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Artikel „Werner, Graf von Grüningen“ von Wilhelm Christian Lange in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 22–27, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Werner_IV.&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 11:06 Uhr UTC)
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Werner: W. Graf von Grüningen. Nachdem Herzog Eberhard im J. 939 mit den Waffen in der Hand gegen König Otto I. gefallen war, trennten sich die hessischen Gaue von dem übrigen Frankenlande los und zerfielen in eine Anzahl unabhängiger, nur unter dem Kaiser stehender Gebiete und Herrschaften, in denen zahlreiche Grafen und Herrengeschlechter schalteten. Nächst den bekannten Grafen von Ziegenhain sind es besonders zwei Familien, welche auf die Geschicke des Landes großen Einfluß gehabt haben und demgemäß dem Forscher öfters entgegentreten, nämlich diejenige der Gisonen oder der Burggrafen von Gudensberg und jenes Grafenhaus, welches nach dem gleichförmigen Namen seiner Glieder das Wernerische genannt wird und dessen letzter Sproß im J. 1121 mit Werner von Grüningen ins Grab sank. Dunkel sind die Uranfänge, zweifelhaft die Ursitze dieser Geschlechter und nur als Hypothese kann es angesehen werden, wenn der Historiker, welcher zuerst systematisch in diese verwickelten Verhältnisse Licht zu bringen versuchte, wenn Wenck die Vermuthung ausspricht, daß die genannten Familien Seitenlinien des Salisch-Wormsischen Königshauses, die Ahnherren der ersteren Brüder Herzog Konrad’s des Weisen gewesen seien. An und für sich hat diese Annahme nichts unwahrscheinliches, denn einerseits besaß Konrad der Weise, jener Ahnherr der fränkischen Kaiser, Brüder, die wir zwar nicht mit Namen genannt finden, die aber doch mit ihm in die Erbtheilung eintraten, andererseits war auch daß Salisch-Wormsische Haus in Hessen begütert, wie es scheint, durch eine Heirath der Tochter König Konrad’s I. mit dem Vater Konrad’s des Weisen, Werner, dem Begründer des Salisch-Wormsischen Hauses. Es wäre deshalb immerhin möglich, daß jene zweifelhaften Brüder Herzog Konrad’s als jüngere Glieder der Familie diese hessischen Güter bei der Theilung erhalten hätten.

Wenden wir uns nun dem Wernerischen Grafengeschlecht selbst zu, so stoßen wir zunächst auf einen W. (I.), dessen Tod ein Fuldisches Sterberegister in das [23] Jahr 982 setzt: es würde dies jener hypothetische Bruder Herzog Konrad’s des Weisen sein und der Stammvater der Grafen Werner. Sein Nachfolger ist unbekannt, vielleicht ein Graf Gerlach, der zu Anfang des 11. Jahrhunderts lebte. Der nächste in der Geschlechtsfolge, ohne daß jedoch eine genaue Verwandtschaftsbeziehung zu seinen Vorgängern irgendwie feststände, ist W. II.; er wurde im Feldzug Kaiser Heinrich’s III. gegen Herzog Brezeslaus als königlicher Bannerträger in Böhmen erschlagen (1040) und hinterließ einen Sohn W. III., der in jenem Jahre noch minderjährig war. Das Leben des letzteren fiel in die unruhigen Zeiten König Heinrich’s IV.; ein bevorzugter Liebling desselben, war er ständig um dessen Person und begleitete denselben auch im J. 1066 von Goslar nach Ingelheim. Als seine Leute in diesem Dorfe plünderten und mit den Bauern ins Handgemenge geriethen, eilte der Graf zu Hülfe und wurde bei dieser Gelegenheit von einem Hersfeldischen Leibeignen, oder nach anderen Nachrichten von einer Tänzerin, mit der Keule erschlagen. Graf W. war mit Williburg, einer Tochter des Grafen Rudolf von Achalm und der Adelheid von Wülfingen, vermählt und hinterließ ein einziges Kind, Werner IV., den Grafen von Grüningen.

