ADB:Voght, Kaspar Freiherr von

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Artikel „Voght, Caspar von“ von Wilhelm Sillem in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 161–166, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Voght,_Kaspar_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 07:13 Uhr UTC)
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Voght: Caspar v. V., Reichsfreiherr, Kaufmann und Philanthrop, in Hamburg geboren am 17. November 1752 und gestorben am 20. März 1839, daselbst bekannt als „Baron Voght“, war der Sohn des aus Beberstedt im Bremischen gebürtigen Hamburger Kaufmanns und Senators Caspar V., eines derben plattdeutschen Mannes. Von diesem schreibt Eva König (C. C. Redlich, Lessing’s Briefwechsel, 2. Abthlg., Berlin, Hempel, Nr. 395, 286, 753) an Lessing: „Voght ist doch ein braver Mann, wenn man sich auch über seine nicht ganz feinen Sitten lustig gemacht hat“ und Piter Poel (Bilder aus vergangener Zeit, 1. Th., Hamburg 1884, S. 76) nennt ihn „einen groben Spießbürger, schlau, wo es seinen Vortheil galt, und berühmt durch seine plattdeutschen Naivetäten“, der aber doch, wo es galt, ein offenes, wohlthätiges Herz bethätigte (Redlich a. a. O. Nr. 252, 395) und u. a. für die Erbauung der kleinen Michaeliskirche den Betrag von 25 000 Courantmark über hatte. Hatte sich der Vater somit wol aus recht kleinen Verhältnissen heraufgearbeitet und war auf seinen Hamburger Gesichtskreis beschränkt geblieben, so hat der Sohn, Baron V., das Leben in so mannichfaltigen Verhältnissen und in dessen geistigen und fein sinnlichen Genüssen so vollständig kennen gelernt, wie nur wenige Menschen seiner Umgebung. [162] „An Höfen und in allen Zerstreuungen der großen Welt, im Umgang mit Künstlern, Gelehrten und Schöngeistern aller Nationen, in voller Thätigkeit des Geschäftsmannes, und wiederum in ländlicher Abgeschiedenheit allein mit der Natur und seinen Büchern, oder im engen Kreis mit seinen vertrauten Freunden, gab er sich immer ganz der Gegenwart hin, und stimmte sein Inneres völlig nach der jedesmaligen äußeren Lage. Kaum gibt es eine Wissenschaft, die er nicht mit Eifer eine Zeit lang getrieben, und kaum eine der Liebhabereien unbeschäftigter Leute, Reiten, Tanzen, Spielen, Jagen, die nicht, so wie er successive darauf verfallen, bei ihm zu einer vorübergehenden Leidenschaft geworden wäre. Aber bei allem Wechsel der Lebensweise, der Studien und der Zerstreuungen behielt er doch immer ein Ziel gemeinnütziger Thätigkeit im Auge, das er, so lange es ihm erreichbar schien, mit aller Anstrengung des Geistes verfolgte“. (Poel a. a. O. S. 76.) Für das väterliche Geschäft bestimmt, wußte er demselben wenig Geschmack abzugewinnen, schwärmte vielmehr für Litteratur und stiftete achtzehnjährig mit gleichgesinnten Jünglingen eine litterarische Lesegesellschaft, die erste derartige in der Vaterstadt (von Elise Reimarus im Briefwechsel mit Lessing a. a. O. Nr. 584 erwähnt). Den Vater bewog er, ihm eine längere Reise zu gewähren, die ihn in den Jahren 1771–1775 nach England, Frankreich, Spanien, Deutschland und Italien führte und mit hervorragenden Männern verschiedenster Art in Berührung brachte. Nach Hamburg zurückgekehrt verkehrte er mit einer kleinen Zahl geistig angeregter Männer, zu denen u. a. F. U. L. Schröder, der Schauspieler, gehörte, der von Voght’s „Einsicht, Kunstliebe und Großmuth immer mit der höchsten Achtung gesprochen“ (H. Uhde, F. L. Schmidt’s Denkwürdigkeiten. Hamb. 1875, I, 243). Nach des Vaters Tode (1781) nahm er sich des ererbten Handlungshauses, in welches Georg Heinrich Sieveking schon früher eingetreten war, mit Eifer an. