Verpfändungen, die sein beständiges Geldbedürfniß nothwendig machte, auch stets im Einvernehmen mit Stadt und Capitel gehalten. Als aber W. im J. 1404 seinem Versprechen zuwider dem König Ruprecht die Hälfte der Ortenau verpfändet hatte und im März 1405 das Schloß von Oberkirch nebst dem Kochersberg widerrechtlich von der Stadt zurückzuerlangen suchte, verband sich diese mit dem Domcapitel, um weitere Verschleuderungen des bischöflichen Besitzes zu verhindern. Nach längeren Streitigkeiten, in denen König Ruprecht mehrfach die Partei des Bischofs ergriff, kam es am 28. Mai 1406 zu einer Uebereinkunft zwischen der Stadt und dem Bischof, durch die ein dreigliedriger Ausschuß mit der Befugniß, die bischöflichen Gefälle einzunehmen und die Schulden zu bezahlen, eingesetzt wurde. Ferner übergab der Bischof an Stadt und Capitel auf 10 Jahre die Aemter Molsheim, Bernstein und Kochersberg, so daß er nur die Stadt Zabern mit den Burgen Hohbarr, Lützelburg und Greifenstein für sich behielt. – Nicht zufrieden mit den Straßburger Händeln verwickelte sich W. auch in die lothringischen Kämpfe, die im Zusammenhang mit der Aenderung des Metzer Stadtregiments von 1405 stattfanden; ein Einfall des Herzogs von Lothringen in das Elsaß (1407) war die Folge dieser unklugen Politik. Dessenungeachtet konnte er sich die Betheiligung an dem 1409 von verschiedenen Herren des Unterelsaß und des Westrich gegen Trier unternommenen und zum Glück vereitelten Anschlag nicht versagen. – Inzwischen hatten die trotz der Verträge fortgesetzten Güterveräußerungen Wilhelm’s nicht zur Verbesserung seiner Beziehungen mit der Stadt Straßburg beigetragen. 1414 benutzte er – allerdings ohne Erfolg – die Anwesenheit des Königs Sigismund in Straßburg, diesen gegen die Stadt und das Domcapitel einzunehmen. Und als kurz nach des Königs Abreise sich das Gerücht verbreitete, der Bischof wolle dem Herzog von Lothringen Zabern verpfänden, nahm ihn das Capitel im Einverständniß mit der Stadt am 7. December 1415 zu Molsheim gefangen und hielt ihn in der Johanniscapelle des Münsters in Haft. Die Erbitterung gegen den Bischof war so groß, daß die vom Constanzer Concil am 10. März 1416 ergangene Mahnung, ihn freizulassen, keine Wirkung hatte. Erst die Intervention Sigismund’s bewirkte seine Befreiung. Zu einem dauernd friedlichen Verhältniß vermochten weder die endlosen Verhandlungen vor dem Concil noch die zweideutige Vermittlerrolle des Königs Sigismund zu führen. Bei den schweren innern Kämpfen, in die Straßburg bald darauf gerieth, hatte Bischof Wilhelm seine Hand im Spiel. Die Massenauswanderung der Adeligen aus der Stadt (1419), die sich zu der „vereinigten Ritterschaft außerhalb Straßburgs“ zusammenschlossen und die Stadt in den „Dachsteiner Krieg“ (1420–1422) verwickelten, benutzte er zur Stärkung seiner Stellung. 1428 nahm er auf Seiten des Markgrafen Bernhard von Baden an dem mißlungenen Handstreich gegen Straßburg theil. In dem daraus entbrennenden Kriege trat er zum letzten Mal als offener Feind Straßburgs auf; und nachdem er am 6. Februar 1431 auch mit der Straßburger Geistlichkeit seinen Frieden gemacht hatte, indem er sich den Beschlüssen der 1415 gegen ihn begründeten „größeren Verbrüderung“ unterwarf, begannen endlich ruhigere Zeiten für das Bisthum. Aber jetzt verhängte es das Schicksal über ihn, daß er seinen stilleren Lebensabend [205] nicht in ungetrübtem Frieden beendigen durfte: bevor er am 6. October 1439 starb, mußte er noch die furchtbare Verheerung des Landes durch die Armagnaken erleben. Das Andenken, das seine unheilvolle Regierung hinterließ, konnte durch seine allzu späte Umkehr nicht mehr günstig gestaltet werden: trotzdem er sich an die Spitze des elsässischen Bundes gegen die Armagnaken gestellt hatte, beschuldigte ihn die öffentliche Meinung, diese „Schinder“ ins Land gerufen zu haben.

Strobel, Vaterländische Geschichte des Elsasses III, 63–188. – Spach, Histoire de la Basse Alsace, S. 120–133. – Grandidier, Oeuvres historiques inédites IV, 281–327. – Finke, Der Straßburger Electenproceß vor dem Konstanzer Konzil (Straßburger Studien II, 101–112, 285–304, 403–430). – Derselbe, Die größere Verbrüderung des Straßburger Clerus vom Jahre 1415 (Westdeutsche Zeitschrift III, 372–385).