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Artikel „Mohr, Theodor von“ von Georg von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 73–74, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mohr,_Theodor_von&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 17:10 Uhr UTC)
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Mohr: Theodor von M., schweizerischer Historiker; † 1. Juni 1854 in Chur. – M., der unter obigem Namen seine Schriften veröffentlichte, eigentlich aber die Taufnamen Theodosius Conradin trug, wurde am 15. Mai 1794 zu Süs im Unter-Engadin geboren, wo sein Vater Jacob Conradin M. († 1830) evangelischer Pfarrer war. Erst der Theologie, später dem Rechtsstudium sich widmend, ließ M. sich als Rechtanwalt anfänglich in seinem Heimathorte, dann in Chur nieder. wo er für seinen Beruf einen ausgedehnteren Wirkungskreis und im Umgange mit den Bürgermeistern Christoph von Albertini und Joh. Friedrich von Tscharner, mit Vincenz von Planta und andern hervorragenden Männern die gewünschte geistige Anregung fand. Von seinem heimathlichen Gerichte Ob-Tasna mehrmals in den Großen Rath des Kantons gewählt, trat M. in die öffentlichen Geschäfte, war Mitte der zwanziger Jahre Vice-Canzleidirector [74] des Kantons Graubünden, 1827 Mitglied der bündnerischen Gesandtschaft an der eidgenössischen Tagsatzung und 1836 Rathsherr der Stadt Chur, wo er sich 1834 das Bürgerrecht erworben hatte. 1842 und wieder 1846 wurde er zum Stadtvogte daselbst erwählt; 1843 vom Großen Rathe zum Bundesstatthalter für den Gotteshausbund. Allein zu der politischen Strömung, die um diese Zeit die Eidgenossenschaft ergriff und bald auch im Kanton Graubünden die Oberhand gewann, fand M. bei seinen sehr entschieden conservativen Grundsätzen sich mehr und mehr im Widerspruch, so daß seine Laufbahn im Staatsdienste seines Kantons mit der kurzen Bekleidung jenes Bundesstatthalteramtes schloß. Seinem Berufe als Anwalt und städtischen Beamtungen zugewandt, widmete er sich jetzt zugleich immer völliger Studien und Arbeiten, die ihn von jeher vorzüglich angezogen. Schon als Studirender in Bern hatte er Abschriften schweizerischer und bündnerischer Urkunden gesammelt, faßte allmählich den Gedanken. eine vollständige Sammlung von Abschriften aller auf die Geschichte von Graubünden bezüglichen Documente anzulegen, und verfolgte mit rastlosem Fleiße dieses Ziel, dem er alle seine Mußezeit widmete. Im gleichen Bestreben gründete er mit Freunden die geschichtforschende Gesellschaft von Graubünden, deren Eröffnung am 21. Mai 1826 durch einen Vortrag von M. eingeleitet wurde, und welcher M. selbst später fast ununterbrochen bis zu seinem Lebensende vorstand. Auch an der Gründung der allgemeinen geschichtforschenden Gesellschaft der Schweiz im Herbste 1840 nahm er als Stellvertreter seines Kantons Antheil und stand ihr im Jahr 1851 vor. Für beide Vereine war M. nun eifrig thätig. Für die schweizerische Gesellschaft übernahm er die Leitung des von ihr begründeten Regestenwerkes, das er in ihrem Auftrage 1851 bis 1854 (Chur, bei L. Hitz) in zwei Quartbänden herausgab. Die Regesten des Klosters Disentis in dieser Sammlung sind von M. selbst bearbeitet. Der bündnerischen geschichtforschenden Gesellschaft dienten das von M. ins Leben gerufene „Archiv für die Geschichte der Republik Graubünden“ und der damit verbundene: „Codex diplomaticus. Sammlung der Urkunden zur Geschichte Chur-Rätiens und der Republik Graubünden“. Das Archiv veröffentlichte theils deutsche Bearbeitungen der lateinischen Werke älterer Bündner Historiographen, wie Campell’s (s. Bd. III, 737) und Fortunat Sprecher’s, theils Denkwürdigkeiten bündnerischer Staatsmänner. Der Codex diplomaticus schöpfte aus Mohr’s Sammlung, die in jahrelangen Arbeiten zu gewaltigem Umfange gelangt war. Kann auch Manches in demselben vor einer eingehenden Kritik nicht bestehen, so bildet der Codex dennoch eine sehr werthvolle Sammlung, durch welche die ältesten Documente zur rätischen Geschichte zuerst in vollem Maße zugänglich wurden, und welche neben Eichhorns (Bd. V, 729) Episcopatus Curiensis die wichtigste Quelle zur älteren Geschichte des Landes bleiben wird. Vom Archive und vom Codex erschienen unter Mohr’s Leitung und Namen je zwei Bände 1848–1853 (Chur, bei Leonh. Hitz). Der Codex reicht darin bis zum Jahr 1360. Beide Publicationen setzte der Sohn und Mitarbeiter von M., Conradin von Moor (wie die Familie jetzt sich schreibt), nach des Begründers Tode fort. In seinen letzten Lebenswochen war M., längst genährten Anschauungen folgend, zur katholischen Kirche übergetreten, was in den graubündnerischen Kreisen großes Aufsehen erregte.

Eigene Erinnerung. – Mittheilungen des Herrn C. von Moor. – Bündner Zeitungen und Zeitschriften von 1854.