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Artikel „Wahl, Charlotte“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 590–591, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wahl,_Charlotte&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 14:19 Uhr UTC)
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Wahl: Charlotte W., Philanthropin, wurde am 16. November 1817 zu Riga als Tochter des Stadtbaumeisters Georg Mundel geboren, väterlicherseits bairischer Abkunft, mütterlicherseits aus der livländischen Familie Bergmann, der der berühmte Chirurg Ernst v. B. angehört. Früh mutterlos, erhielt sie eine sorgfältige Erziehung im Anneninstitute zu St. Petersburg. Sie heirathete 1837 daselbst Friedrich W., einen jungen schwäbischen Fabrikanten, und zog 1849 mit ihm nach Stuttgart. Die Ehe blieb kinderlos; dafür sorgte ihr reger Geist mit seiner hervorragenden Thatkraft und Fähigkeit zu organisiren für Hilfsbedürftige jeder Art, für Elende und Kranke. „In ihrem einstigen, von Künstlerhand erbauten Heim in der Marienstraße zu Stuttgart versammelte sich viele Jahre hindurch der „Paulinenverein“ zur Bekleidung armer Landleute, unter dem Vorsitz der Königin Pauline, Gemahlin König Wilhelm’s I.“ Für diese verfertigten [591] ihre geschickten Hände unzählige Kleidungsstücke. Der Krieg von 1866 öffnete ihrer Wirksamkeit ein neues weiteres Feld. Ihre Schöpfung war die erste Sanitätskolonne im militärischen Sinne. Das Jahr 1870/71 brachte ihr noch mehr Arbeit, „so manchen heißen Tag, manch kalte Nacht, beim Werk der Liebe ruhelos durchwacht“, wie Karl Gerok in einem ihr gewidmeten Gedichte sagt. Viele Verwundete beider Nationen hat sie mit Speise und Trank, mit Gewand und Trost reichlich versehen. Ihr Landesherr, die beiden ersten deutschen Kaiser, Baierns, Sachsens, Rußlands Fürsten zeichneten sie theils persönlich, theils durch Handschreiben, theils durch Orden aus; sie soll die meistdecorirte Frau ihrer Zeit gewesen sein. Jener aufopfernden Thätigkeit im Dienste der Allgemeinheit folgten mit dem Zusammenbruche ihrer glänzenden Vermögensverhältnisse Jahre materieller Unannehmlichkeiten, ja sogar bitterer Noth. Stolz und selbstlos vermochte die ans ungemessene Schenken gewöhnte nicht selbst zu empfangen. Sie übernahm den Posten der Oberin des Frauenheims zu Kirchheim u. T., hob diese Musteranstalt auf eine unerwartete Höhe und kehrte dann zu dem bejahrten Gatten nach Cannstatt zurück, bei dem die rüstig Gebliebene noch ein Jahrzehnt wohlthätig im engeren Kreise lebte, bis ein spätes Magenleiden ihre zähe Natur überwand und sie am 21. Juli 1894 zum unersetzlichen Verluste für die von ihr mitgeleiteten bezw. entschieden geförderten humanitären Unternehmungen starb. 45 Jahre lang hat sie, von früh zur Unterstützung der „Mühseligen und Beladenen“ sich hingezogen fühlend, in Württemberg gleichsam den Mittelpunkt aller einschlägigen Bestrebungen gebildet, lange Zeit unter und neben Königin Olga, der Russin. Besonders in der Centralleitung des Wohlthätigkeitsvereins, sodann als Mitbegründerin der Cannstatter Olgakrippe, auch bei der Nikolauspflege für blinde Kinder, dem Hause für Barmherzigkeit, den Anstalten für Kleinkinderpflegerinnen, der orthopädischen Armenheilanstalt und dem Diaconissenhause. Von diesen Stuttgarter Centren aus zog sie weite Gebiete ins Bereich ihres Segens. Ausgezeichnet war sie durch echte Frömmigkeit, die einem edlen, überzeugten Gemüth entsprang, und Vielseitigkeit ihres Umblicks; so wies sie auf die Mängel der Schutzpockenimpfung hin, zu welchem Zwecke sie auch die Broschüre eines französischen Arztes übersetzte und einleitete (1867).

Ausführlicher, etwas pietistisch-panegyrischer Nachruf von Z., der Beilage „Schwäb. Kronik“ zum „Schwäb. Merkur“ vom 30. Juli 1894, Nr. 175, S. 1490 f.; in Nr. 170 vom 24. Juli, S. 1454 Bericht über Begräbniß und Ehrungen. Gerok’s angeführte Verse in dessen „Deutschen Ostern“, S. 119 ‚An Frau Ch. W.‘