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Artikel „Weber, Josef Karl“ von Franz Weber in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 318–321, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weber,_Josef_Karl&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 11:18 Uhr UTC)
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Weber: Josef Karl W., Lithograph und Landschaftsmaler von Augsburg, wurde als ältester Sohn des Kupferstechers Franz Thomas W. (s. o. 292) am 16. Januar 1801 in Augsburg geboren und im elterlichen Hause frühzeitig im Zeichnen und Malen unterrichtet. Er besuchte bis zu seinem 16. Lebensjahre das St. Anna-Gymnasium und kam dann in die Schule des Kupferstechers Mathias Gottfried Eichler; am 1. December 1820 ward er als Eleve in die Akademie der bildenden Künste in München aufgenommen, besuchte die Kupferstecherschule unter Karl Ernst Christoph Heß und wandte sich dann der in Schwung gekommenen Lithographie und der Oelmalerei (Landschaftsfach) zu, ohne in letzterem Gebiete seine Studien vollenden zu können. Denn infolge der durch die kriegerischen Zeiten und einen großen Familiensegen eingeschränkten Vermögensverhältnisse der Eltern mußte er schon im August 1822 den Besuch der Akademie aufgeben und sich fortan selbständig fortbringen. Für seine weitere Richtung wurde es entscheidend, daß er bei Herstellung der lithographischen Tafeln zu den Werken der Professoren v. Spix und v. Martius über die Flora und Fauna Brasiliens (1821–31) Beschäftigung fand. Hiedurch wurde er mit dem Professor der Zoologie an der Universität München, Dr. Georg Wagler bekannt, der den Künstler in den Jahren 1828–32 ausschließlich mit Herstellung der Tafeln zu seinen beiden umfangreichen Werken „Natürliches System der Amphibien“ und „Descriptiones amphibiorum“ sowie zu kleineren Abhandlungen betraute. Durch Wagler wurde er dem 1832 nach München gekommenen berühmten Naturforscher Louis Agassiz empfohlen, der, mit Abfassung seines bahnbrechenden Werkes „Recherches sur les poissons fossiles“ beschäftigt, den Künstler, der auch die Tafeln zu seinen „Selecta genera et species piscium brasiliensium“ gezeichnet hatte, im Frühjahr 1835 zu sich nach Neufchatel kommen ließ, ihn auch im Laufe des Sommers zu einer größeren wissenschaftlichen Reise über Holland nach England mitnahm, woselbst W. bis November 1835 in den naturwissenschaftlichen Sammlungen Londons zeichnete. Nach Beendigung dieser Arbeit kehrte W. über Paris nach München zurück. Hier fand er in den folgenden Jahren reichliche Beschäftigung bei Herstellung der Tafeln zu dem anatomischen Atlas von Fr. Oesterreicher, zu den Supplementbänden der v. Schreber’schen Naturgeschichte der Säugethiere, wovon die Tafeln des V. Suppl.-Bands ausschließlich von seiner Hand sind, und insbesondere zu den Beiträgen der Professoren Andreas Wagner, Schafhäutl, v. Siebold in den Abhandlungen der mathematisch-physikalischen [319] Classe der bairischen Akademie der Wissenschaften; ferner zu Schafhäutl’s geognostischen Untersuchungen des südbairischen Alpengebiets und Südbaierns Lethaea geognostica und zu einer Menge kleinerer Abhandlungen und Monographien Münchener Gelehrter.

