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Artikel „Vogel, Christian Daniel“ von Wilhelm Sauer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 97–100, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vogel,_Christian_Daniel&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 21:33 Uhr UTC)
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Band 40 (1896), S. 97–100 (Quelle).
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Vogel: Christian Daniel V. Die Vorfahren Vogel’s sollen aus Breitenbach in Hessen in das Fürstenthum Nassau-Dillenburg eingewandert sein. Seit dem Jahre 1727 bekleideten dieselben die Stelle des Amtsjägers mit dem Wohnsitze zu Neuhütte in der Gemeinde Ebersbach. Hier wurde Christ. Dan. als Sohn des Försters, späteren Oberförsters Ludwig V. († 1821) geboren. In herkömmlicher Weise erhielt er den ersten Unterricht in der Schule seines Heimathsdorfes, später bei dem Pfarrer Dapping in Bergebersbach, bis er vom Herbste 1801 ab die Lateinschule zu Dillenburg besuchen konnte. Neben gründlicher Schulbildung verdankte er dem dortigen Rector Römer die Anleitung zur Beschäftigung mit der Botanik, der er sein Leben hindurch treu blieb; bis an sein Ende wandte er seinem Hausgarten die aufmerksamste Pflege zu. Aber nicht minder ist damals in Dillenburg die Neigung zur vaterländischen Geschichte, der später die Lebensarbeit des gereiften Mannes galt, in ihm geweckt worden, wenn auch heute nicht mehr festzustellen ist, wie weit damals schon seine Beziehungen zu den Gelehrtenkreisen in Herborn und Dillenburg gereicht [98] haben mögen. Zeugniß von seinen damaligen Studien legen die in dieser Gymnasialzeit entstandenen Sammlungen für eine nassauische Gelehrtengeschichte, welche sich noch jetzt in seinem handschriftlichen Nachlasse befinden, ab. Im Frühjahre 1807 vertauschte V. Dillenburg mit Herborn, um sich auf der hohen Schule daselbst dem Studium der Theologie zu widmen, unterbrach jedoch im J. 1809 die begonnenen Studien und kehrte zu seinen Eltern nach Neuhütte zurück.

In diese Herborner Zeit fällt Vogel’s erste litterarische Arbeit, die zu Herborn 1808 erschienene kleine Schrift „Hermann Schutte, ein kleiner Beitrag zur Vaterlandsgeschichte“, deren Ertrag zum Besten eines religiösen Naturdichters, des verarmten Schlossers Hermann Schutte im Siegenerlande, bestimmt war. Die damaligen Zeitverhältnisse waren der Fortsetzung seiner theologischen Studien wenig günstig. Der Gefahr der persönlichen Ableistung seiner Militärpflicht war er durch Stellung eines Einstehers entgangen. Private Studien und der nebenbei betriebene Unterricht der jüngeren Geschwister ließen ihm hinlänglich Zeit, Verkehr mit Dillenburg zu pflegen und Verbindungen, zu denen bereits früher der Grund gelegt war, fester zu knüpfen. Von bestimmendem Einfluß auf ihn wurden jetzt zwei Männer, deren Dillenburg noch heute mit Stolz gedenken darf; der für die Entwicklung unserer Litteratur so bedeutsame K. G. H. von Meusebach, von 1803–1814 dort als Regierungsbeamter thätig, und Johannes Arnoldi, der Geschichtschreiber der nassau-oranischen Lande. Des letzteren Einwirkung können wir es gewiß zuschreiben, daß V. für seine Thätigkeit bald das Gebiet fand, für das er geboren war. Ob V. schwankte in dieser Zeit bezüglich des Berufes, dem er sich bisher bestimmt, wir wissen es nicht – aber drei Jahre dauerte es, bis er sich – im April 1812 – den Vorbereitungen für das theologische Examen zuwendete. Im Juli 1812 bestand er das Staatsexamen „gut“, wurde am 7. Juni 1813 ordinirt und gleich darauf als Pfarrvicar in Ballersbach angestellt. Während seines dreimonatlichen Aufenthalts daselbst schrieb er unter Benutzung des Pfarrarchivs die Geschichte der Kirche und Pfarrei Ballersbach, welche in dem 1818 veröffentlichten 1. Bande seines „Archiv für Kirchengeschichte“ Platz fand. Am 1. October 1813 wurde er nach Liebenscheid versetzt. Von hier aus besorgte er die Neuaufstellung der alten Regierungsbibliothek zu Dillenburg, welche in der französischen Zeit aus den bisherigen Räumen entfernt worden war. Lebhaft empfand er hierbei die Schwierigkeiten, welche seinen Studien durch die örtliche Trennung von Dillenburg bereitet wurden. Doch auch die Fürsprache Arnoldi’s ließ es nicht erreichen, in eine vacante Pfarrei daselbst versetzt zu werden; statt dessen ging er am 1. Juli 1815 als zweiter Pfarrer nach Marienberg. Brachte dieser Wechsel auch eine gewisse Erleichterung, so blieb es doch ein schwerer Fehler der Regierung, die junge aufstrebende Kraft nicht an die Stelle zu setzen, wo dieselbe zur vollen Leistungsfähigkeit sich hätte schneller entwickeln können. Unter weit erschwerenderen Umständen machte sich die Regierung später desselben Fehlers schuldig, als sie seine Versetzung in eine Wiesbaden nahe liegende Pfarrei abschlug. Von Marienberg aus vermochte V. leicht die Verbindung mit seinem alten Gönner v. Meusebach zu pflegen, der 1815 die Entlassung aus dem oranischen Staatsdienste erhalten hatte, nachdem er zum Präsidenten des in Koblenz errichteten Revisionshofes ernannt war. Zwei Mal, in den Jahren 1816 und 1817, besuchte V. den Freund in Koblenz. Diese beiden Reisen sind zugleich mit einem späteren Ausfluge nach Frankfurt die einzigen, welche V. in seinem ganzen Leben über die Grenzen des Herzogthums führten. In Koblenz konnte V. Beziehungen zum Archivar Günther in erwünschter Weise anknüpfen.

