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Artikel „Villatte, Césaire“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 705–706, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Villatte,_C%C3%A9saire&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 14:41 Uhr UTC)
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Villatte: Césaire V., Lexikograph, wurde geboren am 13. Januar 1816 zu Neu-Strelitz, wo der durch die Französische Revolution vertriebene Vater als Lehrer für Französisch lebte, und starb ebenda am 12. Juni 1895. Er absolvirte das Gymnasium seiner Vaterstadt, studirte in Berlin Philologie, vornehmlich classische, promovirte, begab sich nach Frankreich, und wurde 1838 an das Collegium Carolinum, dem er seine Vorbildung verdankte, berufen, wo er, wie an andern Schulen, 45 Jahre, als ordentlicher Lehrer, dann als Professor, mit großem Erfolge den französischen Unterricht ertheilte; seit 1884 war er pensionirt. Bekannt und mit Recht berühmt geworden ist sein Name durch die dem großen Wörterbuchunternehmen des Berliner Buchhändlers Professor Gustav Langenscheidt, das als „Sachs’ (-Villatte’s) französisches Wörterbuch“ begründeten Weltruf erlangt hat, gewidmete überaus rege Theilnahme, die sich allmählich zum Range der Mitherausgeberschaft steigerte. Zum französisch-deutschen Theile dieses seit 1869 erscheinenden classischen Werkes lieferte V. zahllose Beiträge aus der Umgangssprache; beim zweiten, dem deutsch-französischen, dagegen, den der Verfasser, Professor Karl Sachs, aus äußerlichen Ursachen sechs Jahre liegen lassen mußte, griff er selbständig ein, indem er die mittlerweile aufgehäuften schier unendlichen Manuscriptnachträge einfügte und das Ganze gleichmäßig durchredigirte (8 Auflagen). Sonach schuldet man ihm die Hauptsumme der praktischen Brauchbarkeit dieser wol für lange unerreichbaren Monumentalleistung. Außer dem wiederum „unter Mitwirkung von Professor Dr. Césaire Villatte von Professor Dr. Karl Sachs herausgegebenen „Französisch-deutschen Supplement-Lexikon“ (Berlin 1894), daß beider Männer erstaunliche Lebensarbeit als würdiger Schlußstein krönte (vgl. meine – anonyme – Anzeige Blätt. f. litter. Unterhalt. 1894, Nr. 23, S. 366) und der neben jenem großen Wörterbuch und auf dessen Grundlagen aufgebauten „Hand- und Schul-Ausgabe“, dem mit Recht weitestverbreiteten Hülfsmittel seiner Gattung in deutschen Landen (86. Aufl. 1895), lieferte V. allein noch zwei höchst werthvolle Ergänzungen. Erstlich „Parisismen“ (1884), ein gründliches alphabetisches und erläutertes Verzeichniß des Pariser Argot, für das zuerst Villatte’s Vorläufer in der Erforschung und Fixirung des hauptstädtischen Dialekts, Delvan, Larchey, Rigaud, das Hauptcontingent [706] boten; die Neuauflagen (4. 1895) zeigten V. mehr und mehr unabhängig, als er auf umfänglichen eigenen Lesefrüchten und directen Mittheilungen vieler Sachkenner fußte. Sodann das dreibändige „Nothwörterbuch der französischen und deutschen Sprache“ (10 bez. 11 Auflagen), ein ungemein geschicktes Nachschlagebüchlein; die beiden ersten Bändchen enthalten das auf den Tagesbedarf, namentlich des Reisenden, zugeschnittene eigentliche Lexikon, das dritte, ein „Sachwörterbuch“ über „Land und Leute“ nebst sonstigen Realien bei unseren Westnachbarn, schildert Leben und Treiben der Franzosen gedrängt, aber fesselnd und verläßlich, und steuert zur Auffassung staatlicher und cultureller Verhältnisse vielerlei fördernde Gesichtspunkte bei. Beide bekunden aufs schönste nicht bloß unermüdlichen redlichen Sammelfleiß, sammt einer wahrhaft vorbildlichen Genauig- und Sauberkeit, sondern auch sich alleweil vertiefenden Sinn für das Wesentliche und den Gehalt der gangbaren Sprachmünze, dabei eine nie schlaffe Lust, nach abgelegenen und doch unentbehrlichen prägnanten Ausdrücken zu fahnden. Er arbeitete peinlich, fast ohne Strich, und bezeugte stets eine liebenswürdige Seele, an Bedürfnißlosigkeit grenzende Bescheidenheit. Er dachte und schrieb ganz als Deutscher. – Ein anonymer authentischer Nekrolog in der „Vossischen Zeitung“ vom 13. Juni, Abendausg., Nr. 272 (abgedruckt „Hamburg. Nachrichten“ vom 15. Juni, Nr. 139, Morgenausg.); ein auf die Persönlichkeit zugespitzter panegyrischer im „Berliner Tageblatt“ vom 14. Juni, Nr. 296, Morgenbl. (anonym; von dessen Redacteur Ferd. Runkel); in letzterem vom 19. Juni, Nr. 306, Abendausg., das rühmende Urtheil seines Freundes Daniel Sanders aus der „Mecklenburg.-Strelitz. Landeszeitung“ abgedruckt; eine anonyme Biographie Villatte’s von seinem Neffen Oberlehrer Prof. V. in „Mittheilungen aus dem Buchhandel“ 1895, S. 1383 (danach übertrug V. früher Schiller’s „Wallenstein“ in französ. Jamben).[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 706. Z. 26 v. o.: Vgl. jetzt Fränkel’s ausführl. Nekrolog auf V. in der Zeitschr. f. franz. Sprache u. Lit. XVII, 192–194. [Bd. 45, S. 675]