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Artikel „Vespermann, Wilhelm“ von Heinrich Welti in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 649–651, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vespermann,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 04:53 Uhr UTC)
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Vespermann: Wilhelm V., namhaft als langjähriges und verdientes Mitglied der Münchener Hofbühne, wurde 1784 zu Hannover geboren und betrat dort auch 1802 zuerst die Bretter. Seine Lehrjahre verbrachte er auf Wanderfahrten mit der Gesellschaft des Directors Thomala und fand dann auf längere Zeit Anstellung in Bremen, wo er in kleinem Gesangspartien (Monostatos, Antonio im Wasserträger) und in jugendlichen Rollen (Melchthal, Tempelherr) thätig war. Als weitere Stationen seiner Künstlerlaufbahn werden Hannover, Braunschweig, Magdeburg, Karlsruhe (1811), Augsburg, Wiesbaden, [650] Mainz, Köln bezeichnet. Gleichzeitig vollzog sich seine Wandlung vom jugendlichen Helden zum Charakterdarsteller und Chargenspieler. Im J. 1816 kam er als Gast nach München und stellte sich als Franz Moor bei der ersten Aufführung der „Räuber“, die dort stattfand, mit solchem Erfolge vor, daß er 1817 für die Hofbühne angeworben wurde. Schon 1821 zum Regisseur befördert, entfaltete er eine reiche Thätigkeit als Darsteller wie als Spielleiter im Drama, wo ihm neben Eßlair namentlich das Conversationsstück zugewiesen war. Seine berühmtesten Rollen waren: Franz Moor, Soliman, Antonio (Tasso), Selbitz, Shylock, Mephisto (1830), besonders beliebt aber war er in Chargen wie Schneider Fips, Rath Seger u. dergl. Er starb zu München am 8. Januar 1837.

Clara V. geborene Metzger, seit 1821 mit Wilhelm V. verheirathet, hatte der deutschen Opernbühne kaum ein Jahrzehnt angehört, als sie am 6. März 1827 in der Blüthe ihrer Jahre und ihres Ruhmes starb. 1799 als armer Leute Kind in der Au bei München geboren, kam sie frühzeitig in Berührung mit dem Theater und erregte durch ihre Stimme die Theilnahme des Hofcapellmeisters Peter v. Winter, der sie als Pflegetochter in sein Haus nahm und sie sorgfältig für den Sängerberuf vorbereitete. Nachdem sie im Winter 1814/15 im Concert die ersten Proben ihres Könnens abgelegt, wagte sie im Frühjahr 1816 als „Myrrha“ im „unterbrochenen Opferfest“ den ersten Schritt auf die Bühne. Da trotz des Erfolges München ihr im Augenblick keinen Wirkungskreis bieten konnte, begleitete sie ihren Lehrer auf Kunstreisen nach dem nördlichen Deutschland, sang mit Beifall in den von ihm zu Leipzig und Dresden veranstalteten Concerten und wandte sich im Winter 1816/17 mit ihm nach Italien, wo sie zu Venedig, Mailand und Genua in den von Winter geschriebenen Opern „Mahomet“ und „I due Valdomiri“ durch ihre weitgediehene Coloraturfertigkeit sich Bewunderung erwarb. 1819 wurde sie für die Münchner Hofoper verpflichtet und machte sich hier zunächst durch ihre Wiedergabe einiger Rollen der älteren italienischen Oper, wie Paisiello’s „Molinara“, Zingarelli’s „Romeo“ einen Namen, die größten Erfolge aber erzielte sie bald mit den Bravourpartien der damals in Mode gekommenen Rossini’schen Opern. Als Rosine, Desdemona, Tancred, als Boiëldieu’s Prinzessin von Navarra und Mozart’s Zerline eroberte sie 1820 und 21 auch die Gunst der verwöhntern Wiener, die ihrem in allen Lagen schön ausgeglichenen, quellenden Meszosopran, ihrer Leichtigkeit in Rouladen und Passagen und ihrer Anmuth und Unerschöpflichkeit im Verzieren und Verändern ein ganz besonders feines Kunstverständniß entgegenbrachten. Der Geschichte der „deutschen Oper“ gehört Clara Metzger-V. als erste Agathe der Münchener Bühne an; Weber selbst soll ihre Leistung in dieser schwierigen Rolle als einzig und unerreichbar bezeichnet haben. Ein halbes Jahr nach ihrem Tode, der in München die aufrichtigste Trauer hervorrief, heirathete Wilhelm V. ihre Collegin

Catharina Sigl, die von nun ab den Namen Sigl-Vespermann führte. Catharina Sigl wurde um 1802 in Passau geboren. Ihre Jugend verlebte sie großentheils auf Reisen in Deutschland, Italien (1809), Frankreich, Holland, wo ihre Eltern sie und zwei ältere Geschwister als Wunderkinder vorzuführen suchten. 1812 und 1813 trat die zehnjährige Kleine bereits als Sängerin in Berlin auf und wagte sich an die berühmte Arie des Romeo von Zingarelli. 1818 und 1819 concertirte sie mit ihrem Bruder Ignaz, einem jugendlichen Cellisten, in Paris und Amsterdam. Ihr erstes Engagement fand sie in München 1820 bei der italienischen Oper. 1821 wurde sie Mitglied des Münchener Hoftheaters, an dem sie nun durch ein Jahrzehnt das Rollenfach des hohen Soprans mit großem Erfolg und dauernder Beliebtheit vertrat. Sie sang die [651] Königin der Nacht, Susanne, Elvira, Myrrha, Marzelline (Fidelio), schuf für München die Rollen des Aennchen (Freischütz), der Euryanthe und Rezia und wurde nur zeitweise durch die stimmbegabtere Nannette Schechner in Schatten gestellt. Gastspiele in Wien (1822), Nürnberg (1824) und Stuttgart (1826) verbreiteten ihren Ruf als Meisterin des Ziergesanges. 1833 wurde sie in Ruhestand versetzt. Sie starb zu München am 30. Juli 1877.

Vgl. Franz Grandaur, Chronik des kgl. Hof- und Nationaltheaters in München. – Blum-Herloßsohn-Marggraff, Allg. Theaterlexikon VII, 167 f. – Allgemeine musicalische Zeitung, Jahrgänge 1809–1833.