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Artikel „Weiß, Adolf“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 556–558, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wei%C3%9F,_Adolf&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 07:27 Uhr UTC)
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Weiß: Gustav Adolf W., Botaniker, geboren zu Freiwaldau in Oesterreichisch-Schlesien am 26. August 1837, † zu Prag am 17. März 1894, besuchte von 1847–1855 das Gymnasium in Troppau und bezog dann behufs Studiums der Naturwissenschaften die Universität Wien. Schon während der Gymnasialzeit beschäftigte sich W. mit mikroscopischen und telescopischen Beobachtungen und trat im Alter von 20 Jahren mit einem populär geschriebenen [557] Buch: „Studien aus der Natur“, welches zwei Auflagen erlebte, zum ersten Male an die Oeffentlichkeit. Unter seinen Universitätslehrern waren es besonders die Botaniker Unger und Fenzl, die ihn auf sein eigentliches Schaffensfeld, auf die Anatomie und Physiologie der Pflanzen hinlenkten. Daneben aber stand er auch mit Gelehrten auf anderen Gebieten, wie Ettingshausen, Grailich, Kunzek und Littrow in regem Verkehr und ließ es sich überhaupt angelegen sein, sein Studiengebiet nicht zu eng zu fassen. Er widmete sich zumal mit großem Eifer theoretisch wie praktisch den beiden wichtigsten Hülfswissenschaften der allgemeinen Botanik, der Physik und Chemie, mit welchen Fächern er sich in einer bei Botanikern sonst ungewohnten Weise vertraut machte, was seinen späteren Arbeiten wesentlich zugute kam. Im J. 1858 wurde W. zum Dr. phil. promovirt und habilitirte sich im Sommer 1860 an der Wiener Universität als Privatdocent für physiologische Botanik, in welcher Stellung er zwei Jahre verblieb. Während derselben bereiste er mit seinem Bruder, dem Astronomen Edmund W., die jonischen Inseln, Griechenland und Kleinasien und bethätigte auf dieser Reise sein vielseitiges Wissensbedürfniß, indem er nicht bloß botanisirte, Algen und Fische untersuchte, sondern auch theilnahm an den Beobachtungen einer Sonnenfinsterniß, Petrefacten suchte in der Nähe von Olympia und in Gesellschaft hervorragender Archäologen classische Alterthümer studirte. Aus dieser Zeit datiren auch seine nahen Beziehungen zu verschiedenen griechischen Celebritäten, wie Baron Testa, Rhangabé, dem Astronomen Schmidt, sowie seine dauernde Freundschaft mit Theodor v. Heldreich in Athen, welche dem botanischen Garten in Lemberg später ein reiches Pflanzenmaterial zuführte. Eben hatte W. im August 1862 eine Assistentenstelle am Wiener Hofmineraliencabinette angetreten und sich damit beschäftigt, die reichen Sammlungen fossiler Hölzer dieses Institutes zu bearbeiten, als er, erst 25 Jahre alt, noch in demselben Jahre als ordentlicher Professor der Botanik und Director des botanischen Gartens nach Lemberg berufen wurde. Hier entfaltete er, neun Jahre hindurch, ungeachtet des immer schwerer werdenden Druckes, welcher durch die politischen Verhältnisse auf den Deutschen in Galizien lastete, eine rege Thätigkeit als Lehrer und Schriftsteller, bis er 1871 an die Prager Universität kam, wo er bis zu seinem Tode verblieb. Bevor er die Stelle antrat, benutzte er eine Einladung zur Theilnahme an der österreichischen Expedition zur Beobachtung der Sonnenfinsterniß in Tunis, zu einer Reise in Nordafrika, die seine floristischen Kenntnisse durch das Studium subtropischer Gebiete erweiterte. Weiß’ wissenschaftliche Verdienste fanden ihre gerechte Würdigung. Die kaiserliche Akademie der Wissenschaften ernannte ihn zu ihrem correspondirenden Mitgliede, zahlreichen wissenschaftlichen Vereinen gehörte er als Ehrenmitglied an und stand lange Jahre hindurch als Präsident an der Spitze des Prager naturwissenschaftlichen Vereines Lotos. Seine schätzenswerthen persönlichen Eigenschaften, sein Lehrtalent und