Außer dieser Thätigkeit hat sich W. auch durch Herausgabe eigener Werke bekannt gemacht. Schon während des Neufchateler Aufenthalts hatte er den Plan zur Herausgabe eines Werkes über die Alpenpflanzen in naturgetreuen Abbildungen in natürlicher Größe gefaßt und zu diesem Zwecke eifrige Studien und Sammlungen während seines Aufenthalts in der Schweiz gemacht. Im J. 1837 durchwanderte er zu deren Vervollständigung nochmals die Schweiz, einen Theil Oberitaliens und Savoyen und in den folgenden Jahren das bairische Alpengebiet, Tirol, Salzkammergut, Kärnthen und die Steiermark. 1842 und 1843 trat er mit 2 Bändchen in Taschenformat „Die Alpenflanzen Deutschlands und der Schweiz“ in 192 colorirten Abbildungen in natürlicher Größe an die Oeffentlichkeit. Den Verlag erwarb 1846 die Christian Kaiser’sche Buchhandlung in München. Bei dem günstigen Erfolg des Werkchens ging er daran, auch die in der Umgebung Münchens wildwachsenden Pflanzen in gleicher Weise herauszugeben und ließ bis 1851 zwei Bändchen mit 200 Tafeln unter dem Titel „Flora Monacensis“ erscheinen. Während der Ausführung erweiterte sich jedoch der Plan zur Herausgabe einer vollständigen „Flora und Fauna Baierns“, in welcher sämmtliche Pflanzen, Sträucher, Moose, Flechten, Schwämme, Säugethiere, Vögel, Amphibien, Fische, Käfer, Schmetterlinge, Raupen, Conchylien etc., welche in Baiern vorkommen, aufgenommen werden sollten. Noch 1851 veröffentlichte er zur Fauna Baierns ein Bändchen der „in den Flüssen und Seeen Baierns vorkommenden Fische“ mit 58 nach der Natur gezeichneten Tafeln. Sodann ging er an die Vervollständigung der Flora, welche bis Ende 1855 in 6 Bändchen mit 648 Tafeln fertig vorlag. Noch 1855 folgte ein Bändchen Schmetterlinge „Die Tagfalter Baierns“, 1858 ein zweites „Die Nachtfalter Baierns“, ersteres mit 66, letzteres mit 70 nach der Natur gezeichneten, vorzüglich colorirten Abbildungen. Auf Anregung Kobell’s ließ er 1856 ein Bändchen „Die Mineralien Baierns“ mit 52 Tafeln in gleicher Ausstattung erscheinen. Mittlerweile ward zur Ergänzung der Alpenpflanzen 1856 auch ein drittes Bändchen derselben mit 108 Pflanzen veröffentlicht.

Obwohl W. sein Werk mit Ausnahme der Alpenpflanzen auf eigene Kosten und in eigenem Verlag herausgegeben und die wünschenswerthe Verbreitung auf diesem Wege nicht gefunden hatte, arbeitete er doch an der Vollendung seines Planes unverdrossen weiter. Von 1858 bis 1860 wurden drei weitere Bände der Fauna fertig, nämlich die „Land- und Wasservögel Baierns“ mit 231 Abbildungen. 1861 folgten die „Säugethiere und Amphibien Baierns“ mit 81 Tafeln in einem Bändchen. Immer an der Vervollständigung seiner „Alpenpflanzen“ thätig, sammelte W. 100 seltene Arten und Varietäten in einem Supplementbande, der 1867 von der Verlagshandlung Kaiser herausgegeben wurde. Es lagen nun bis 1867 vier Bände Alpenpflanzen mit 400 Tafeln, sechs Bände Flora von Baiern mit 648 Tafeln, sieben Bände der Fauna mit 506 Tafeln, sämmtlich in Originalzeichnungen nach der Natur, ebenso die Mineralien Baierns in 52 Tafeln, theils auf Stein gravirt, theils mit Kreide gezeichnet und in genau überwachter Colorirung vor; zu den noch fehlenden Käfern, Conchylien und Raupen, Moosen, Flechten und Schwämmen waren zahlreiche Vorarbeiten gemacht und Originalskizzen fertig. Allein Weber’s Mittel zur Fortsetzung des Werks auf eigene Kosten waren erschöpft und in ganz Baiern fand sich kein unternehmungsfähiger Verleger für das Werk. An auswärtige Verleger für ein specifisch auf Baiern angelegtes Werk sich zu wenden, [320] wäre vor 1870 wenig aussichtsreich gewesen, und so gab denn W. gezwungen den ganzen Verlag 1869 an die Kaiser’sche Buchhandlung, welche hiefür sammt den Vorräthen 1080 fl. Honorar bezahlte. Für die Alpenpflanzen hatte dieselbe Firma 890 fl. geopfert. Diese ließ nun 1870 die Fische unter dem neuen Titel „Die Fische Deutschlands und der Schweiz“ und 1871 die Mineralien in vermehrter 2. Auflage erscheinen, konnte sich aber zur weiteren Herausgabe des Gesammtwerks wegen der hohen Herstellungskosten nicht entschließen. So kam denn das groß angelegte Werk nicht zur Vollendung, obwol es an Anerkennung und Aufmunterung seitens der bairischen Fachgelehrten nicht fehlte. Die Alpenpflanzen waren unterdessen in weiteren Kreisen bekannt geworden, weniger in Baiern selbst als in Norddeutschland, Oesterreich, der Schweiz und insbesondere in England und Amerika. 1868, fünfundzwanzig Jahre nach dem Erscheinen des ersten Bändchens, wurde eine zweite, 1872 eine dritte, 1879, vom Verfasser nicht mehr erlebt, eine vierte Auflage nothwendig, obwol unterdessen zwei Concurrenzwerke, darunter eines vom deutsch-österreichischen Alpenverein unterstützt, erschienen waren. Mit seinen Alpenpflanzen hatte W., wie auf anderem Gebiete Adolf Schaubach mit seinen deutschen Alpen, seiner Zeit vorauseilend, bahnbrechend für das Interesse und die Begeisterung an der Alpenwelt gewirkt und dadurch zu dem Emporblühen der Erforschung und Bereisung des Alpengebietes beigetragen.

