ADB:Volkmann, Wilhelm Fridolin

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Artikel „Volkmann, Wilhelm Fridolin“ von Max Heinze in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 244–245, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Volkmann,_Wilhelm_Fridolin&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 17:16 Uhr UTC)
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Volkmann: Wilhelm Fridolin V., später Volkmann Ritter von Volkmar genannt, war 1822 zu Prag geboren, besuchte das Kleinseitner Gymnasium seiner Vaterstadt und studirte daselbst zuerst Jurisprudenz, später Philosophie, in der er durch Exner für die Herbart’sche Lehre gewonnen wurde. Zum Doctor der Philosophie wurde er 1845 promovirt, und 1846 habilitirte er sich an der Universität Prag für Aesthetik, später für Psychologie, wurde 1856 ebenda außerordentlicher und 1861 ordentlicher Professor der theoretischen und praktischen Philosophie und ihrer Geschichte. Seit 1868 war er Präses der k. k. Prüfungscommission für die Candidaten des Gymnasiallehreramts, seit 1875 Mitglied des Landesschulraths für Böhmen; im J. 1856 wurde er a. o. Mitglied der kgl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, 1874 correspondirendes Mitglied der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien. In Anerkennung seiner Verdienste erhielt er in eben diesem Jahr den Orden der eisernen Krone, wodurch er das Recht erhielt, sich Ritter zu nennen. Daher kommt der spätere Zusatz zu seinem Namen. Von früher Jugend an litt er an einem Lungenleiden, so daß er sich die größte Schonung auferlegen mußte; er starb den 13. Januar 1877 in Prag. Als akademischer Lehrer scheint er beliebt gewesen zu sein. Seine Marmorbüste wurde auf Veranlassung seiner Wittwe Barbara, geb. Seik, in der deutschen Lesehalle zu Prag, die er mitbegründet hatte, aufgestellt.

Die wissenschaftlichen Arbeiten Volkmann’s betreffen namentlich die Psychologie und ihre Geschichte, es sind folgende: „Die Lehre von den Elementen der Psychologie als Wissenschaft“ (Prag 1850); „Grundriß der Psychologie nach genetischer Methode und vom Standpunkte des philosophischen Realismus“ (Halle 1856), 2., sehr vermehrte Auflage, 2 Bde., (Cöthen 1875) unter dem etwas veränderten Titel: „Lehrbuch der Psychologie vom Standpunkte des Realismus und nach genetischer Methode“ (4. Aufl., herausgeg. von C. S. Cornelius, Cöthen 1894, 95); „Ueber Kant’s politische Ansichten“ (in den Oesterreichischen Blättern für Litteratur und Kunst); „Die Grundzüge der Aristotelischen Psychologie“ (in den Abhandlungen der kgl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften 1858); „Die Lehre des Socrates in ihrer historischen Stellung“ (ebd. 1861); „Ueber die Principien und Methoden der Psychologie“ (in Zeitschrift für exacte Pilos., II, 1861, S. 33–71). Als Aufgabe seines eigentlichen Lebenswerkes der „Psychologie“ sah er an, zu zeigen, was der Herbart’sche Realismus auf dem psychologischen Gebiet zu leisten im Stande sei, und dann eine möglichst vollständige Darstellung der historischen Entwickelung der Hauptbegriffe der Psychologie zu geben. Wenn er auch nicht eine eigentliche Geschichte der letzteren liefert, so zeigt er doch gründliche Gelehrsamkeit, verbunden mit scharfer Kritik, auf diesem Gebiete, und der bleibende Werth des Buches möchte in den geschichtlichen Theilen liegen, während das ganze psychologische Gebäude nur für den Anhänger der Herbart’schen Philosophie Geltung haben kann; denn der Realismus, den V. vertritt, ist nicht etwa der auf Physiologie, Psychophysik, innere Erfahrung gegründete, sondern der Herbart’sche, d. h. die Lehre von vielen, schlechthin einfachen, absolut zu setzenden Realen, deren jedem eine einfache Qualität zukommt, eine Lehre, die von andern Schülern Herbart’s pluralistischer Realismus genannt wird, während V. seine Anschauung als realistischen Monismus bezeichnet. Seine Psychologie faßt „den Geist als einfaches Wesen, löst den Leib in ein System gleichfalls einfacher Wesen auf und läßt den Geist durch sein Zusammenkommen mit dem Leibe zur Seele werden, indem sie auf den Gegensatz der Wesen die Einheit des Thätigkeitsgesetzes gründet“. Die Seele ist der einfache Träger aller Vorstellungen. gedacht im Zusammenhang mit anderen einfachen Wesen; die Zustände der Seele sind Vorstellungen. Die Psychologie definirt V. als die „Wissenschaft, welche sich die Aufgabe stellt, die allgemeinen Classen der psychischen Phänomene [245] aus den empirisch gegebenen Vorstellungen und dem speculativen Begriffe der Vorstellung nach den allgemeinen Gesetzen des Vorstellungslebens zu erklären“. Speculation und Empirie sind hier in gleicher Weise wie bei Herbart angewandt, und über die mathematische Psychologie äußert sich B. dahin, daß sie werthvoll, ja nothwendig sei, ersteres als der exacteste Weg zu der Aufstellung der allgemeinen Gesetze der Wechselwirkung und als die exacteste Formulirung bei dieser Aufstellung, letzteres als „Versuch einer Mechanik der intensiven Zustände vom Standpunkte der Vorstellung aus“. – Hiermit sind die Grundlagen der Herbart’schen Psychologie anerkannt. Im einzelnen stellt V. manche neue Erklärungen auf, gibt viele Ergänzungen und bringt namentlich ein sehr reiches und brauchbares Material, entfernt sich aber bei seinen Modificationen nicht wesentlich von seinem Meister.

Nekrologe im Jahresber. der Kgl. Böhm. Gesellsch. d. Wissenschaften, ausgeg. am 12. Mai 1877, S. LXV, u. in Zeitschr. für exacte Philos., Bd. 12, 1883, S. 239, 40. – H. Ulrici, Recension von Volkmann’s Lehrbuch d. Psychologie in d. Zeitschr. für Philos. und philos. Krit., 67, 1875, S. 298–310.