seine durch Humor und Witz belebte Redegabe erwarben ihm einen großen Kreis dankbarer Schüler und anhänglicher Freunde, wie er denn auch als mannhafter Verfechter des Deutschthums eine Zierde der Prager deutschen Gesellschaft wurde. Ziemlich unerwartet raffte ihn aus einem glücklichen Familienleben der Tod im 57. Lebensjahre hinweg. Alle Arbeiten Weiß’, bis auf die Eingangs erwähnte Jugendschrift und eine 1878 veröffentlichte „Allgemeine Botanik“ erschienen in Fachzeitschriften und Berichten gelehrter Gesellschaften und zwar erstreckte sich seine schriftstellerische Thätigkeit auf die Jahre 1857–1891. Nach Materien geordnet sind die wichtigsten Veröffentlichungen von W. die folgenden. Physikalisch-chemischer Natur waren seine Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen Dichte und Brechungsexponenten, mit seinem Bruder Edmund unternommen; über die physikalischen Eigenschaften krystallisirter Körper, über die [558] Krystallformen einiger chemischer Verbindungen, über die Abhängigkeit der Liniendistanzen im Spectrum von der Dichte (Sitzungsb. d. Wien. Akad. Bd. 30, 33, 37, 39, 42 u. 43) und über Fluorescenz der Pflanzenfarbstoffe (Schriften d. naturf. Gesellsch. z. Bamberg, 1860 und Sitzungsb. d. Wien. Akad. Bd. 91). Daran reihen sich inhaltlich die mit seinem Freunde Julius Wiesner gemeinsam veröffentlichten chemisch-physiologischen Abhandlungen über directe Nachweisung des Eisens in den Pflanzenzellen, über das Verhalten des Kupferoxydammoniaks zur Membran und zur Stärke (Wien. Akad. Bd. 40 u. 46), über die chemische und physikalische Natur des Milchsaftes der Pflanze und über die Einwirkung der Chromsäure auf Stärke (Bot. Ztg. 1861, 1862, 1866). Ueber die Pflanzenfarbstoffe handeln mehrere selbständige Untersuchungen von W., die er 1864, 66 und 84 in den Sitzungsberichten der Akademie (Bd. 49, 54 u. 90) veröffentlichte. Zu den frühsten Arbeiten zählen seine Untersuchungen über die Spaltöffnungen. Nachdem er bereits 1857 in mehreren Abhandlungen (Verhdl. d. zool.-bot. Gesellsch. zu Wien) auf das Vorkommen dieser Organe an Rhizomen und untergetauchten Pflanzentheilen aufmerksam gemacht und ihre Entwicklung dargelegt hatte, trat er 1865 mit einer größeren Untersuchung über die Zahlen- und Größenverhältnisse der Spaltöffnungen hervor (Pringsheim’s Jahrbücher f. wissensch. Bot., 4. Bd.), die er 1890 durch eine erneute Untersuchung ergänzte (Ber. d. Wien. Akad. Bd. 99). Sein bedeutendstes Werk aber war seine 1867 in den von H. Karsten herausgegebenen bot. Untersuchungen erschienene Abhandlung: „Die Pflanzenhaare“. Die von ausgezeichneten Abbildungen begleitete Arbeit gibt eine umfassende Darstellung der Gestalt, des Baues, Wachsthums, der Entwicklung und der Function der Trichome und ist für alle späteren Studien über diesen Gegenstand grundlegend geworden. Im J. 1878 erschien der erste Band einer „Allgemeinen Botanik“, worin W. die Resultate seiner Specialuntersuchungen über Haare, Spaltöffnungen und Farbstoffe niederlegte. Das Werk ist zwar nicht frei von Fehlern, zeichnet sich aber durch Klarheit der Darstellung und Exaktheit der Abbildungen aus. Auf systematischem Gebiet hat W. auch Beiträge zur Kenntniß der Flora Galiziens geliefert. Zuletzt sei noch hervorgehoben Weiß’ reformatorische Thätigkeit in seinen akademischen Stellungen in Lemberg und Prag. Während er dort mit seltener Energie die zerfahrenen Zustände des botanischen Gartens besserte, gelang es ihm in Prag, das erste eigentliche pflanzenphysiologische Institut als selbständiges Glied der Universitätsanstalten zu schaffen und eine Trennung des Unterrichtes in der systematischen und der physiologisch-anatomischen Botanik durch Errichtung gesonderter Lehrstühle zu veranlassen.

Nekrolog von H. Molisch im Bericht der Deutschen botan. Gesellsch. XII. Jahrg. 1894. – Oesterr. botan. Zeitschr. XXXIV. Jahrg. 1884.