ADB:Werthes, Friedrich August Clemens (1. Artikel)

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Artikel „Werthes, Friedrich August Clemens“ von Max Mendheim in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 132–133, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Werthes,_Friedrich_August_Clemens_(1._Artikel)&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 15:14 Uhr UTC)
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Werthes: Friedrich August Clemens W.[WS 1], Dichter, am 12. October 1748 in Buttenhausen in Württemberg geboren, empfing seine wissenschaftliche Ausbildung[1] in Mannheim, Düsseldorf, Venedig, Lausanne, Münster und Erfurt, wo er ein eifriger Schüler und warmer Verehrer Wieland’s war, lebte einige Zeit als Privatgelehrter und ward dann Erzieher zweier jungen Grafen Lippe-Alverdissen, die er auch auf die Hochschule nach Göttingen begleitete. Er machte ferner größere Reisen in Deutschland, der Schweiz und Italien, lernte auf einer derselben im Hause Friedrich Heinrich Jacobi’s im Juli 1774 auch Goethe kennen, von dessen Person und Genius er sich bereits damals in höchstem Maße begeistern ließ (vgl. Goethe-Jahrbuch, Bd. 7, S. 206 fg.), und war auch mehrere Jahre ein Hauptmitarbeiter, eine Zeit lang selbst Mitredacteur des „Teutschen Merkur“, während er zugleich mit Wieland’s Feinden, den Mitgliedern des Haines in Göttingen, in nähere Verbindung trat. Aus dieser Zeit stammen seine Hirtenlieder, die er gesammelt unter der Aegide Wieland’s und mit dessen „Verklagtem Amor“ (1772) herausgab. Es sind meist kleine, harmlose Sachen, die zwar nicht so oft wie die Geßner’schen und andere an sentimentalen Ueberschwenglichkeiten leiden, dafür aber um so mehr an faden Trivialitäten, wenn ihm auch hie und da einmal ein munterer Liederton glückt (so in dem Liede: Die schöne Gegend: „O süßes Entzücken! o schöne Natur, o fröhliches Blicken in lachende Flur“); der Rhythmus freilich läßt recht oft viel zu wünschen übrig. Auch sein väterlicher Freund Wieland hat nicht gerade eine hohe Meinung von seiner poetischen Begabung, wie seine Worte an Gleim andeuten, den er am 3. November 1771 um seine Hülfe, W. eine Stellung als Hofmeister zu verschaffen, anspricht. „Anlage und Empfindsamkeit“, heißt es da („Ausgewählte Briefe von C. M. Wieland“ Bd. 3, S. 80 f.), „scheint er zu haben und so unvollkommen seine Versuche noch sind, so scheint er mir doch einige Aufmunterung zu verdienen. Ein unwiderstehlicher Hang, sagt er, trieb ihn zu den holden Künsten der Musen; er hatte keinen Anführer, keinen Freund, keine Aufmunterung, wenig Bücher. Er ist also mehr zu bewundern, daß er nicht gar nichts ist, als daß er nicht etwas besseres ist.“