Nach dem handschriftlichen Nachlasse Vogel’s können wir vermuthen, daß [99] bis in die Marienberger Zeit hinein seine Studien sich fast ausschließlich auf die Kirchen- und Gelehrtengeschichte der nassau-oranischen Lande erstreckten; bei letzterer zogen ihn die Theologen, namentlich die Herborner Professoren, am meisten an. Diesen Studien damals weitergehende Ziele gegeben zu haben, ist das Verdienst von Johannes Arnoldi. Im Auftrage von Ersch veranlaßte er zunächst V., für das damals begründete große Sammelwerk, die „Allgemeine Encyklopaedie der Wissenschaften“, die Bearbeitung der Biographieen nassauischer Gelehrten, sowie ortsgeschichtliche Artikel zu übernehmen. Die in den Jahren 1819 und 1820 erschienenen, die Artikel A–H umfassenden Bände der Encyklopaedie enthalten die von V. gegebenen Beiträge. Diese kleinen Arbeiten wurden dadurch bedeutungsvoll, daß sie in V. den Plan weckten, eine Topographie des Herzogthums Nassau nach dem Vorbilde von Büsching’s Erdbeschreibung und namentlich Widder’s Beschreibung der Kurpfalz zu bearbeiten. Im März 1817 gestattete ihm das Ministerium zu diesem Zwecke die Benutzung der Landesarchive. Um diesen Arbeiten sich ganz und ungehindert hingeben zu können, brachte er zunächst die bisher betriebenen kirchengeschichtlichen und litterarhistorischen Forschungen zu einem gewissen Abschlusse. Im J. 1818 veröffentlichte er den ersten (einzigen) Band seines „Archiv der nassauischen Kirchen- und Gelehrtengeschichte“, welcher im ersten Theile fünf kirchengeschichtliche Aufsätze, im zweiten die Biographien von fünfzehn Gelehrten brachte. Hierneben folgte 1819 das Register zu Arnoldi’s Geschichte der nassau-oranischen Lande, zu dessen Anfertigung ihn dieser seit dem Jahre 1815 wiederholt gedrängt hatte. Die Arbeiten für die Topographie wurden jetzt so eifrig gefördert, daß er schon 1820 dem erfreuten Arnoldi melden konnte, sein „Historisch-topographisches Wörterbuch des Herzogthums Nassau“ habe bereits festere Gestaltung gewonnen. Doch vergingen noch 16 Jahre, bis das zwar nicht umfangreiche, doch einen ungemeinen Aufwand von Sammeleifer und Fleiß erfordernde grundlegende Buch zur Drucklegung fertig gestellt war.