Wie sein Vater so war auch der Graf von Grüningen ein eifriger Anhänger Heinrich’s IV., doch nahm er an den blutigen Kämpfen gegen die Sachsen, welche des öfteren auch Hessen in Mitleidenschaft zogen, zunächst keinerlei Antheil, weil er zu jener Zeit noch in ganz jugendlichem Alter gestanden haben muß; es ergibt sich das aus dem Umstand mit Sicherheit, daß sein Vater in dem Berichte von dessen Tode (1066) als junger Mann bezeichnet wird (juvenis tam ingenio quam aetate ferox). Die erste bestimmte Kunde, die wir über das Leben des Grafen selbst haben, zeigt ihn in seinen Beziehungen zu den mütterlichen Verwandten. Von sieben Söhnen des Grafen Rudolf, Werner’s Großvater, waren vier in früher Jugend, ein fünfter, Werner im J. 1077 als Bischof von Straßburg gestorben und somit im J. 1089 noch zwei am Leben, nämlich die beiden ältesten, Cuno und Luitold. Dieselben, kinderlos, stifteten das Kloster Zwiefalten, doch waren die Güter, mit denen sie ihre Stiftung begabten, Allode und so konnte denn nach ihrem Tode von Seite der weiblichen Erben, den Nachkommen ihrer Schwestern, gegen die Schenkung Einspruch erhoben werden. In dieser Hinsicht kam besonders Graf W. von Grüningen in Betracht, der als der einzige Sohn und Erbe der ältesten Schwester Williburg, den Rechten und Sitten des Landes gemäß den nächsten Anspruch hatte. Die Oheime fanden es daher für räthlich, die Angelegenheit noch zu ihren Lebzeiten mit dem Neffen zu ordnen und veranstalteten eine Versammlung zu Bempfingen, einem Dorf im Oberamt Urach, vor welcher W. auf jene Klostergüter öffentlich verzichtete, dagegen zur Entschädigung bezw. als Erbtheil seiner Mutter, mehrere Güter und Patronate, so zu Mezingen und Eningen, besonders aber das Schloß Achalm erhielt. In ähnlicher Weise wurden später auch die Kinder der jüngeren Schwester Mechtild, welche an den Grafen Konrad von Lechsmünd (Horburg) vermählt war, abgefunden; die dritte Schwester Beatrix kam als Aebtissin nicht in Rechnung. Die Zwiefalter Annalen berichten von Graf W. weiter, daß er Zeit seines Lebens ihrem Kloster sehr zugethan gewesen und dasselbe auf jede Weise zu fördern bemüht war. So veranlaßte er den Kaiser Heinrich V. das Dorf Ebersheim i. Elsaß anzukaufen und dem Kloster zuzuwenden, ungeachtet er als Achalmischer Erbe auf dies Dorf, ein Erbstück seines in das Kloster getretenen Oheims Liutold, selbst Anspruch zu machen berechtigt gewesen wäre; auch seinen Ministerialen gestattete er, ihre Lehengüter an das Kloster zu verkaufen. Als einen Act der von ihm gehandhabten Justiz berichtet dieselbe Quelle, daß er zweien seiner Ministerialen, Folbert und Luithold, [24] wegen verschiedener Vergehen die Augen ausstechen ließ und die Uebelthäter darauf dem Kloster zuführte; wie Wenck sagt, oculirte er ihnen durch dieses Verfahren die Liebe zum Mönchsleben ein.