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend fesselte ihn das Contor, da die beiden Leiter des Hauses mit Erfolg bemüht waren, den amerikanischen Handel, dem durch den Unabhängigkeitskrieg die englischen Häfen verschlossen waren, nach Hamburg zu ziehen. Es glückte ihnen, ihr Haus zu einem der angesehensten zu erheben. Ausgezeichnete Fremde neben den Hamburg-Altonaer Freunden, Unzer, Reichardt u. A. trugen das ihrige bei, die Gesellschaften bei V. zu beleben, welche sich vortheilhaft unterschieden von den großen Gastereien, steifen Mittagsgesellschaften und späten Spielpartien der bisher maßgebenden Kreise Hamburgs. V. wurde das Orakel und Vorbild der Gesellschaft, in der er sich bewegte. Schon jetzt plante er, sich der Führung seines Geschäftes zu entziehen und der Natur, den Freunden und der Wissenschaft in Flottbeck an der Elbe zu leben, wo er sich ein paar Bauernhufen angekauft hatte (1785). Eine Geschäftsreise führte ihn und seinen jüngern Freund Piter Poel im nächsten Jahre wieder nach Paris und England. Bezeichnend ist es, daß die beiden Reisenden, unbefriedigt von dem öffentlichen Leben Frankreichs, wo gerade der berüchtigte Halsbandproceß verhandelt wurde, ganz von den englischen Zuständen eingenommen waren. Nach Flottbeck zurückgekehrt begann V. mit der Verschönerung seines Besitzthums, das er bald, indem er die Aenderungen der Oertlichkeit und der Natur anpaßte, künstlich zu einem der schönsten Parks umschuf, der nicht ahnen läßt, wie viel Kunst erforderlich gewesen ist, diese Verschönerungen hervorzubringen. Hier versammelte er seine Freunde, veranstaltete ländliche Feste, an denen auch die Arbeiter theil nahmen und pflegte Litteratur und Musik. Einige Tage der Woche riefen ihn nach Hamburg, die er städtischen Angelegenheiten als Bankbürger und Mitglied des Commerziums, der heutigen Handelskammer entsprechend, widmen mußte. Auch in diesen städtischen Geschäften zeichnete er sich durch seinen Eifer und sein Verständniß aus. In die [163] Rathsstube einzutreten, war ihm nicht vorbehalten, da die Entscheidung des Looses ihm ungünstig war. Es fragt sich auch, ob er in der Versammlung des Senats seine richtige Stellung gefunden hätte. „Er suchte“, wie sein Freund Poel (a. a. O. S. 29) sagte, „zu sehr zu glänzen und indem er die Eitelkeit Anderer nicht genug schonte, konnte er sich mit den Schwächen der seinigen zu sehr preisgeben, als daß diejenigen, welche sich durch seine Ueberlegenheit gedrückt fühlten, sie nicht begierig aufgefaßt und benutzt hätten, ihn bei seinen Mitbürgern herabzusetzen; nicht ohne Erfolg; denn die Thorheiten ausgezeichneter Männer sind immer ein Strandsegen für die Mittelmäßigkeit“. Dagegen befaßte er sich, als er 1788 zum Mitvorsteher der allgemeinen Armenanstalt erwählt wurde, mit der ihm eigenthümlichen Begeisterung mit einer Thätigkeit. die er in seinem wechselvollen Leben in und außerhalb der Vaterstadt nicht wieder aus den Augen verloren hat. Auf dem Gebiet der Armenpflege liegt die Bedeutung Voght’s, die seinen Namen auch weit über die engen Grenzen seiner Heimath bekannt gemacht hat. Von seinem Freunde Joh. Georg Büsch (s. A. D. B. III, 642) war aufs neue betont worden, was schon die erste Hamburger Armenordnung, die Bugenhagen als den eigentlichen Zweck einer evangelischen Armenpflege gefordert hatte: nicht nur die Armen zu beschenken, sondern die Quellen der Armuth zu verstopfen. Sich mit „fühlender Seele“ der