Inzwischen war auch im Süden des Herzogthums das Interesse für vaterländische Geschichte namentlich durch die beiden Habel, Vater und Sohn, geweckt worden, doch gelang es erst im Jahre 1821, die in Wiesbaden gebildete alterthumsforschende Gesellschaft in feste Formen als „Verein für Geschichte und Alterthumskunde Nassaus“ zu bringen. Habel, hervorragend auf dem Gebiete der Erforschung römischer Alterthümer, trat in Verbindung mit V., der, begeistert für das seinen eigenen Wünschen so sehr zusagende Unternehmen, uneigennützig und freudig seine Mitwirkung versprach, ohne zu ahnen, wie bald Habel’s Eigensinn ihm herbe Enttäuschungen bereiten sollte. Zu den drei ersten Bänden der Zeitschrift (Annalen) des Vereins steuerte V. treffliche Aufsätze bei. Der 1. Januar 1828 brachte V. die Versetzung von Marienberg nach Schönbach in die Nähe seines geliebten Dillenburg. Hier schrieb er zunächst das Leben seines am 20. Juni 1823 dahingegangenen alten Herborner Lehrers J. F. Fuchs. Im J. 1826 folgte seine Ausgabe der bekannten Limburger Chronik, nebst Einleitung und erläuternden Anmerkungen. Im folgenden Jahre 1827 wurde er vom Ministerium einer historischen Commission beigeordnet, der die Aufgabe gestellt war, die Geschichte des Landes Nassau und seines Regentenhauses, namentlich aber des Walramischen Astes desselben, zu schreiben. Der Vater dieses Gedankens war fraglos der Leiter des Unternehmens, der bekannte Publicist Johann Weitzel, seit 1820 herzoglicher Hofrath und Landesbibliothekar zu Wiesbaden. Das zweite Glied des Bundes war Habel. Dieser sollte die prähistorische und römische Zeit bearbeiten, Weitzel behielt sich das Mittelalter und die Neuzeit vor; dem fatalen Umstande, daß er nach eigenem Geständniß eine Urkunde weder las noch verstand, hoffte er durch Vogel’s Mitwirkung leicht zu [100] begegnen. Eifrig, aber vergeblich betrieb er deshalb die Versetzung Vogel’s, der im Sommer und Herbst 1827 für das Unternehmen im Idsteiner Landesarchive arbeitete, auf die Pfarrei Erbenheim bei Wiesbaden. Doch schon im J. 1829 gerieth das ganze Unternehmen, hauptsächlich infolge kleinlicher Eifersüchteleien Habel’s völlig ins Stocken, der einzige Ertrag war eine 1830 von V. im Manuscript fertig gestellte Arbeit, betitelt „Geschichte von Nassau, zweite Periode, 496–1000“. Die im Idsteiner Archiv gesammelten Regesten und Auszüge hielt V. indessen bei dem Erlahmen des Unternehmens vorsichtig für seine eigenen Sammlungen zurück. Den einmal angeregten Gedanken der Abfassung einer nassauischen Landesgeschichte ließ V., der – was hier nachgeholt werden soll – inzwischen am 1. Januar 1831 von Schönbach nach Kirberg versetzt war, jedoch nicht mehr aus den Augen. Von Kirberg aus hatte er alsbald 1832 das „Nassauische Taschenbuch“, eine Sammlung kleinerer, mehr populär gehaltener Aufsätze, veröffentlicht. Als dann Johannes Weitzel am 10. Januar 1837 gestorben war und dessen vorhin besprochenes Project einer Bearbeitung der Geschichte des Herzogthums thatsächlich beseitigt erschien, erreichte er durch Vermittlung seines Freundes, des Ministerialraths Vollpracht (s. d. Art.), daß der Herzog ihn und diesen im Februar 1838 mit der Abfassung der Landesgeschichte beauftragte. V. wandte sich dieser Aufgabe um so lieber zu, als Streitigkeiten mit Habel, seinem Collegen in der aufgelösten historischen Commission und im Vorstande des nassauischen Alterthumsvereins, ihn gegen Ende des Jahres 1836 veranlaßt hatten, seinen Austritt aus dem Vereine, in welchem er bisher fördernd gewirkt hatte, zu erklären. Dem Vereine hielt er sich etwa zwei Jahre fern. Um jene Zeit hatte er auch, mit Vorrede vom 1. Juni 1836, nach jahrelanger mühevoller Arbeit seine „Topographie des Herzogthums Nassau“ zum Druck bringen können. Nunmehr, nachdem ihm und Vollpracht vom Herzoge der eben erwähnte Auftrag ertheilt war, entschloß er sich, die weiteren Ergebnisse seiner Studien für eine zweite umgestaltete Bearbeitung seiner historischen Topographie zu verwenden. So erschien, finanziell von der Regierung unterstützt, im J. 1848 sein noch heute schätzbares Hauptwerk, die „Beschreibung des Herzogthums Nassau“. Hier fand seine vorhin erwähnte, im J. 1832 für die historische Commission bearbeitete „Geschichte von Nassau, zweite Periode, 496 bis 1000“, an passenden Stellen Verwendung und Abdruck. Mit diesem verdienstlichen Werke schließen Vogel’s größere Arbeiten; aus späterer Zeit liegen nur noch kleinere Aufsätze vor.

Aus Vogel’s äußerem Leben in dieser Zeit ist nachzutragen, daß er im J. 1838 zum Decan, 1842 zum Schulinspector zu Kirberg und 1849 zum Inspector der evangelischen Schulen im Amte Kirberg ernannt wurde. Er verschied nach längerem Leiden zu Kirberg am 27. Juli 1852. Vogel’s ungemein reichhaltiger handschriftlicher Nachlaß wurde bald nach dessen Tode für das Landesarchiv angekauft und befindet sich jetzt im Staatsarchive zu Wiesbaden; das in den Annalen des Nassauischen Alterthumsvereins XVII, 70 veröffentlichte Verzeichniß desselben ist unvollständig und ungenau.

Nekrolog Vogel’s im Nassauischen Schulblatt 1852. – Vogel’s hinterlassene Correspondenzen, namentlich aber actenmäßige Nachrichten. – Nass. Annalen Bd. XXVII.