In den Urkunden jener Zeit kommt W. mehrfach vor. Am 4. März 1101 bezeugte er in Gemeinschaft mit dem Grafen Giso eine Urkunde des Erzbischofs Ruodhard von Mainz, worin derselbe die Rechte der Altarhörigen der Stiftskirche zu Fritzlar bestätigt. Wenige Monate darnach, am 3. August, war er in der Umgebung des Kaisers Heinrich IV., als dieser der Abtei Prüm das Gut Pronsfeld restituirte, welches dem Stift durch Graf Heinrich von Limburg entrissen war. Auf diese Urkunde, welche früher unbeachtet geblieben ist, hat zuerst v. Schenk aufmerksam gemacht und ist dieselbe aus dem Grunde von besonderer Wichtigkeit, als W. darin als Graf von Grüningen bezeichnet wird (uuernerus de grůninche comes); die beiden wenig späteren Zwiefaltener Gründungsberichte nennen ihn und seine Gattin Gisela ständig von Grüningen. Zugegen war W. auch bei dem feierlichen Act, als die Nonnen von Lippoldsberg a. Weser vor einer großen Versammlung von Geistlichen, Grafen, Edlen und Ministerialen das Versprechen ablegten, die Ordensvorschriften genau zu erfüllen; man setzt die Urkunde in die Zeit zwischen 1095 bis 1101. Auch im J. 1103 kommt W. urkundlich vor; der Erzbischof Ruodhard restituirte damals dem Stift Fritzlar gewisse Güter, welche ein Ritter Gerlach und dessen Vater dem Kloster entzogen hatten. Bei dieser Gelegenheit führt W. den Titel Vogt (des Stiftes Fritzlar), ebenso im J. 1109, wo der mehrfach erwähnte Ruodhard die alten Rechte der Altarhörigen des Erzstiftes Mainz bezw. der Fritzlarer Kirche wiederherstellt. Graf W. war außerdem noch Vogt des Stiftes Kaufungen in Hessen. Die Vogtei über Fritzlar mögen schon seine Vorfahren erworben haben, dagegen ist diejenige von Kaufungen wahrscheinlich erst durch seinen Vater, den Günstling Heinrich’s IV. an ihr Haus gekommen; diese letztere Vogtei führte der Graf von Grüningen auch im Titel, wie wir aus einer interessanten Urkunde wissen, die er im J. 1102 dem Kloster ausstellte. Dieselbe macht uns mit weiteren Ereignissen seines Lebens bekannt: Graf W. war einige Zeit vorher von seinen Feinden gefangen genommen und hatte das Versprechen geben müssen, ein hohes Lösegeld zu zahlen. In seiner Noth habe er sich an die Aebtissin von Kaufungen, Diemud, gewandt mit der Bitte, sich für ihn zu verbürgen oder ihm mit Geld behülflich zu sein; nach langem Bitten habe sie sich endlich bewegen lassen, ihm einen goldenen Becher auf eine bestimmte Zeit zu leihen. Weil der Graf jedoch in seinen übrigen bedrängten Umständen den Rückzahlungstermin nicht einhalten konnte, so mußte sich derselbe nach vielfachen Ermahnungen der Aebtissin und des Bischofs Johann von Speier dazu verstehen, dem Kloster 10 Hufen Landes in Ochshausen und Krumbach (bei Kassel), sowie in Venne und Ritte (bei Gudensberg) abzutreten.

Die Thatsache, daß der Graf ein so bedeutendes Opfer brachte, wirft hinlänglich Licht auf seinen Charakter; auch in früheren Jahren war er schon immer eifrig bestrebt gewesen, zu Gunsten der Kirche auf seine Rechte zu verzichten, durch Hingabe von irdischem Besitz sich der Fürsprache der Heiligen zu versichern, wie das unter anderem aus Schenkungen erhellt, die er den Klöstern Zwiefalten und Hirschau a. d. Nagold machte. Diese Neigung nahm mit der Zeit mehr und mehr zu; gleich den schwäbischen Klöstern wußten auch die in Hessen des Grafen Großmuth zu rühmen, besonders das Benedictinerstift Hasungen, dem er Güter zu Erfurt bei Borken und zu Rengshausen(?) westl. Rotenburg überwies. So kann es denn kein Wunder nehmen, daß der Graf, kinderlos, wie er war, endlich im Alter noch daran ging, selbst ein Kloster zu erbauen. Wie erzählt wird, hatte er den Kaiser Heinrich V. auf einer Reise durch Hessen [25] begleitet und wurde bei dieser Gelegenheit durch den Anblick der schönen Aue, welche Eder und Fulda bei ihrem Zusammenfluß bilden, auf den Gedanken gebracht, an dieser Stelle ein Kloster zu gründen. Zur Ausführung dieses Vorhabens ließ er sich vom Kaiser den dortigen Grund und Boden schenken und legte darauf mit seiner Gemahlin Gisela im J. 1113 den Grund zu den Klostermauern von Breitenau. Der Bau wurde derart gefördert, daß er schon nach sechs Jahren mit Mönchen besetzt werden konnte. Zu jener Zeit stand das schwäbische Benedictinerkloster Hirsau in ganz besonderem Rufe der Heiligkeit und strenger Observanz der Klosterregeln; Erzbischof Siegfrid von Mainz hatte deswegen einige Jahrzehnte vorher das Kloster Hasungen