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Artikel „Walther, Isak Gottlieb“ von Gustav Tobler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 117–119, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Walther,_Isak_Gottlieb&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 13:32 Uhr UTC)
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Walther: Isak Gottlieb W., geboren 1738 in Bern. Er war ursprünglich Theologe, da man ihn aber im J. 1762 wegen seiner freien Ansichten vom Examen zurückwies, wandte er sich dem Studium der Rechte und Geschichte zu. 1775 wurde er Fürsprech vor dem Rathe. Männer wie Emanuel Haller und Alexander v. Wattenwyl wiesen jetzt schon auf die ungemeine Begabung Walther’s hin und namentlich durch des letztern höchst ehrende Empfehlung stellte man ihn im J. 1778 auf zehn Jahre probeweise als Honorarprofessor mit dem Auftrage an, Vorträge über vaterländische und bernische Rechtsgeschichte zu halten und sie nachher drucken zu lassen. Aber die Liederlichkeit in der Ausübung seines Lehramtes, die Eigenmächtigkeit in der Drucklegung seiner Werke erregten das Mißfallen des Rathes, der ebenfalls Bedenken über die Brauchbarkeit von Walther’s Büchern hegte, in dem Maße, daß man ihn nach Ablauf seiner Probezeit seines Lehrauftrags enthob, ihn dagegen als „Historiograph der Republik“ weiter anerkannte. Er starb im December 1805, ganz heruntergekommen durch das Trinken. – Trotz seiner liederlichen Lebensführung war W. ein ungemein fruchtbarer Schriftsteller. Von ihm sind folgende Werke in den [118] Druck befördert worden: „Versuch zu Erläuterung der Geschichten des vatterländischen Rechts (385 S. Bern 1765); „Critische Prüfung der Geschichte von Ausrottung des Zäringischen Stammes durch Vergiftung zweier Söhnen Berchtold’s V.“ (77 S., Bern 1765); (Anonym) „Systematische Abhandlung von der Abzugsgerechtigkeit“ (wurde 1765 im Auftrage des Rathes geschrieben, gedruckt in der Märznummer des Schweizer-Journal 1770, 67 S. Dann unter seinem Namen erweitert herausgegeben im J. 1775 unter dem Titel: „System der Abzugsgerechtigkeit aus den vaterländischen Rechtsgeschichten erläutert“, 204 S., Bern); „Schweizer-Journal 1770–1771“. (Bern, 6 Stücke.) (Daß W. der Herausgeber desselben ist, beweist ein Brief G. E. Haller’s an Balthasar in Luzern vom 27. Juli 1771); „Rede von dem Ursprung des äußeren Standes 1771“. (Nach Leu, Lexikon, Suppl. VI, S. 289; Haller, Bibliothek VI, Nr. 1690 nennt das Jahr 1773. Die Rede war nicht aufzufinden.) „Rede von der Veränderung schweizerischer Sitten“. (Gehalten 1767, gedruckt in Patriotischen Reden, gehalten vor dem äußeren Stande der Stadt Bern, 48 S., 1773). (Anonym) „Versuch einer Einleitung zu den Geschichten des bernerischen Stadtrechts“, 108 S., nebst genealogischen Tabellen (Bern 1780); (Anonym) „Grundsätze zu Beurtheilung der Verfassung und Sitten der alten Helvetier vor der römischen Herrschaft“ (XV u. 94 S., Bern 1781); L. Walthard, „Idea bibliothecae helveticae“ (98 S., Bern 1782. Nach Leu a. a. O. und Haller’s Bibl. II, Nr. 33 ist Walther der Verfasser dieser Schrift.) (Anonym) „Celtische Alterthümer zu Erläuterung der ältesten Geschichte und Verfassung Helvetiens“ (LXIV u. 192 S., Bern 1783); „Versuch über die älteste Geschichte Helvetiens“ (LXX u. 208 S., Bern 1784); (Anonym) „Geschichte Helvetiens, zweiter Theil. Unter dem römischen Zeitpunkte“ (XCV u. 205 S., Bern 1791); „Geschichte des bernerischen Stadtrechts“ (Bd. 1, XLVIII u. 88 u. 104 S., nebst XCV S. Urkundenbeilagen, Bern 1794). Die ganze gedruckte Auflage des 2. Bandes vernichtete W. selbst bis auf ein einziges Exemplar. Doch hat sich die Originalhandschrift auf der Stadtbibliothek und eine Copie von 1821 auf dem Staatsarchiv Bern erhalten. Der 3. Band war handschriftlich ebenfalls fertig gestellt. Ob das auf dem Staatsarchiv Bern aufbewahrte Manuscript: „Allgemeine Einleitung des vatterländischen Rechts“ darunter verstanden werden kann, wage ich nicht zu entscheiden. Ebenso kann ich nicht sagen, ob und wo die von A. v. Wattenwyl gelobte Abhandlung „Ueber die goldene Bulle“ gedruckt worden ist. Außer diesen veröffentlichten Arbeiten hinterließ W. noch manche nicht unwichtige rechtshistorische Untersuchungen von localer Bedeutung, die sich auf der Stadtbibliothek in Bern befinden. – In dem „Schweizer-Journal“ zeigt sich W. als ein ganz tüchtiger Essayist und humoristischer Dichter; aber alle übrigen Arbeiten bewegten sich auf dem Felde der Rechtsgeschichte. Denn auch seine – jetzt werthlosen – Abhandlungen über die Antiquitäten dienten dem einen Zwecke, einen sichern Unterbau für die spätere rechtsgeschichtliche Entwicklung zu legen. Er verfügt über eine ungemeine Belesenheit, eine vorzügliche Kenntniß des Latein, männlichen Muth durch die offene Rüge vorhandener Mißstände, und zeigt eine für die damaligen Zeiten ungewöhnliche kritische Veranlagung, durch die er überraschende, noch heute ansprechende Resultate erzielte. So hat er mit Entschiedenheit schon in seiner ersten Schrift den deutschen Ursprung des schweizerischen Rechtes verfochten, hat als der Erste die bernische Handveste – allerdings nur nach einer Copie – veröffentlicht und mit trefflichen rechtshistorischen Erörterungen versehen, die einer unverdienten Vergessenheit anheimgefallen sind; er hat als der Erste den Ligurinus für die Schweizergeschichte herangezogen (in „Versuch einer Einleitung zu den Geschichten des bernerischen Stadtrechts 1780“, im Anhang) und sich bemüht, für die bedeutenderen [119] Dynastenhäuser der Schweiz urkundlich sichere Genealogien zu gewinnen. Zwar fehlt es bei ihm durchaus nicht an irrigen Behauptungen und falschen Schlüssen – so wenn er die Germanen und Kelten identificirt –, aber doch bleibt ihm das Verdienst unbenommen, daß er als der Erste durch Anwendung eines wissenschaftlich kritischen und auf Urkunden basirten Verfahrens, – wobei ihm allerdings das Mißtrauen der Regierung hindernd in den Weg trat, – der schweizerischen Rechtsgeschichte die Wege gewiesen hat.

G. E. Haller, Bibliothek. – Leu, Lexikon, Supplementband VI. – G. Tobler, Die Chronisten u. Geschichtschreiber des alten Bern, in Festschrift zur Feier der Gründung Berns 1891, S. 81–87. – G. v. Wyß, Geschichte der Historiographie in der Schweiz, S. 12 u. 287.