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Artikel „Wegelin, Karl“ von Johannes Dierauer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 424–426, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wegelin,_Karl&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 15:19 Uhr UTC)
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Wegelin: Karl W., St. Gallischer Archivar und Historiker, geboren in St. Gallen am 9. Mai 1803, † am 27. November 1856, gehörte einem jetzt noch blühenden Zweige der Wegelin’schen Familie an und war der Sohn des Postbeamten Christoph W. Sein Leben nahm einen sehr einfachen, bescheidenen Verlauf. Den Grund zu einer gelehrten Bildung legte er am Gymnasium und an der damals noch bestehenden theologischen Lehranstalt seiner Vaterstadt. Ohne eine wirkliche Universität besucht zu haben, bestand er 1824 die theologische Prüfung und diente in den Jahren 1825–28 als Vicar in verschiedenen Gemeinden. Durch einen schwächlichen und mißgestalteten Körper sah er sich aber [425] in der geistlichen Laufbahn gehemmt. Er übernahm gern die Stelle eines Actuars beim städtischen Schulrath, warf sich dann aber mit großem Eifer auf historische Studien, für die er von früh an eine besondere Neigung zeigte und gelangte nach einigen Jahren an das Ziel seiner Wünsche, indem er am 21. Mai 1834 von der Kantonsregierung und dem katholischen Administrationsrath die Stelle eines Stiftsarchivars erhielt. Der unschätzbaren Urkunden- und Actensammlung des ehemaligen Klosters St. Gallen, die durch alle Stürme der Revolution glücklich in die neue Zeit herübergerettet und von seinem väterlichen Freunde P. Ildefons von Arx (s. A. D. B. I, 615) neu geordnet worden war, widmete W. in der Folge die besten Kräfte seines Lebens. Sein Verdienst ist es, diese Schätze, zu welchen nach einigen Jahren noch die Archivalien der Toggenburgischen Landvogtei und des 1838 aufgehobenen Klosters Pfävers kamen, durch umfassende und vortreffliche Arbeiten nutzbar gemacht zu haben. Er legte ein Verzeichniß sämmtlicher Königs- und Kaiserurkunden, ein chronologisches Directorium über alle Documente von 1201–1411, einen systematischen Katalog über die Büchersammlung und endlich ein Repertorium zum ganzen Inhalt des Archivs an. Nach 22jähriger, hingebender Thätigkeit raffte eine schmerzhafte Krankheit den gewissenhaften, ehrenfesten, in politischen Dingen conservativen Mann dahin.

Wegelin’s historische Arbeiten bewegten sich ausschließlich auf St. Gallischem Gebiete; sie haben aber bleibenden Werth als Ergebnisse genauer Forschung und sorgfältiger Darstellung. Bereits im J. 1826 trat er, ohne seinen Namen zu nennen, mit einer kleinen Monographie über das Städtchen Lichtensteig hervor: „Lichtensteig, dargestellt nach seinem gegenwärtigen Zustande und seinen bisherigen Schicksalen“. Es war ein Vorläufer zu seinem auch dem Umfang nach bedeutendsten Werke, der „Geschichte der Landschaft Toggenburg“, die er in 2 Bänden (St. Gallen 1830 und 1833) bis zum Ende des 17. Jahrhunderts führen konnte. Zwischen hinein verfaßte er zwei pietätvolle Nekrologe: „Lebensgeschichte Pancratius Vorster’s, Fürstabts zu St. Gallen“ (1830), (s. A. D. B. XL., 312) und „Ein Wort des Andenkens an den verewigten Herrn Ildefons von Arx“ (1834), ferner eine gründliche Monographie über „Die Pfarrkirche St. Laurenzen“, die er als einen Beitrag zur Beleuchtung der Kirchen- und Reformationsgeschichte der Stadt St. Gallen bezeichnete (1832). Dann folgten: „Ein Wort über die Stiftung der St. Gallischen höheren Lehranstalt“ (1833); „Geschichtliche Andeutungen über das alte Gerichts-, Raths- und Zunftwesen der Stadt St. Gallen“ (im Schweizer. Geschichtsforscher, Bd. 10, Bern 1838); „Neue Beiträge zur Geschichte des sogenannten Appenzellerkrieges“ (1844); „Uebersicht der gedruckten ältern und neuern Localstatuten, Offnungen und Gemeindsreglemente des Kantons St. Gallen“ (1847); „Die Regesten der Benedictiner Abtei Pfävers und der Landschaft Sargans“ (im ersten Bande der von Th. v. Mohr [s. A. D. B. XXII, 73] herausgegebenen Regesten der Archive in der schweizerischen Eidgenossenschaft, Chur 1850). Eine Reihe von Arbeiten übergab er endlich den durch ihre historischen Mittheilungen noch immer sehr beachtenswerthen „Verhandlungen der St. Gallisch-Appenzellischen gemeinnützigen Gesellschaft“. Hier erschienen: „Geschichtliches über den früheren Aufenthalt und sonstige Verhältnisse der Juden in verschiedenen Landestheilen des Kantons St. Gallen“ (1846); „Historische Beleuchtung der Staatsweinzehent-Verhältnisse in den rheinthalischen Gemeinden Thal, Rheineck und St. Margrethen“ (1847); „Materialien zur Geschichte des Criminal- und Gefängnißwesens in der Alten Landschaft, im Toggenburg und Rheinthal 1396–1797“ (1854); „Geschichtliches über die örtlichen Corporationen im Kanton St. Gallen“ (1858). Erst nach seinem Tode gelangte die „Historische Denkschrift über die Schicksale und Verhältnisse [426] des St. Gallischen Stiftsarchivs“ durch die Fürsorge des Regierungsrathes J. M. Hungerbühler zum Abdruck (1858).

Vgl. J. M. Hungerbühlet, Karl Wegelin, der St. Gallische Stiftsarchivar und Geschichtschreiber Toggenburgs (Verhandlungen der St. Gallisch-Appenzellischen gemeinnützigen Gesellschaft. St. Gallen 1858).