mit Hirsauer Mönchen bevölkert und nun verschrieb sich auch Graf W., der ohnehin durch seine mütterliche Verwandtschaft in Schwaben näher bekannt war, eine Colonie Benedictiner von dort. Auf sein Ersuchen schickte ihm der Abt Bruno im J. 1119 die ersten zwölf Mönche mit dem designirten Abt für Breitenau, Trautwin. Eine derartige Stiftung konnte sich natürlich nur erhalten, wenn dieselbe von vornherein einen ausreichenden Grundbesitz zur Verfügung hatte, weshalb der Graf denn dem Kloster seine Patrimonialgüter zwischen Werra, Rhein und Main überwies. Zu den übergebenen Gütern gehörten die Burgen Holzhausen und Alstat, sowie die Hälfte von Braubach mit Ministerialen und Hörigen. Die Ausdrucksweise der Urkunde ist, wie man sieht, keine ganz klare: zunächst – das ist nicht außer Acht zu lassen – sind als Klosterbesitz nur Grundstücke in Niederhessen bekannt, die in der Nähe des Klosters lagen, und doch hat W. ohne Zweifel noch mehr Allodialgüter besessen, Lehengüter können so wie so nicht gemeint sein. Es scheint demnach, als wenn unter den Patrimonialgütern der allodiale Theil seines dort gelegenen Vermögens zu verstehen ist; daß der Graf anderwärts noch weitere Besitzungen hatte, folgt schon aus der Begrenzung des Bezirks, selbst wenn man keine Kenntniß von dem Vorhandensein Achalmischer Güter hätte. Die Burg Holzhausen, welche auch die Sage als Wohnsitz Werner’s bezeichnet, lag übrigens auf dem steilen Kegel dicht bei dem gleichnamigen Dorf, angesichts der Abtei Breitenau und die Burg Alstat in unmittelbarer Nähe von Jesberg, 2½ Meilen südwestl. von Fritzlar. (v. Schenk.)

Es war dem Grafen nicht beschieden, das Aufblühen seines Klosters verfolgen zu können, schon im J. 1121 starb er und wurde zu Breitenau beigesetzt, wo sein Grabstein noch im 17. Jahrhundert vorhanden gewesen sein soll. Das Nekrologium des Klosters Zwiefalten bestimmt seinen Todes- oder Begräbnißtag auf den 22. Februar 1121. Noch über den Tod hinaus reichte die Fürsorge des Grafen für sein Kloster. Bei seinen Lebzeiten mochte er noch zuviel mit den Gebäuden zu thun gehabt haben und so war denn der Bestätigungsbrief des Erzbischofs von Mainz noch nicht aufgesetzt, doch hatte der Graf für den Fall seines Todes einen seiner Dienstleute, Engelbold, zum Stellvertreter ernannt, um im Verein mit der Gräfin Gisela, dem Convent und den Ministerialen, seine Entwürfe zur Reife zu bringen. Nach Lage der Sache und der Zeiten Brauch konnten diese für die neue Stiftung nichts ersprießlicheres thun, als daß sie den Diöcesan, den Erzbischof von Mainz ins Interesse zogen, d. h. das Kloster dem hl. Martin zu Mainz übergaben. Erzbischof Adelbert bestätigte (7. Juli 1123) nicht nur die ganze Stiftung, sondern ertheilte ihm auch die Privilegien der freien Abts und Vogtwahl, unterstellte es dem Mainzer Stuhle unmittelbar und stattete es außerdem noch mit einigen Höfen und Zehnten aus. Engelbold und die übrigen Betheiligten scheinen damals auch den Grafen Ludwig von Thüringen, den nachmaligen ersten Landgrafen, zum Vogt des Klosters bestellt zu haben. Die unten bezeichneten Rechte und Güter des Grafen von Grüningen in Hessen gingen auf die Gisonen über, wenn sich auch der Beweis von dieser [26] Gütererwerbung aus dem einzigen, noch dazu urkundenlosen Jahre, das die Gisonische Familie die Wernerische überlebte, nicht ins einzelne führen läßt. Das Verwandtschaftsverhältniß, welches diesen Erbgang herbeiführte, ist noch unaufgeklärt; neuerdings ist man geneigt, denselben durch eine Verbindung des Grafen von Grüningen mit dem Bilstein’schen Hause zu erklären: der letzte Giso IV. Graf von Gudensberg war mit Kunigunde, einer Gräfin v. Bilstein vermählt und hinterließ bei seinem schon 1122 am 12. März erfolgten Tode seinen Besitz dem später thüringischen Landgrafenhaus, dem Grafen Ludwig. Auch die Verhältnisse dieses Erbfalles sind nicht weniger dunkel als die oben erwähnten: fest steht nur, daß Landgraf Ludwig infolge einer ehelichen Verbindung den Gisonischen (Wernerischen) Besitz auf sein Haus brachte. Von diesem ging derselbe wie bekannt im folgenden Jahrhundert auf die Landgrafen von Hessen über. Was die Klostergebäude noch anlangt, so war deren Ausbau zur Zeit jenes Besitzwechsels, als Erzbischof Adelbert den Bestätigungsbrief ertheilte (1123), noch nicht vollendet, erst der zweite Abt Heinrich, welcher Trautwin 1132 nachfolgte, brachte die Gebäude vollends in Stand.

