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Artikel „Vordermayer, Rupert“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 301–302, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vordermayer,_Rupert&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 11:08 Uhr UTC)
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Vordermayer: Rupert V., Genremaler, ein merkwürdiger Mensch, der ein hartes Leben voll physischer Leiden durchkostete, welches ihm nur die echteste Liebe zur Kunst erträglich machte. Geboren am 23. Juni 1843 zu Holzkirchen, brachte er einen so unglücklich verkrümmten Körper in die Welt, daß Niemand an seine Lebensfähigkeit glauben konnte. Sorgsam gepflegt, besuchte er, soweit es sein Leiden ermöglichte, die Schule, wo sein frischer Geist lernbegierig alles in sich aufnahm. Unfähig den anderen Jugendgenossen auch nur entfernt zu folgen und deshalb ganz an sich angewiesen, wurde er frühe zum stillverarbeitenden Beobachter, streifte, als es nach Ablauf der Schule sich mit ihm etwas besserte, ohne seinen eisernen Rückenhalter, zur Kräftigung durch Feld und Wald, wo Thiere und Menschen mit ihrem Thun und Treiben dem fein nachempfindenden Zuschauer den rechten, belehrenden Zeitvertreib boten. Jede [302] Form sprach ihn da an und erzählte ihm, wie selbe geworden; darüber vergaß er das Alleinsein und das Gemüth erheiterte sich. Der in jedem Menschen versteckt waltende Poet und Künstler wurde geweckt; er mußte eines von Beiden werden und war es schon, wie Adalbert Stifter’s „Haideknabe“, ehe er es wußte und den unbestimmten Drang gestalten und in die gehörige Form bannen konnte. Nach dem Willen des Vaters kam Rupert V. gleichfalls in die Zeichnungsschule des vorgenannten Zimmermann Quirin Paul Herder. Deß ungeachtet hätte der Knabe vielleicht doch die Schneiderei erlernen müssen, wenn ihn sein Bruder Hans nicht nach München (1864) und in die unter Hermann Dyck’s Leitung florirende Kunstschule gebracht hätte, woraus bald der Uebergang in die Akademie erfolgte. Hier arbeitete der kleine Mann mit Feuereifer und errang Anerkennung, Auszeichnung und als Schüler der Malclasse bei Professor Alexander Wagner in einer Concurrenz mit Franz Wiedemann und F. A. Kaulbach mit einer Skizze „Odysseus von der alten Pflegerin Eurykleia erkannt“, den ersten Preis. Dagegen wurde leider sein sehnlichster Wunsch, in die Piloty-Schule zu treten, nicht erfüllt, da sein körperlicher Zustand sich oft in schmerzlichster Weise geltend machte; so suchte er denn im eigenen Atelier mit besserer Gelegenheit seinem Schaffensdrange zu genügen. Bei der Unmöglichkeit, angestrengt und ausdauernd zu arbeiten, konnte er nur wenige Bilder vollenden. Dazu gehören, außer einer Wiederholung seines „Odysseus“, das Bild einer Spinnerin (Porträt seiner Mutter), kleine Bildnisse und Charakterköpfe (z. B. des Wurzengraber und Kräutersammlers Siegl von Salzburg, 1878), etliche Genrebilder, wie ein „Festschießen zu Partenkirchen“ (auch in Nr. 41 Ueber Land und Meer 1877, 38. Bd., S. 829); das „Sonntagsbrod“ und mehrere Thierstücke: „Der Fuchs vor dem Bau und ein Rabe“, eine „Elster im Kampfe mit einer Natter“ u. s. w. Er betrachtete die Kunst als seine treueste Trösterin und Erheiterung und fühlte sich glücklich, wenn Andere an seinen Producten Freude und Gefallen hatten. In Gesellschaft und unter guten Freunden ließen sein sprühender Humor und der mit dem Witze um die Wette laufende Stift und Griffel keine Ahnung aufkommen, welche Schmerzen seinen Körper durchfolterten; in jedem Kreise kannte und liebte man den „kleinen lustigen Vordermayer“ und seine heitere, nie verletzende Laune. Als Beispiel seines schelmischen Improvisationstalents mag ein großer Kohlencarton gelten, womit der Künstler das bei der Inauguration des Mangfall-Quellenhauses zu Holzkirchen abgehaltene Festdiner des Architekten-Vereins verherrlichte, die Besitzergreifung Münchens von den Quellen im Mühlthale schildernd. Da sein Wohlbefinden – wenn dieses Wort überhaupt von einer solchen Existenz gebraucht werden kann – stets von einer nur im engsten Anschlusse an eine Familie möglichen, sorgfältigen Pflege abhängig war, so lebte der Künstler zu München bei seinem treuen Bruder Hans und die letzten Jahre, in welchen sich auch noch ein qualvoller Kopfschmerz einstellte, bei seiner Schwester in der Heimath auf das hingebendste gepflegt und behütet. Auch hier blieb er künstlerisch möglichst thätig, bis der Tod plötzlich und unerwartet den gänzlich geschwächten Körper von seinen namenlosen Leiden am 20. Juni 1884 erlöste. Seine letzten Arbeiten waren das Porträt seines ersten Lehrers Quirin Herder und sein vielleicht im Vorgefühl des nahen Endes mit dem Motto „Seinen Freunden“ auf ein schwarz gerändertes Blatt gezeichnetes, eigenes Bildniß. Einige interessante Blätter von seiner Hand (Ein Kameel, „der Zerstreute“, ein Pfarrer mit einer alten Frau im Gespräch) besitzt die sogenannte Maillinger-Sammlung der Stadt München (III. Bd., S. 149, Nr. 2250 ff.)

Vgl. Beil. 41 Allgem. Ztg. 10. Febr. 1885. – Kunstvereins-Bericht f. 1884, S. 77.