individuellen Lage des Armen anzunehmen, war das Mittel jenes Ziel zu erreichen. V. wurde gleich von Anfang an das thätigste und hauptsächlich leitende Mitglied der Direction und wirkte unermüdlich durch seine Vorschläge und zahlreichen Aufsätze für das Publicum, das er zur Wohlthätigkeit zu begeistern wußte. Er selbst suchte die Armen in den engen Höfen und Gängen der Stadt auf und konnte, am Abend seines Lebens mit einer Geschichte des Hamburger Armenwesens beschäftigt, seinem vertrauten Freunde Rist (s. A. D. B. XXVIII, 651) schreiben: „Ich habe 30 Jahre meines Lebens damit zugebracht, einige Tausend Arme zu besuchen, um zu erfahren, wie es eigentlich mit der Armuth steht … Vierzig Jahre meines Lebens habe ich damit zugebracht, in Frankreich und England zu predigen: Eure Ruhe, Eure Sicherheit ist gefährdet, wenn ihr nicht dafür sorgen könnt, daß Mangel an Arbeit oder die Folge der Concurrenz, Arbeiter nicht zur Verzweiflung bringen“. Diese persönlichen Armenbesuche, die nüchterne Arbeit in der Leitung der Armenanstalt haben V. vor einem verschwommenen, utopischen Weltbürgerthum bewahrt, dem er in seiner äußeren Lage und glücklichen Lebensverhältnissen wol sonst verfallen wäre. Neben der Abhülfe leiblicher Noth sorgte V. auch dafür, die Jugend der Verlassenen zu bessern durch Errichtung von Sonntagsschulen, deren erste 1790 ins Leben trat. Neben Lesen und Rechnen sollte die religiöse Unterweisung der Kinder einen Hauptzweck dieser Schulen bilden, sie sollten früh an die wahre Feier des Sonntags statt an das so seelenverderbende Herumtreiben gewöhnt werden. Diese Einrichtung sollte sie an das zweckmäßige Lesen der Bibel am Sonntage gewöhnen (G. Behrmann, Monatsschrift für die ev.-luth. Kirche im hamb. Staate. 2. Jahrg. 1882, S. 105).

Die Anstalt war noch in ihrem ersten blühenden Zustande, als V., der jetzt nur noch den amerikanischen Zweig seines Handlungshauses für sich behalten hatte und meistentheils durch Gehülfen besorgen ließ, für einige Zeit Hamburg verließ. Eine Feuersbrunst, die sein Haus in Flottbeck zerstört hatte und besonders politische Umtriebe waren die Veranlassung. V. und G. H. Sieveking standen nämlich schon lange bei manchem ihrer Mitbürger als Freunde des Agenten der französischen Republik Le Hoc im Verdacht jakobinischer Grundsätze. Als solche waren sie in Berlin und Hannover verleumdet worden und beide Höfe forderten als kreisausschreibende Stände des niedersächsischen Kreises im [164] Februar 1793 vom Rath in Hamburg, le Hoc mit seinem ganzen Anhange in zwei Mal vierundzwanzig Stunden aus dem Gebiet der Stadt zu verweisen. Le Hoc verließ unverweilt die Stadt, Sieveking rechtfertigte sich, V. aber „mehr als einer empört über die Abscheulichkeiten der französischen Revolution, und beim leisesten Widerspruch geneigt, sie in der Sprache der ersten Emigrirten zu verwünschen“ wählte England zu seinem Aufenthalt und glaubte schon durch die Wahl dieses Reiseziels aufs bündigste die Verleumdung widerlegt zu haben, mit der Revolution zu sympathistren. Zugleich beabsichtigte er, sich mit der Landwirthschaft und den Fortschritten der Chemie und Industrie daselbst bekannt zu machen. P. C. Wattenbach begleitete ihn als Secretär und der Chemiker J. G. Schmeißer unterstützte ihn durch seine Erfahrung in Experimenten bei seinen Studien in Edinburg. Auch für die Vorzüge des englischen Familienlebens hatte V. ein offenes Auge und war ganz angethan von dem stillen, häuslichen Leben und der Sonntagsheiligung der Quäker. Er berichtet darüber seinen Freunden in der Heimath