Die Gemahlin Werner’s, Gisela, deren Herkunft nicht bekannt ist (vielleicht eine Gräfin v. Bilstein?), starb erst um’s Jahr 1155; in jenem Jahre verträgt sich nämlich ein Geistlicher, welcher der Gräfin Geld vorgeschossen hatte, mit dem Kloster Breitenau über die Pfandgüter, welche das Kloster gern an sich ziehen wollte. Wenck zieht daraus den Schluß, daß sie erst kurz vorher gestorben ist.

Als Besitzungen des Grafen von Grüningen sind bekannt: 1. In Württemberg die Burg Achalm nebst Zubehör und einige benachbarte Achalmische Güter; 2. In Hessen die Grafschaft Maden mit dem Gaugericht über einen großen Theil des fränkischen Hessengaus (Niederhessen.) Ueber die Ausdehnung des Sprengels ist man jedoch nicht völlig im klaren: im J. 1107 werden 7 Dörfer dicht nördlich und südlich bei Kassel als in der Grafschaft liegend genannt [Wahnhausen, Frommershausen, Ober- und Niedervellmar, Heckershausen, Ramershausen (†) und Guntershausen], begütert war der Graf ferner (1102) in 4 Orten dicht südöstl. von Kassel und südwestl. von Gudensberg [Ochshausen, Krumbach, Venne und Ritte], sowie zu Erfurt und Umgegend, ca. 1½ Meilen südlich von Fritzlar. Zu den benachbarten Besitzungen außerhalb Hessens gehört weiter sehr wahrscheinlich die Vogtei über das Wormsische Stift Weilburg a. Lahn. Im J. 1103 ist ein Graf W. Vogt über die diesem Stift zustehende Kirche zu Breidenbach im Hessengau, westl. von Marburg. Mit ziemlicher Sicherheit kann man ferner annehmen, daß der Graf von Grüningen auch Burggraf zu Worms war; als solcher kommt ein Graf W. von 1106–1116 vor und wird im J. 1122 von Bischof Buggo von Worms bezeichnet als gestorben ohne Söhne und Erben (defunctus sine filiis et herede). Derselbe W. hatte bis zu seinem Tode das Dorf Bischofsheim von Worms zu Lehen (Neckarbischofsheim zwischen Heidelberg und Wimpfen.) Im J. 1116 ist er sammt seinem Schwiegersohn Albert von Kislau – aus dem freien Herrengeschlecht, das sich nach der Burg nördl. von Bruchsal nannte, – Zeuge in einer zu Worms ausgestellten Kaiserurkunde, nach Arnold wäre er dann auch identisch mit dem gleichnamigen Grafen W. von Neckarau bei Mannheim, der in einer Mainzer Urkunde genannt wird (1090). Wie v. Schenk sehr richtig bemerkt, wäre es ein in hohem Grade auffälliges Zusammentreffen, wenn in dieser Gegend zwei Grafen Werner, also der von Grüningen und der Burggraf von Worms um dieselbe Zeit ohne männliche Erben zu hinterlassen verstorben wären. Dazu kommt noch der Umstand, daß der hessische Graf W. die Vogtei Weilburg von Worms zu Lehen trug und daß die Zeugen sowol der Urkunde von 1116 wie die der oben erwähnten, der Aebtissin Diemud von Kaufungen ausgestellten, jener Gegend entstammen, mithin [27] die Verbindungen Werner’s auf den mittelrheinischen Bezirk hinweisen. Bei der Stiftung von Breitenau wird zwar Albert von Kislau mit seiner Gattin nicht erwähnt, sie würden also vor dem Jahre 1123 ohne Descendenz gestorben sein, oder Werner’s Tochter wäre bei ihrer Verheirathung abgefunden worden.