Außer den angeführten Werken hatte W. 1866 noch zwei Separatbändchen „Ein deutscher Wald“ und „Aus den Alpen“, ersteres mit 56, das andere mit 62 Tafeln, fertig gestellt, die ebenfalls mit der Flora und Fauna Baierns von der Kaiser’schen Buchhandlung erworben, aber nicht mehr herausgegeben wurden. In ersterem sollte alles was den Wald, in letzterem was die Alpenwelt hervorragend charakterisirt, Aufnahme finden. Einen kurzen Text zu seinen sämmtlichen Werken hatte W. selbst verfaßt.

War der Künstler infolge seines Lebensganges in der Hauptsache auf das naturhistorische Fach gewiesen worden, so hatte er doch trotz seines unvollendeten Studienlaufes sich mit natürlicher Begabung auf das landschaftliche Gebiet geworfen und nach dem Standpunkt damaliger Technik sein Talent fortgebildet. Durch Wagenbauer und Dorner war ein naturalistischer Zug in die bisher classicistische Landschaftsmalerei gekommen. Dieser Richtung folgte W., welchem frühzeitige Gebirgsreisen Anlaß zu genauer Naturbeobachtung und Stoff zu zahlreichen Studien und Skizzen gaben, von welchen viele Motive aus der Schlierseeer, Partenkirchener, Berchtesgadener und Allgäuer Gegend zwischen 1830 und 1840 theils in Oel, theils in Aquarell ausgeführt wurden. Auch der Neufchateler Aufenthalt, die Reise nach England und die späteren Gebirgsreisen veranlaßten viele Skizzen, von denen manche zwischen 1840 und 1843 als Oelbild ausgeführt wurde. Für den Kunsthandel bestimmt erschienen mehrere Stiche, Radirungen und Lithographieen bairischer Gebirgsorte. Anfangs der fünfziger Jahre erhielt er den Auftrag, in eine Karte großen Maaßstabes für König Max II. sämmtliche Schlösser und Ruinen Baierns einzuzeichnen. Bis in sein spätes Alter hat W. die Zeit, welche sein Werk ihm frei ließ, zur Ausarbeitung früherer Studien in Oel und Aquarell verwendet. Ein rasch auftretendes Gehirnleiden machte seinem Leben am 25. October 1875 zu Augsburg, wo er auf Besuch weilte, ein Ende.

W., einer ehemals reichsstädtischen Künstlerfamilie entsprossen und von tüchtigen Eltern erzogen, war ein gerader, politisch freimüthiger, treuer und ideal angelegter Charakter, der sein Leben der Kunst und seinem Werke zum Opfer brachte, aber bei angeborener Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit sich, wie [321] Schaubach, nicht so geltend zu machen verstand, wie er es bei seinen Leistungen und seinem Erfolg zu thun berechtigt gewesen wäre.

Nagler, Künstlerlexikon, Bd. 21 vom Jahre 1851. – Zeitschrift des österr.-deutschen Alpenvereins, IV. Jahrgang. – Heidelberger Jahrbücher der Litteratur vom Jahre 1870. – Biographie des Künstlers in der Zeitschr. d. histor. Vereins v. Schwaben u. Neub. 19. Jahrg. 1892.