Im J. 1782 wurde W. dann auf den Lehrstuhl der Aesthetik an die 1781 zur Hochschule erhobene Karlsschule nach Stuttgart berufen, legte aber anderthalb [133] Jahre später dies Amt nieder und siedelte nach Wien über, wo er nun litterarisch thätig war. Von Wieland bereits im Juni 1783 dem einflußreichen Vicekanzler der Hofkanzlei, Freiherrn Tobias v. Gebler, aufs wärmste empfohlen (vgl. „Auswahl denkwürdiger Briefe von Wieland“ Bd. 2 S. 64), wurde W. am 13. October 1784 vom Kaiser auf Vorschlag der Studienhofcommission als Nachfolger Szerdahelyi’s zum Professor der schönen Wissenschaften an der Universität Pest ernannt. Von Werthes’ poetischen Arbeiten ist aus dieser Zeit besonders sein Trauerspiel in 3 Aufzügen „Niklas Zrini oder die Belagerung von Sigeth“ zu nennen, eine in Prosa geschriebene Behandlung des Unterganges des bekannten ungarischen Helden, die W. in der Hauptsache aus den historischen Erzählungen von Budina und Reusner entlehnt hat, an deren Darstellung er sich eng, oft bis zur reinen Uebersetzung ganzer Stücke, anschließt. Und wiederum sehr stark, wenn auch nicht allein auf Werthes’ Drama fußt Körner’s gleichnamige Tragödie, deren Sprache freilich ungleich schwungvoller ist als der meist äußerst nüchterne Dialog bei W. „Aber hinter dieser lessingisirenden Prosa“; sagt Kade („Grenzboten“ 1889, Bd. 1) in allzuhoher Meinung von W., „birgt sich oft ein großer Seelenkampf, und wie „Julius v. Tarent“ sich nicht vor der „Braut von Messina“ zu schämen braucht, so darf auch W. getrost zu Körner aufblicken“. Werthes’ Stück wurde noch im Jahre seines Erscheinens (1780) von dem Advocaten und Tafelrichter Stefan Csépán v. Györgyfalu ins Ungarische übersetzt und am 20. August 1793 in Ofen zum ersten Male aufgeführt. Ein weiteres, um diese Zeit von W. geplantes Stück über Matthias Corvinus ist nicht erschienen.

Im Frühjahr 1791 erhielt dann W. seine Entlassung aus der Pester Professur; doch ist es ungewiß ob er sie wirklich, wie es heißt, aus Gesundheitsrücksichten erbat oder wegen der neuen politischen Verhältnisse nach dem Tode Josef’s II. mehr dazu gedrängt wurde. Er kehrte nun in seine Heimath zurück, lebte zunächst eine Zeit lang als Privatmann und übernahm dann die Leitung des württembergischen Regierungsblattes in Stuttgart, wo er schließlich mit dem Titel eines Hofrathes am 5. December 1817 starb. Außer den bereits genannten Arbeiten ist W. noch mit weiteren Gedichten, Dramen, Singspielen, Abhandlungen, vor allen Dingen aber als eifriger Uebersetzer aus dem Griechischen, Französischen und besonders dem Italienischen hervorgetreten. Obgleich seinen Uebertragungen überall große Schwerfälligkeit und sklavisches Anlehnen an das Original vorgeworfen wird, hat er sich doch hauptsächlich durch seine in Prosa geschriebene, durchweg sinngetreue, aber auch äußerst nüchterne Verdeutschung der Dramen Carlo Gozzi’s (5 Bde. 1777–79), den er auch persönlich kennen gelernt hatte, ein großes Verdienst und großen Beifall erworben. Es folgten seiner Uebertragung alsbald Aufführungen verschiedener Stücke Gozzi’s an mehreren deutschen Bühnen (Gotha, Hamburg, Berlin u. a.), wie denn auch Schiller’s Bearbeitung der „Turandot“ sich im wesentlichen, vielfach selbst im Ausdrucke, an Werthes’ Vorbild anschließt.

Außer den bereits erwähnten Nachweisen über W. ist noch besonders zu berücksichtigen: Wurzbach, Biographisches Lexikon 55, 132 fg., wo sich auch eine genaue Aufzählung seiner Schriften findet; ferner: Bischoff, Theodor Körner’s „Zriny“; Ders. im Archiv für das Studium der neueren Sprachen, Bd. 90. – Heinrich in der Ungarischen Revue, Bd. 13. – Vierteljahrschrift für Litteraturgeschichte, Bd. 1. – Archiv für Litteraturgeschichte, Bd. 13. – Köster, Schiller als Dramaturg. – Gradmann, Das gelehrte Schwaben 1802, S. 771. – Schwäbisches Magazin 1775, S. 665 und 1776, S. 615.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 132. Werthes erhielt seine Bildung hauptsächlich auf der Universität Tübingen. [Bd. 45, S. 676]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Über diese Person existiert im selben Band ein ergänzender Artikel.