und bereitet sie darauf vor, ein ähnlich abgeschiedenes Leben mit ihm in Flottbeck zu führen. Dies begann er nach dreijähriger Abwesenheit auch in seinem einfach neu aufgebauten Hause daselbst, mit Hamburg kaum in anderer Verbindung stehend als die Armenpflege ihm auflegte. Für die von K. L. Reinhold (s. A. D. B. XXVIII, 82) damals popularisirte kantische Philosophie ließ V. sich gleichfalls begeistern und der Professor wurde eingeladen, bei V. die Osterferien zuzubringen. Allein V. war ein zu vielseitiger Mann, als daß er an seinem Einsiedierleben und an der Speculation Genüge gefunden hätte. Das französische Theater hatte alte Erinnerungen an Paris in ihm erweckt, so daß er zugleich dem damals in Hamburg auftretenden Schauspiele seine Gunst zuwandte. „Voght lebt in Räthseln“, schreibt die Doctorin Reimarus am 11. März 1796, „schenkt der Actrice Chevalier ein Reitpferd und läßt sich philosophische Collegien lesen“. Aus dem Einsiedler ward wieder ein Welt- und Geschäftsmann, das Landhaus wurde vergrößert, die Gesellschaften luxuriöser. Um nicht genöthigt zu sein. sogenannte Ehrenämter in Hamburg anzunehmen und daher dort zu wohnen, hatte er den Titel eines dänischen Etatsraths erworben. Seiner Landwirthschaft und derjenigen der Umgegend kamen aber die Erfahrungen seiner englischen Reise zugute: die Arbeiter lernten die Maschinen zu handhaben, Schmeißer errichtete ein Laboratorium besonders für Agriculturchemie, ein Gärtner aus Schottland wurde berufen, dessen Nachkommen die als die Booth’schen Baumschulen durch ganz Deutschland bekannten Anlagen schufen.

Der Ruf seiner Thätigkeit für die Armenpflege hatte inzwischen auch außerhalb Hamburg Anerkennung gefunden: ein von ihm verfaßter 1795 in Edinburg herausgekommener Bericht über die Hamburger Armenordnung (1813 in London wieder aufgelegt, mehrfach ins Deutsche übersetzt) hatte im Parlament Beachtung gefunden; von Preußen wurde im Anfange des Jahrhunderts der einstmals als Jakobiner Verdächtigte nach Berlin berufen, um das Armenwesen zu verbessern, und V. durch ein höchst ehrenvolles Rescript des Königs vom 28. März 1803, sowie durch das Geschenk eines kostbaren Tafelservice geehrt, wobei der König u. a. erklärte: „Ich weiß, daß Sie auf keine andere Belohnung rechnen als eine solche, die das Verdienst selbst mit sich führt“. Auch nach Wien berufen, fand er dort dieselbe ehrenvolle Aufnahme. Die Regierung ließ seinen Bericht 1802 drucken und vertheilen. Es ist derselbe, der 1809 unter Montalivet’s Ministerium in Paris angenommen und an alle Präfecturen vertheilt wurde (s. Ad. Wohlwill’s Rede bei dem hundertjährigen Jubiläum der Hamburger Armenanstalt im Hamb. Correspondent, 2. Nov. 1888). Nach diesem Plane organisirte V. (1811) das Armenwesen in Marseille. In Wien [165] wurde er in den Reichsfreiherrenstand erhoben. Er nahm diese Standeserhöhung hauptsächlich aus dem Grunde an, weil dieselbe ihm den Zutritt zu den verschiedenen Behörden und den Verkehr mit denselben erleichterte. Noch wenige Monate vor seinem Tode schrieb er darauf bezugnehmend: „Ich habe nie eine Stunde der Unabhängigkeit entsagt, die mir erlaubte, meinem Willen gemäß zu handeln. Daher habe ich nie einem Lande, nie einem Fürsten, selbst meiner Vaterstadt nicht dienstbar sein wollen. Wo ich ging, wo ich stand, habe ich freie, nie und nirgends bezahlte Dienste geleistet, und was mir an Ehrenzeichen angeboten worden, Orden und Stellen ausgeschlagen. Gedrungen nahm ich den Freiherrntitel an – weil das zu nichts verband“. Auch in dieser Beziehung durfte