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Artikel „Vordermayer, Mathias“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 300–301, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vordermayer,_Mathias&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 09:36 Uhr UTC)
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Vordermayer: Mathias V., Bildhauer, geboren am 23. Februar 1850 zu Holzkirchen, war jedenfalls der begabteste unter seinen Brüdern. Er genoß den Unterricht des genannten Quirin Paul Herder, arbeitete als Tischler in Tölz bis 1871, wo er zum Militär nach München eingezogen wurde. Hier genoß er die sorgfältige Lehre und Unterweisung seines Bruders Hans V. und bildete sich in der Technik der Holz- und Steinskulptur. Insbesondere übte er sich in der Behandlung des sonst bei Plastikern weniger beliebten harten Eichenholzes, welches er mit eminenter Bravour seinem Meisel dienstbar machte. Leider bin ich nicht im Stande, die Reihenfolge seiner verschiedenen Arbeiten nachzuweisen. Im Jahre 1878 übersiedelte V. infolge von günstigen Anerbietungen nach Berlin, wo er 1878–1883 am Kunstgewerbemuseum, dann bei Calandrelli, Enke und Anderen arbeitete und 1884 sich selbständig etablirte. Großes berechtigtes Aufsehen erregte daselbst die überlebensgroße Figur eines stehenden [301] „Moses“, aufgefaßt in dem Augenblicke wo er vom Sinai kommend, den Abfall des Volkes erblickt. In lang herabfließender Gewandung, über die sich der Mantel in reichen, schön gebrochenen Faltenmassen drapirt, das in den Nacken fallende Kopftuch von einer priesterlichen Stirnbinde gehalten, schreitet die hehre Gestalt zürnenden Blickes in kräftiger Bewegung daher, die Tafel des Gesetzes mit beiden Händen zum zerschmetternden Wurf hoch über dem Haupte emporhebend. Für die Orgelbühne einer Kirche meiselte V. die frische und kühne Figur eines posaunenblasenden Engels, dann die „Häuslicher Fleiß“ benannte äußerst zierliche Statue eines spinnenden Mädchens: „Es ist die mit geschlossenen Füßen und vorgeneigtem Köpfchen zierlich dastehende Figur einer eben aufblühenden Jungfrau, die mit der Rechten den Spinnrocken gegen die Hüfte stützt und in der Linken den mit der Spindel beschwerten Faden dreht. In ein keck drapirtes ideales Gewand gekleidet, das die jugendlichen Formen nur um so anmuthiger zur Geltung bringt, mag sie als eine Allegorie häuslichen Fleißes angesehen werden; ihre eigenste Bedeutung aber beruht in der liebenswürdigen Frische der Erfindung, in dem zarten und dabei durchaus gesunden Reiz der graziösen Gestalt“ (eine Abbildung brachte die Nr. 2132 der „Illustr. Ztg.“, Leipzig, vom 10. Mai 1884 und die Lfg. 75 der „Meisterwerke der Holzschneidekunst“, Taf. 20, 1885). Seltsamer Weise rühmten die Laien immer die Virtuosität, womit des Künstlers Hand das „Messer“ und den „Schnitzer“ führe – gewiß ganz ahnungslos, daß hierzu ebensosehr wie bei der Steinplastik Schlägel und Meisel als Werkzeug diene; aber V. galt eben in einer Gegend, wo die Holzplastik wenig bekannt war, immer als „Schnitzler“, wenn auch als virtuoser Meister. Außer verschiedenen in Marmor gemeiselten Reliefs und trefflichen Büsten lieferte V. auch sechs Pferde (in Holz) für das Zeughaus und viele Skulpturen für den Reichstagsbau, auch ein Grabdenkmal; insbesondere aber die ganz charakteristisch behandelte Halbfigur des Fürsten Bismarck, mit dem Schlapphut auf dem Haupte und den derben Knotenstock in den Händen. Während das Werk noch auf der Kunstausstellung 1894 zu München bewundert wurde, schied der Meister, welcher in der Heimath Genesung gesucht hatte, nach langem, mit größter Geduld ertragenen Magenleiden, am 8. August 1894 zu Holzkirchen aus dem Leben und wurde am 11. daselbst neben seinen treuen, vorangegangenen Brüdern begraben. Seine letzte Marmorarbeit schildert eine schöne Tirolerin, die in den Händen eine Blume hält und das Liebesorakel befragt; diese überaus zierliche und anmuthige Schöpfung kam mit Vordermayer’s Nachlaß in den Besitz seiner Schwester in Holzkirchen. V. war eine echte Gestalt aus den bairischen Bergen, von scheinbar unerschütterlicher Gesundheit und begabt mit der frohesten Laune; seine musikalischen Talente im Singen, Jodeln und Citherspielen gewannen ihm überall zahlreiche Freunde.

Vgl. Nr. 133 Augsb. Abendztg. v. 16. Mai 1883 und „Kunstchronik“, Lpz. v. 23. Aug. 1894, S. 520.