ADB:Ettingshausen, Constantin Freiherr von

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Ettingshausen, Constantin Freiherr von“ von Karl Alfred von Zittel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 435–436, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ettingshausen,_Constantin_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 13. Dezember 2024, 22:40 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 48 (1904), S. 435–436 (Quelle).
Constantin von Ettingshausen bei Wikisource
Constantin von Ettingshausen in der Wikipedia
Constantin von Ettingshausen in Wikidata
GND-Nummer 116585536
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|48|435|436|Ettingshausen, Constantin Freiherr von|Karl Alfred von Zittel|ADB:Ettingshausen, Constantin Freiherr von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116585536}}    

Ettingshausen: Constantin Freiherr von E., Paläontolog und Botaniker, entstammt einer angesehenen Gelehrtenfamilie. Sein Vater, Andreas, war Professor der Physik an der Universität in Wien und dort ist Constantin auch am 16. Juni 1826 geboren. Er machte seine vorbereitenden Studien in Kremsmünster und Wien und erwarb 1848 das Doctorat der Medicin an der Universität Wien. Seine Neigung für naturwissenschaftliche Studien und namentlich für Botanik führte den jungen Mediciner bald auf andere Bahnen. Durch eine erste Abhandlung über „Das Accommodationsvermögen des menschlichen Auges“ wurde die Aufmerksamkeit W. Haidinger’s auf den jungen [436] Forscher gelenkt und bald trat er in die Schar jener enthusiastischen Männer ein, welche unter Haidinger’s Führung naturwissenschaftliche Kenntnisse in Oesterreich zu verbreiten und zu fördern suchten. E. fühlte sich am meisten zu botanischen und phytopaläontologischen Studien hingezogen. Der persönliche Umgang mit Endlicher, Schott und Unger förderte ihn mächtig und eine im Auftrag der k. k. geologischen Reichsanstalt unternommene Forschungsreise nach den wichtigsten Fundorten fossiler Pflanzen in Oesterreich schaffte ihm ein reiches Material, das nach seiner Heimkehr in Wien in zahlreichen Abhandlungen und Monographieen verarbeitet wurde. Die Bearbeitung der fossilen Floren des Wiener Beckens, von Radoboj, Parschlug, Sotzka, Häring, Bilin, Sagor, Leoben, Schönegg und anderen Orten bilden den Beginn der reichen und vielseitigen litterarischen Thätigkeit Ettingshausen’s, denen bald auch eine Anzahl monographischer Abhandlungen über einzelne Pflanzenfamilien folgten. Nachdem er sich auch mit der Steinkohlenflora von Stradonitz und Radonitz, sowie mit den fossilen Pflanzen der Kreideformation von Maestricht und Niederschöna in Sachsen vertraut gemacht hatte, kehrte er definitiv zum Studium der damals noch ziemlich vernachlässigten Tertiärflora zurück. Hierzu bedurfte es aber einer eingehenden Vergleichung mit lebenden Formen und in erster Linie einer detaillirten Kenntniß der äußern Form und der Nervatur der Blätter. In dem von Director Auer in der Hof- und Staatsdruckerei zu hoher Vollkommenheit gebrachten Verfahren des Naturselbstdrucks fand E. Gelegenheit, sich eine unschätzbare Fülle von Vergleichsmaterial zu verschaffen. Im J. 1855 veröffentlichte er mit Pokorny das Prachtwerk „Physiotypia plantarum austriacarum“ mit 300 Foliotafeln und 30 in Groß-Quart, 1861 „Die Blattskelette der Dikotyledonen“ mit 95 Foliotafeln, 1862 „Die Physiographie der Medicinalpflanzen“ mit 294 Abbildungen und 1864 das photographische Album der Flora Oesterreichs mit 173 Tafeln. Mit diesen Werken schuf E. eine Grundlage von unvergänglichem Werth für morphologische und phytopaläontologische Untersuchungen.

Nachdem im J. 1871 die medicinisch-chirurgische Josephs-Akademie in Wien, an welcher E. seit 1854 als Professor der populären Physik, der Mineralogie und Botanik gewirkt hatte, aufgelöst war, siedelte E. als ordentlicher Professor der Botanik an die Universität Graz über, woselbst er sich fast ausschließlich mit phytopaläontologischen Studien beschäftigte. Er sammelte ein riesiges Material aus den österreichischen und namentlich steirischen Tertiärlocalitäten und präparirte dasselbe unter Mitwirkung von Frost in sinnreicher Weise. Sein Ruf als ausgezeichneter Kenner der tertiären Floren wuchs mehr und mehr, so daß ihm die Bearbeitung der in London aufgestapelten Schätze aus Java, Sumatra, Japan, Australien, Südafrika und Brasilien von der Royal Society und dem British Museum übertragen wurde. Neben Oswald Heer galt er als Autorität für die Phytopaläontologie der Tertiärzeit, und wenn manche seiner Schlußfolgerungen, namentlich seine Hypothese über den Ursprung einzelner Tertiärfloren aus australischen Typen Widerspruch bei den Fachgenossen erregten, so bildet doch seine Wirksamkeit einen Markstein in der Phytopaläontologie. E. war ein überzeugter Anhänger der Descendenztheorie und suchte stets nach dem genetischen Zusammenhang der fossilen und lebenden Floren. In einer Anzahl von Abhandlungen beschäftigte er sich auch mit den Umwandlungen einzelner Pflanzengattungen. E. war eine überaus liebenswürdige Persönlichkeit, überall geschätzt und beliebt. Er erreichte ein Alter von über 70 Jahren und starb als Senior der Grazer Universität am 1. Febr. 1897.