Syndikus K. Sieveking den ältesten Freund seines Vaters nicht bloß „unser Hamburger Prachtstück“ sondern auch „den ersten Gentleman Hamburgs“ nennen. Großherzig in seinen Gesinnungen, hatte er seinen Geschäftsführern nur zu großes Vertrauen geschenkt; daher liquidirte sein Haus und V. begab sich wieder auf Reisen, lebte der Natur und Kunst, dann wieder der Armenpflege, wie in Marseille (s. o.). Erst 1812 fand er sich wieder in Flottbeck ein und widmete sich der Landwirthschaft, der Litteratur und der Ordnung seiner eigenen Denkschriften. Aus diesem einsameren Leben trat er 1815 in die Häuslichkeit seines Freundes Piter Poel ein, in welcher er bis 1828 verblieb, als er Flottbeck an den hamburger Senator Jenisch verkaufte und sich nur für die Sommermonate eine Wohnung im alten Hause vorbehielt, die Wintermonate aber in Hamburg zubrachte. Noch in seinem 74. Lebensjahre beschäftigte er täglich einen Abschreiber und zwei Secretäre, um seine Aufsätze, Tabellen und Briefwechsel zu besorgen und zu ordnen. An allen neuen Erscheinungen namentlich der Politik und Nationalökonomie, des Theaters und selbstverständlich der Armenpflege nahm er theil, indem seine Zeit aufs genaueste eingetheilt war. In den letzten Jahren seines Lebens stellte sich fast eine völlige Blindheit ein, „aber der Verlust der Augen würde, wie Dr. Julius (s. A. D. B. XIV, 686) schreibt, jeden Andern niedergeschlagen haben, allein das geistige Leben war in ihm so überwiegend über das physische, daß er in erhöhtem Genusse geistiger Thätigkeit Ersatz, Beruhigung und Trost fand“. Eine besondere Auszeichnung wurde ihm (1838) zu theil, am Tage, da die Armenordnung ihren 50jährigen Bestand feierte; auch der naturwissenschaftliche Verein, der ihn zu seinem Ehrenmitgliede ernannte, machte diesen Tag, wie er selbst gestand, vielleicht zu dem glücklichsten seines Greisenalters. Kaum fünf Monate nach diesem Ehrentage, am 20. März 1839 ist er sanft und ruhig in der Mittagsstunde entschlafen, nachdem er noch an demselben Tage, seiner Gewohnheit gemäß, sich hatte vorlesen lassen und Besuche empfangen. „Der Kern von Voght’s Bestrebungen war, wie sehr auch die Gunst der Musen sein Leben bereichert und verschönert, durchaus praktischer Natur. Ackerbau, Handel, Gewerbewesen, the wealth of nation, bildeten den Gegenstand seiner Forschungen, aber besonders war es der Ackerbau und die Armenpflege, womit er sich aufs angelegentlichste beschäftigt hat. Doch ging er nicht in dieser praktischen Thätigkeit auf: wie er selbst gegen Rist am Ende seines Lebens äußerte, „zog sich durch das bunte Gemisch seines Lebens ein lichter Faden allmächtigen Strebens zur Höhe hinauf, ein Faden, der nie zerriß und durch das Labyrinth des Lebens in das Reich der Wahrheit führt. Das ist es, was mich mit Dankbarkeit auf die erziehende Gnade in die Vergangenheit zurückblicken läßt. Und was in dieser Laufbahn sich in mir täglich vermehrt hat, ist Glaube, Liebe, Ergebung und der feste Wille, in allem was mir begegnet, eine, mir von der Vorsehung dargebotene Veranlassung zu erblicken, ein Edleres und Besseres zu thun“. V. ist im ledigen Stande geblieben, weil das Schicksal ihm die Lebensgefährtin versagt hatte, die allein, [166] wie er glaubte, die Forderungen seines Verstandes und Herzens in einer unauflöslichen Verbindung befriedigen konnte. Sein litterarischer Nachlaß wurde seinem Willen gemäß dem Doctor Julius und Syndikus Sieveking zur theilweisen Veröffentlichung übergeben, allein jedem derselben gebrach es an Muße, den Willen des Verblichenen zu erfüllen.