Es erübrigt noch, der so zweifelhaften Abstammung der Vorfahren Werner’s von Grüningen einige Aufmerksamkeit zuzuwenden. Im Gegensatz zu unserer, im Eingang dieser Darstellung, vorgetragenen Hypothese Wenck’s, im Gegensatz zu Stälin, Giesebrecht und Gfrörer gelangte v. Schenk zu einer abweichenden Ansicht, indem er die Heimath der ältesten Grafen Werner außerhalb Hessens, in Schwaben sucht. Der verdienstvolle Forscher stützt diese Vermuthung auf folgende Punkte: Aus einer Kaiserurkunde vom Jahre 1158 geht hervor, daß Graf Uto von Katlenburg ein Gut seiner Gattin Beatrix zu Nürtingen (südöstl. von Stuttgart) im Neckargau, sowie ein anderes zu Holzhausen im Hessengau, gelegen in der Grafschaft Werner’s, dem Kaiser Konrad (1024–1039) gegen Allodificirung der Grafschaft im Lisgo und des Harzes zu eigen gegeben hat. Das Nürtinger Gut schenkte König Heinrich im J. 1046 an Speier und bezeichnet es als in der Grafschaft Werner’s im Neckargau gelegen. Der aus diesen Thatsachen abzuleitende Schluß liegt nahe: Der Graf W. im Neckargau (urkundlich von 1024–1046) und der Graf W. im Hessengau (urkundlich 1024–1040), der Vorfahr des von Grüningen müssen identisch sein! Leider ist der volle Beweis hierfür nicht zu erbringen, weil das Original jenes Tauschvertrags des Grafen Uto nicht erhalten zu sein scheint. Diese Vermuthung wird übrigens dadurch noch gestützt, daß die hessischen Werner zweifellos mit einer schwäbischen Familie, den Grafen von Achalm verschwägert waren, sowie daß der letzte jenes Stammes nach einem Orte Grüningen genannt wird, der sich in Schwaben, bei Zwiefalten im Neckargau wiederholt findet. Auch die Gemahlin jenes Grafen Uto wird „von Schwaben“ genannt; Gebhardi hält sie für eine Gräfin von Oberstenfeld, dieselbe gehört aber sehr wahrscheinlich zu der Familie der Grafen Werner, wenn man annimmt, daß die besprochenen Güter Nürtingen und Holzhausen zu ihrer Mitgift gehört haben. Es wäre ein besonderer Zufall, wenn sie in zwei weit von einander entfernten Gauen Besitzungen gehabt hätte, denen ein und derselbe Graf W. vorstand, ohne daß zwischen ihr und dessen Familie eine Verbindung bestanden hätte. Alles in allem genommen: die Grafen Werner in Hessen, deren letzter als Graf von Grüningen verstorben, sind ein schwäbisches Geschlecht.

Wie v. Schenk hervorhebt, hat sich dies schwäbisch-hessische Grafenhaus von Grüningen nach derselben Burg genannt, nach welcher später das württemberger Haus hieß, also nach der alten Burg bei Riedlingen am Südfuß der Alb, von der noch ein mächtiger Thurm erhalten ist. Die wiederholte Erwähnung von nach Grüningen benannten Ministerialen Werner’s in den Zwiefaltener Geschichtsquellen spricht ebenfalls für diese Ansicht. In dem der Burg unmittelbar benachbarten Kloster hätte man wol den Besitzer der Burg Achalm schwerlich ohne weiteres nach einem vom Kloster weiter entfernten oder gar hessischen Schlosse bezeichnet.

Wenck, Hessische Landesgeschichte, Bd. 3, S. 11 ff. – Gustav Schenk zu Schweinsberg, Das Wernerische Grafenhaus im Neckargau, Hessengau, Lahngau u. zu Worms i. Correspondenz-Blatt des Gesammtvereins d. deutsch. Geschichts- u. Alterthumsvereine, Jahrg. 23 (1875), S. 49 ff. u. S. 85. – Bei Beiden Verzeichniß der Quellen; außerdem: Landau, Hessengau, S. 34. – Kindlinger, Geschichte der deutschen Hörigkeit, S. 229 u. 233. – Adolf Fey, Das ehemalige Benediktinerkloster Breitenau, in „Hessenland“, Jahrg. X., Nr. 7, 8, 9.